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Vom Rollfeld ins All: Diese Bremer Erfindung soll es möglich machen


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Start von jedem Flughafen
Bremer Unternehmen will die Raumfahrt revolutionieren


Aktualisiert am 19.11.2022Lesedauer: 4 Min.
Raumflugzeug "Aurora": Die Grafik zeigt, wie das Gefährt einmal aussehen könnte. Es soll dabei in etwa die Größe eines Airbus A319 haben.Vergrößern des Bildes
Raumflugzeug "Aurora": Die Grafik zeigt, wie das Gefährt einmal aussehen könnte. Es soll dabei in etwa die Größe eines Airbus A319 haben. (Quelle: Screenshot/Polaris Raumflugzeuge GmbH)

Flüge ins All brauchen Vorbereitungszeit und vor allem: eine Startrampe. Ein Bremer Unternehmen will das ändern – und Reisen in den Orbit revolutionieren.

Der Traum vom All, er ist noch immer allgegenwärtig. Lieferten sich insbesondere in den 1950er- und 1960er-Jahren vor allem die USA und die damalige Sowjetunion einen Wettlauf um den Orbit, sind es heute Unternehmen, die in großer Konkurrenz zueinander stehen – und dabei meist eines im Sinn haben: erster zu sein.

Auch die Polaris Raumflugzeuge GmbH aus Bremen will Erster sein. Als erste Firma weltweit will sie Fluggeräte ins All befördern – und das ganz ohne die klassische Startrampe, die bis heute üblicherweise nötig ist. Klingt zunächst technisch, heißt aber im Klartext: Flüge ins All, so die Idee von Polaris Raumflugzeuge, könnten künftig von jedem Flughafen der Welt möglich sein. Es brauche lediglich eine Landebahn, nicht mehr, nicht weniger.

Dass dieses Szenario bald Realität werden könnte, daran hat CEO und Polaris-Gründer Alexander Kopp keinen Zweifel. "Wir sind keine Spinner. Wir wissen, dass das absolutes Neuland ist. Aber wir wissen auch, wie viele Jahrzehnte Arbeit da drin stecken", sagt Kopp zu t-online. 2019 gründete der System-Ingenieur das Unternehmen, zuvor arbeitete er zehn Jahre beim Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) an der Bremer Uni.

Polaris wirft die Grundregel eines Raketenstarts über den Haufen

In dieser Zeit entstand die Idee für die Raumflugzeuge, nach und nach reiften seine Gedanken zu einer konkreten Vision. Und die könnte die Raumfahrt tatsächlich ein gutes Stück weit auf den Kopf stellen.

Grundlegende Rahmenbedingungen, die momentan für einen Start ins All notwendig sind, würden somit überflüssig. So starten die meisten Raketen in Äquatornähe, weil das Flugobjekt so die maximale Rotationsgeschwindigkeit der Erde nutzen kann. Startvorrichtungen stehen meist in unbewohnter Umgebung. Bei einem Absturz soll so das Risiko für Anwohner verringert werden. Und, wie erwähnt, brauchen Raketenstarts eine Startrampe, die einen Start in senkrechter Position ermöglichen. All das soll nicht mehr erforderlich sein, sollten die Raumflugzeuge von Polaris bald in die Wirklichkeit umgesetzt werden.

"Am liebsten", sagt Alexander Kopp, "wollen wir so schnell wie möglich ins All starten." Doch so schnell wird das nicht gehen, das weiß auch der System-Ingenieur. Anvisiert sei das Jahr 2026: Ab dann soll es möglich sein, von jedem Flughafen der Welt in den Orbit zu fliegen – und auch auf jedem Flughafen wieder zu landen. Wie mit einem Flugzeug eben – zunächst jedoch unbemannt, perspektivisch aber auch mit Passagieren.

