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Zum journalistischen Leitbild von t-online."Meine Seele war befreit" Wie der Sturz Assads Syrer in Berlin bewegt
In Berlin feierten Tausende Syrer den Sturz des bisherigen Machthabers Baschar al-Assad. Neben Freude herrscht auch Unsicherheit – zwei Stimmen aus der Hauptstadt.
An mehreren Orten in Berlin herrschte in der ersten Dezemberwoche Ausnahmezustand. Allein am Oranienplatz in Kreuzberg feierten bei einer Kundgebung mehr als 3.500 Teilnehmer den Sturz des bisherigen syrischen Machthabers Baschar al-Assad.
Auch Ibrahim Alsayed war mit seiner Familie und Freunden dabei: "Das war einfach unglaublich, das hat man nach 14 Jahren nicht mehr geglaubt", erzählt der 47-Jährige. Er ist in Aleppo aufgewachsen und kam bereits im Jahr 2005 nach Berlin.
Nach dem Sturz von Assad dachte er vor allem eins: "Endlich! Wir waren sehr happy", sagt Alsayed, der an der Humboldt-Universität in Biostatistik promoviert hat. Innerhalb kurzer Zeit habe sich alles geändert. "In der Nacht auf Montag habe ich kaum schlafen können", sagt er weiter. Er selbst war seit 15 Jahren nicht mehr in seiner Heimatstadt Aleppo. Damals war er dort als Wissenschaftler tätig. Heute arbeitet er unter anderem als Mitgründer des Vereins Salam e. V. eng mit syrischen Geflüchteten zusammen. Dort bieten sie Hilfe in Alltagsfragen und beim Ankommen in Deutschland an.
"Es ist nicht einfach, über Nacht wieder nach Syrien zurückzukehren"
Gerade für Syrer, die schon lange in Berlin leben und integriert sind, ist die Entscheidung über eine Rückkehr schwer. "Viele haben hier Jobs, Familie, Schule. Es ist nicht einfach, über Nacht wieder nach Syrien zurückzukehren", sagt Alsayed. Einige haben mittlerweile auch einen deutschen Pass. Zudem bleibt die Unsicherheit, wie es in Syrien weitergeht. "Die friedlichen Gespräche dort geben uns aber Hoffnung, dass es nicht in die falsche Richtung läuft", sagt Alsayed weiter.
"Meine Seele war befreit"
Auch Rami Zaki (33) blickt hoffnungsvoll in die Zukunft. Im Jahr 2015 flüchtete er nach Deutschland, seit 2017 lebt und arbeitet er in Berlin. An ein Syrien ohne Assad habe er bis zu dem Tag des Sturzes nicht mehr geglaubt. Seine Frau verfolgte in den Tagen der Offensive das Geschehen. Am Sonntagmorgen (8. Dezember) wachte er auf und blickte in das tränenüberströmte Gesicht seiner Frau. Sie berichtete ihm, die Rebellen seien in Damaskus angekommen und Assad sei geflohen. Auf seine Überraschung folgte Freude: "Meine Seele war befreit", sagt der 33-Jährige.
Sowohl sein Bruder als auch seine Mutter sind in den vergangenen Jahren nach Berlin geflüchtet, unter anderem mithilfe des Berliner Vereins Flüchtlingspaten Syrien e. V. Zaki und seine Familie gehören der Religionsgemeinschaft der Drusen an, eine Minderheit in Syrien. In seinem Heimatland wollte er eigentlich als Journalist arbeiten, aber nicht für das Assad-Regime. Nun ist er in Deutschland eingebürgert und hat sich selbstständig gemacht. Dennoch konnte er seinem Wunschberuf nicht nachgehen. "Assad hat meinen Traum zerstört. Und den vieler anderer", so Zaki weiter.
An eine Rückkehr habe auch er gedacht. Doch zu präsent seien die Unsicherheit und die Angst, was noch passiert. "Es ist alles offen", sagt Zaki. Er wolle aber sein Land mit aufbauen und unterstützen. Dennoch hätten viele Syrer in Berlin Berufe gelernt und sich integriert. Seine Entscheidung hänge vor allem davon ab, wie sich das Land in der nächsten Zeit entwickelt. Er ist sich aber sicher: Schlimmer als die Zeit unter Assad werde es nicht sein. Einige hätten Angst, im Moment überwiege bei ihm und den meisten anderen aber die Freude: "Wir haben wieder eine Heimat", sagt er.
- Telefonat mit Ibrahim Alsayed am 10. Dezember 2024
- Telefonat mit Rami Zaki am 17. Dezember 2024