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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Geflüchtete bekochen Obdachlose Finanzierung ausgelaufen – Berliner Verein braucht Hilfe
In vier Monaten hat der Verein Be an Angel 73.000 Essen an Berliner Obdachlose ausgegeben. Obwohl der Bedarf durch Corona weiter groß ist, lief die Förderung des Senats aus. Der Verein braucht dringend Hilfe.
Es begann im Herbst 2015 unter dem Eindruck der "Flüchtlingskrise": Damals nahm Andreas Tölke Geflüchtete bei sich zu Hause auf. Erst waren es fünf. Bis Februar 2016 hatte er über 400 Gäste. Für den ehemaligen Journalisten waren es die ersten Begegnungen mit Geflüchteten. "Ich war erschüttert über die Geschichten, die sie erzählt haben", sagt er.
Am Landesamt für Gesundheit und Soziales (LAGESO) beobachtete er, wie täglich über 1.000 neue Leute ankamen. "Ich habe alle Freunde und Bekannten angerufen und gesagt: Hier kommt jetzt übrigens eine entzückende afghanische Familie vorbei", erinnert sich Tölke. 120 Menschen hat er an einem Nachmittag in private Unterkünfte vermittelt. Niemand, den er angerufen hat, habe abgelehnt.
Hunderte Geflüchtete finden Arbeit
Der 60-Jährige kann sehr überzeugend sein – und netzwerken kann er auch. Er und seine Mitstreiter riefen den Verein Be an Angel ins Leben, um Geflüchtete zu unterstützen. Im Jahr 2016 sammelte man 250.000 Euro Spenden. Viel habe man bewegen können. Die Bilanz: "Deutschlandweit begleiten wir 150 Menschen. Seit 2016 hat der Verein 900 Menschen in Ausbildungen vermittelt, 1.200 in Jobs."
Anfang 2018 wurde das Restaurant "Kreuzberger Himmel" eröffnet, vom Verein als GmbH initiiert: Mit dem Gewinn wird wiederum der Verein finanziert. Menschen aus mindestens sechs Nationen arbeiten dort, ehemals Geflüchtete. Auch international engagiert man sich. So kauft die GmbH aus dem Gewinn Menschen aus syrischen Foltergefängnissen frei oder sorgt dafür, dass einer sechsköpfigen Familie in Gambia ein Wasseranschluss im Haus verlegt wird.
Dass das Asylrecht erodiert, wie Tölke sagt, macht es den Menschen nicht leichter und sorgt dafür, dass sein Verein gut zu tun hat. Was oft genug von Behörden erschwert wird. "Eine Berliner Verwaltungsdirektorin hat mir gegenüber mal den Satz rausgehauen: 'Ach, Sie sind der, der immer so viel Arbeit macht.' Das ist das Verständnis der Verwaltung gegenüber freiwilligen Hilfsorganisationen!"
Geflüchtete kochen für Obdachlose
Seit Beginn der Corona-Pandemie im März 2020 werden im "Kreuzberger Himmel" Obdachlose bekocht. Im Dezember übernahm der Senat die Finanzierung im Rahmen der Kältehilfe. 73.000 Essen wurden ausgegeben. Doch im März lief die Hilfe aus. Dabei wären 80 Prozent der insgesamt 22 Organisationen, die vom "Kreuzberger Himmel" mit Essen beliefert werden – darunter Caritas, Johanniter, Stadtmission – auch weiterhin davon abhängig. Der wöchentliche Bedarf liegt bei mindestens 7.300 Mahlzeiten.
Immerhin hat man die ganze Zeit sparsam gearbeitet, auch dank Lebensmittelspenden von SirPlus. "So konnten wir aus den knapp kalkulierten Projektmitteln mehr machen und bis Anfang April weiterarbeiten", sagt Tölke. "Aber jetzt sind wir am Arsch."
Crowdnext-Kampagne soll Projekt retten
Denn als das Projekt festgeschrieben wurde, rechnete man nicht mit der dritten Corona-Welle. Nun sind diejenigen am härtesten getroffen, die davon abhängig sind, dass es ein soziales Leben in Berlin gibt. "Dass jemand eine Pfandflasche irgendwo stehen lässt oder die U-Bahnen voll sind und man betteln kann, das ist gerade nicht der Fall", sagt Tölke.
Der Verein hat eine Crowdnext-Kampagne gestartet, um das Essen für Bedürftige weiter finanzieren zu können und den "Kreuzberger Himmel" zu retten. Erst mal machen sie weiter, den großen Bedarf an Mahlzeiten können sie aber nicht mehr decken. "Wir gehen sehr sorgfältig mit Steuermitteln um, aber ohne Förderung kriegt man nicht mehr finanziert", sagt Tölke. "Sonst würden wir mit der GmbH in die Insolvenz gehen."
- Eigene Recherche
- Crowd-next-Spendenkampagne