2023 sollen Tests mit Überschallantrieb folgen

Und dafür wird getestet. Viel getestet. Erst vor wenigen Tagen schlossen Kopp und sein 17-köpfiges Team einen Testflug am Flughafen in Peenemünde ab. Sogenannte Demonstratoren, also kleine Modelle der zukünftigen Version, werden auf Herz und Nieren getestet. Materialien müssen den Belastungen standhalten, Messwerte werden analysiert, die Aerodynamik angepasst.

All das mit dem Ziel, bereits 2023 mit sogenannten Überschall-Demonstratoren an den Start zu gehen. Sollten die Tests auch im kommenden Jahr erfolgreich sein, geht es an die Konzeption der eigentlichen Raumflugzeuge. Antriebstechnik und Hitzeschilde würden dann, so Kopp, unter die Lupe genommen. Zudem gelte es, spezifische Regularien wie Flugräume abzuklären.


Quotation Mark

"Hätten wir das Projekt in den USA vorgestellt, da wären sofort die Portmonees aufgegangen."


Alexander Kopp, CEO Polaris Raumflugzeuge


Um dem Vorhaben bemannter Flüge näherzukommen, hat das Unternehmen im Sommer unter anderem neue Räume im Stadtteil Mahndorf bezogen. 400 Quadratmeter Bürofläche stehen dort zur Verfügung, hinzukommen weitere rund 550 Quadratmeter Halle, in der an den Fluggeräten gearbeitet werden kann.

Bis der Traum vom All wahr wird, vergeht nicht nur Zeit, auch Geld muss fließen. Wie viel Kopp in das Projekt bislang gesteckt hat, möchte er nicht verraten, jedoch gehe sein Engagement in die Millionen, sagt er. 50 Prozent des Geldes stamme aus Aufträgen, die andere Hälfte komme von Investoren. Zu diesen zählten unter anderem die Europäische Weltraumorganisation (Esa), das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt sowie die Bundeswehr.

Anders als in den USA, wo bei einer Projektvorstellung "sofort die Portmonees aufgegangen" wären, glaubt Kopp, sei es in Deutschland schwer, Investoren zu finden. Zu konservativ sei die Szene, zu wenig risikobereit.

Finales Modell soll etwa 34 Meter lang sein

Jüngste Tests in Zusammenarbeit mit der Bundeswehr fanden vor Kurzem auf dem Flughafen in Peenemünde statt. Dort ließen die Entwickler den Demonstrator Athena in die Luft steigen. 3,5 Meter misst das Vehikel, 120 Kilo ist es schwer.

Das finale Modell soll in etwa der Größe eines Airbus A319 entsprechen, was knapp 34 Meter wären, heißt es auf der Webseite des Unternehmens. 138 Passagiere, wie im Airbus, würden zukünftig zwar nicht befördert werden können, dafür jedoch Fracht, die im All benötigt werde.

Und so könnte das Ganze letztlich ablaufen: Das Raumflugzeug startet und fliegt im sogenannten Unterschall-Reiseflug bis auf eine bestimmte Höhe. Im dritten Schritt zünden die Raketentriebwerke und befördern das Vehikel im senkrechten Flug in Richtung All. Kurz vor der Marke von 100 Kilometern Höhe werden die Triebwerke abgeschaltet.

Kopp: "Wissen, dass das ein Brett ist"

Sobald der Orbit erreicht ist, werden Nutzlast und Oberstufe getrennt und die Oberstufe transportiert die entsprechende Fracht zum Zielort. Der Raumflieger macht sich final auf den Weg zurück in Richtung Erde und fliegt im Unterschall-Reiseflug zum Flughafen zurück.

Bei aller Euphorie bleibt Kopp jedoch Realist. "Wir wissen, dass das ein Brett ist, das wir bohren müssen. Da steckt unheimlich viel Arbeit drin – und wir wollen das erfolgreich zu Ende führen." Sollte 2026 die Raumfahrt auf den Kopf gestellt sein, sei eines jedoch sicher: "Wir bleiben in Deutschland. Wir gehen hier nicht weg."

Verwendete Quellen
  • Telefonat mit Alexander Kopp, CEO Polaris Raumflugzeuge
  • polaris-raumflugzeuge.de: News
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