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Kritik an Berliner Polizei: "Maskenpflicht" nach CSD teils rabiat durchgesetzt – "Jagdszenen"?


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"Jagdszenen in der Motzstraße"?
"Maskenpflicht" nach CSD teils rabiat durchgesetzt – Kritik an Polizei

Von Kriss Rudolph

27.07.2021Lesedauer: 3 Min.
Polizisten sprechen auf der Parade zum Christopher Street Day in Berlin mit einem Teilnehmer (Archivbild): Die Polizei untersucht die Vorwürfe nun intern.Vergrößern des Bildes
Polizisten sprechen auf der Parade zum Christopher Street Day in Berlin mit einem Teilnehmer (Archivbild): Die Polizei untersucht die Vorwürfe nun intern. (Quelle: Rolf Kremming/imago-images-bilder)

"Jagdszenen in der Motzstraße"?: Zehntausende nahmen in Berlin an der CSD-Parade teil. Bei späteren Feiern im Regenbogenkiez soll die Polizei rabiat gegen einige Menschen vorgegangen sein. Nun wird intern ermittelt.

Das Verhältnis zwischen Polizei und LGBTIQ-Community war lange schwierig. Bis 1994 war es noch der Job von deutschen Polizisten, Schwule zu verfolgen. Schließlich untersagte Paragraf 175 im Strafgesetzbuch sexuelle Handlungen zwischen Männern. Doch diese Zeiten sind vorbei. Der ehemalige Berliner Polizeipräsident Klaus Kandt drückte es einmal so aus: Die Polizei in Deutschland habe sich vom Verfolger zum Partner der Community entwickelt. In der Hauptstadt wurde viel dafür getan – es gibt je zwei hauptamtliche Ansprechpartner für LGBTIQ-Personen bei der Polizei und bei der Staatsanwaltschaft.

Darum lässt es aufhorchen, wenn nun von "Jagdszenen in der Motzstraße" die Rede ist. Diesen Vorwurf erhebt Niko Härting gegenüber der Polizei. Der Rechtsanwalt war am Samstagabend privat vor Ort. In der Motzstraße, aber auch in der Fuggerstraße, wo sich am Abend nach der Parade zum Christopher Street Day noch viele Menschen aufhielten und feierten, setzte die Polizei die Maskenpflicht durch. Dabei gebe es gar keine Maskenpflicht mehr im Freien, so Härting gegenüber t-online. Nur noch bei Versammlungen oder Veranstaltungen und beides sei am Abend nicht der Fall gewesen. Der Anwalt spricht von einem "Rechtsbruch" seitens der Polizei.

Zeuge berichtet von aggressiver Stimmung

Nun berichten einige Besucher der Motzstraße, es habe am Samstag "keinerlei Abstände, keinerlei Masken, riesiges Gedränge" gegeben. Stundenlang habe es niemanden interessiert, was die Polizei erzählte. "Das war echt ein Superspreader-Event". Ein anderer schreibt in den sozialen Medien, "dass am späten Abend viele Leute bereits total betrunken waren und sich nicht an die Regeln halten wollten. Dann kam es auch zu kleineren Auseinandersetzungen und Wortgefechten. Diese waren aber nicht von der Polizei provoziert."

Insgesamt kam es am Samstag zu 12 Verstößen gegen die Infektionsmaßnahmen, sechs Strafanzeigen wegen Widerstands gegen die Polizei und tätlichen Angriffs sowie zu einem Fall von Gefangenenbefreiung.

Martin Soboll (55) war mit seinem Lebensgefährten und seinem jüngeren Bruder Oliver in der Motzstraße unterwegs. Irgendwann seien die Polizisten auf die Männer zugekommen und hätten sie aufgefordert, die Maske aufzusetzen, weil sie die Hygieneregeln nicht einhielten. Soboll habe einem Polizisten erklärt, dass er und sein Partner geimpft seien, der Bruder genesen. Doch der Beamte sei immer aggressiver geworden. Laut Soboll hatte der jüngere Bruder an dem Abend viel getrunken und weigerte sich, eine Maske zu tragen. Dann sei es handgreiflich geworden.

"Ich kann nicht mehr sehen!"

"Ein Polizist hat ihn geschubst. Oliver rief: 'Fass mich nicht an!' Dann stürzten sich die Polizisten auf ihn, locker 15 bis 20. Er lag sofort auf dem Boden, dann haben sie einen Kreis gebildet und ihn da reingeschleift." Was dann passiert ist, konnte Soboll nicht sehen, aber er sagt: "Da müssen sie ihn zugerichtet haben".

Danach waren Hemd und Hose zerrissen, auch die Brille war weg. Zudem sei sein Bruder noch von den Beamten als "Fettsack" verhöhnt worden. Soboll erinnert sich, wie sein Bruder immer wieder schrie: "Martin, Martin, mein Auge! Ich kann nicht mehr sehen!"

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Der Verletzte sei von der Polizei mitgenommen und mitten in der Nacht am Platz der Luftbrücke entlassen worden. Oliver Soboll kam mit Verdacht auf ein Schädel-Hirn-Trauma ins Krankenhaus. "Die Verletzungen am Auge rühren von einem Polizeistiefel", sagt der ältere Bruder. Beweisen lässt sich das vorerst nicht.

Am Montagabend wurde Oliver entlassen. Er habe immer noch starke Kopfschmerzen, das CT war unauffällig. Das Krankenhaus empfehle aber eine weitere Betreuung durch den Hausarzt. Der Bruder ist schwer traumatisiert, vermutet Soboll.

Polizei untersucht Vorwürfe intern

Bis Montag hätten sich bei Anwalt Härting insgesamt drei Personen gemeldet, die "gravierende Vorfälle" gesehen oder erlebt haben. Ein offizielles Mandat habe er noch nicht, aber er gehe davon aus, dass die Betroffenen ihn bitten, sie zu unterstützen.

Polizeisprecher Thilo Cablitz kann bisher noch nicht viel zu den Vorwürfen sagen. Was die Maskenpflicht im Freien angeht, so sei diese tatsächlich aufgehoben. Aber: "Nach wie vor gilt in der Öffentlichkeit der Mindestabstand von 1,5 Metern, darum waren die Kollegen auch im Einsatz."

Zu den Verletzten werde ermittelt. Was online dazu an Videomaterial veröffentlicht wurde, sei gesichert und an das Kommissariat für Beamtendelikte beim LKA weitergeleitet worden. Dort müsse geklärt werden, ob der Verdacht begründet sei, so Cablitz.

Zudem würden alle Festnahmen auch von den Beamtinnen und Beamten selbst dokumentiert. Es seien immer Kolleginnen und Kollegen mit Kamera vor Ort. Auch dieses Material werde jetzt ausgewertet. Es drohten Konsequenzen für die Kolleginnen und Kollegen, wenn die Vorwürfe belegt werden, "ohne Wenn und Aber".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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