Berlin "Sturmfest und erdverwachsen": Niedersachsen feiert
Mit einer fröhlichen Revue hat sich Niedersachsen zu seinem 75. Geburtstag in Berlin präsentiert. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) begrüßte am Donnerstag die "Fankurve des schönsten der 16 Bundesländer" in der Landesvertretung im Regierungsviertel. Dort stehen auf wenigen Metern viele Vertretungen der Länder beim Bund - und einige sind in diesem Jahr ebenfalls ein Dreivierteljahrhundert alt geworden wie die Nachbarn Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein.
Bundesfinanzminister Olaf Scholz erschien verspätet zu der Niedersachsen-Fete wegen eines wichtigen Termins - "keine Ahnung, was das sein könnte", witzelte Weil über die Sondierungsgespräche des SPD-Kanzlerkandidaten mit Grünen und FDP. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller und seine Nachfolgerin Franziska Giffey waren zu Gast, ebenso Brandenburgs Regierungschef Dietmar Woidke (alle SPD). Für die Niedersachsen Hubertus Heil (SPD), Tilmann Kuban (CDU) und Jürgen Trittin (Grüne) war es ein Heimspiel.
"Niedersachsen, das behaupten manche Menschen, ist spröde", sagte Weil, nannte dies aber einen unfassbaren Irrtum. "Eigentlich sind wir die Spanier des Nordens."
Das setzte den Tonfall für einen Abend voller Humor und Selbstironie. Die Künstlerinnen und Künstler gaben vor allem der heimlichen Hymne des Landes neue Facetten - dem "Lied der Niedersachsen" mit dem krachledernen Refrain "Wir sind die Niedersachsen, sturmfest und erdverwachsen".
Sängerin Denise M‘Baye aus dem Wendland ließ ihren Popsong so beginnen: "Im Wendland an der Elbe steh‘n wir Hand in Hand am Deich." Swingsänger Juliano Rossi schmachtete nicht "von der Weser bis zur Elbe", sondern "von der Wera bis zur Elke". Und Kabarettist Dietmar Wischmeyer dichtete als "Günther der Treckerfahrer": "Wir sind die Niedersachsen, grundstabil wie Treckerachsen."
Der Spott traf an diesem Abend alles und alle: die Landeshauptstadt Hannover, VW mit dem Dieselskandal, die Schweinemassenhaltung, die Windparks, die niedersächsischen Exporte nach Berlin und Brüssel wie Gerhard Schröder, Christian Wulff oder Ursula von der Leyen.
Bis zum eigentlichen Landesgeburtstag ist es noch etwas hin. Nach dem Zweiten Weltkrieg gründete die britische Besatzungsmacht zum 1. November 1946 aus den Ländern Hannover, Braunschweig, Oldenburg und Schaumburg-Lippe das neue Bundesland.
Weil erinnerte an diese Anfänge. "Niedersachsen war ein Land, das in großen Teilen bitterarm gewesen ist" - etwa im Emsland oder entlang der früheren Zonengrenze zur DDR. Nun sei Niedersachsen ein starkes Agrar- und Industrieland, "ein Land im Herzen Europas". Vor allem aber habe Norddeutschland noch nie so lange Frieden erlebt wie in 75 Jahren Niedersachsen. "Das ist wirklich eine großartige Bilanz." Neben vielen anderen Aktivitäten zum Jubiläum ist am 1. November in Hannover ein Festakt geplant.