Berlin Sieben-Tage-Inzidenz über 500: Booster nach dem Booster?
Die Virusvariante Omikron treibt die Corona-Zahlen in Bayern weiter steil nach oben. Einst galt die Marke 50 als kritische Grenze - jetzt ist die Inzidenz rund zehnmal so hoch. Nach mehr als 10.000 registrierten Neuinfektionen am Samstag und ähnlich vielen tags darauf lag die Sieben-Tage-Inzidenz im Freistaat am Sonntag bei 527,4. Damit haben sich binnen einer Woche mehr als 527 Menschen je 100.000 Einwohner mit dem Coronavirus angesteckt. An diesem Montag tagt das Kabinett, um über weitere Schritte in der Corona-Krise zu beraten.
Der Münchner Corona-Experte Clemens Wendtner mahnte angesichts dieser Entwicklung zur zügigen Vorbereitung auf die vierte Corona-Impfung - mit den verfügbaren Impfstoffen. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) kündigte an, in der Corona-Politik künftig einen "breiteren Ansatz" verfolgen zu wollen. In einigen bayerischen Städten protestierten am Wochenende wieder tausende Gegner der Corona-Politik.
Seit dem 30. Dezember steigen mit der zur fünften Welle deklarierten Omikron-Variante die Infektionszahlen wieder rasant. Laut dem Robert Koch-Institut (RKI) ist Omikron mittlerweile auch in Bayern die dominierende Virusvariante. Auf den Intensivstationen der Krankenhäuser sind die Patientenzahlen aber zuletzt weiter gesunken.
Die meisten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner wurden in den zurückliegenden sieben Tagen in München gemeldet: Die Inzidenz erreichte dort am Sonntag den Wert von 829,4. Es folgten die Stadt Ingolstadt (820,7) und der Landkreis Lindau (796,7). Am niedrigsten war der Wert in den Landkreisen Neumarkt in der Oberpfalz (159,7) und Coburg (173,3). Die Zahl der seit Beginn der Pandemie im Zusammenhang mit Corona gezählten Todesfälle im Freistaat stieg um 4 auf 20.170.
Auf den Intensivstationen sank die Zahl der Corona-Patienten dagegen weiter. Das Divi-Intensivregister meldete am Sonntag (Stand 9.05 Uhr) 408 Corona-Patienten auf Intensivstationen im Freistaat, das sind 19 weniger als noch am Samstag. 246 von ihnen mussten invasiv beatmet werden.
RKI-Präsident Lothar Wieler sieht mit der rasanten Ausbreitung der neuen Omikron-Variante eine "neue Phase der Pandemie", in der weniger die reinen Fallzahlen, sondern die Zahl der Schwerkranken entscheidend seien. Allerdings schlagen sich hohe Infektionszahlen erst mit Verzug auf Kliniken und Intensivstationen nieder, weil bis zur Einweisung von Patienten einige Zeit vergeht. Wieler warnte davor, dass durch die Masse an Infektionen - Omikron verbreitet sich deutlich schneller als Delta - auch die Zahl der Hospitalisierungen und der Todesfälle wieder steigen dürfte.
Der Chefarzt der Infektiologie an der München Klinik Schwabing, Wendtner, sagte der Deutschen Presse-Agentur: "Für mich wäre eine Viertimpfung vier bis sechs Monate nach der dritten Impfung eine adäquate Maßnahme." Er verwies jedoch zugleich darauf, dass es aufgrund mangelnder Daten noch keine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) zur Viertimpfung gibt.
Oft heiße es, man wolle auf den angepassten Omikron-Impfstoff warten. "Ich fürchte aber, das wird zu lange dauern", sagte Wendtner. Vor April sei nicht mit neuen Impfstoffen zu rechnen - die Omikron-Welle rolle jedoch jetzt heran. "Man muss eine Viertimpfungs-Kampagne jetzt schon vorbereiten, auch von der Verfügbarkeit der derzeit zugelassenen Impfstoffe her. Da dürfen wir nicht erst daran denken, wenn wir März oder April haben."
Söder sagte dem "Münchner Merkur" (Samstag): "Es wird nicht mehr ausreichen, die Lage nur medizinisch und virologisch zu betrachten. Wir müssen auch auf die gesellschaftliche und soziale Komponente stärker achten." Die Gesellschaft sei nicht in zwei gleiche Teile gespalten, aber sie sei geteilt. "Eine kleine Gruppe Querdenker mit sehr abstrusen Argumenten, eine große Gruppe an sehr vorsichtigen Menschen, aber eben auch einige, die zwar alle Regeln mitgemacht haben, aber erschöpft und müde sind und am Sinn mancher Vorschriften zu zweifeln beginnen."
Am Samstag protestierten tausende Gegner der Corona-Auflagen in einigen Städten - darunter in München, Regensburg, Fürth und Augsburg. Nach Angaben der Polizeipräsidien gab es keine nennenswerten Vorkommnisse, die Teilnehmer hätten sich überwiegend an die Auflagen wie Maskengebot gehalten. Am Sonntagabend sollte es zudem eine Demo im unterfränkischen Schweinfurt geben.
An diesem Montag berät das Kabinett, wie es weitergehen soll. "Im gesamten Kulturbereich sind dringend sinnvolle Verbesserungen möglich und erforderlich: Bei 2G plus und Maske sowie Einhaltung von geeigneten Abständen wollen wir wieder 50 Prozent der Zuschauerinnen und Zuschauer zulassen", sagte die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Landtagsfraktion, Ruth Waldmann. Der Bayerische Musikrat drängt sogar auf eine Auslastung bei Kulturveranstaltungen bis maximal 75 Prozent - bisher sind nur 25 Prozent erlaubt.