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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Berlin wählt schon wieder 868 Tage nach der "Katastrophenwahl"
Fast zweieinhalb Jahre nach der Bundestagswahl muss ein Teil der Hauptstadt nochmal an die Wahlurne. Die Berliner nehmen das betont gelassen.
Falsche Wahlzettel, stundenlanges Anstehen und dann auch noch kein Durchkommen wegen des Marathons. Die Berliner Chaos-Wahl von 2021 hat der Hauptstadt bundesweit viel Häme eingebracht. Ganze 868 Tage später wird dieses Kapitel endlich abgeschlossen. Etwa 550.000 Berlinerinnen und Berliner dürfen nochmal wählen, weil die Wahl von 2021 in ihren Wahlbezirken für ungültig erklärt wurden.
Vor einem Wahllokal in Friedrichshain stehen zwei Wahlhelfer und rauchen. "Es läuft wie geschmiert", sagt einer von ihnen. Sie waren auch bei der "Katastrophenwahl" 2021 im Einsatz, wie sie selber sagen. Die vielen gleichzeitig abgehaltenen Wahlen und die Einschränkungen durch die Corona-Pandemie hätten damals zum Chaos beigetragen. Aber auch die Vorbereitung der Wahlhelfer sei nicht ausreichend gewesen. "Diesmal wurden wir viel detaillierter eingewiesen."
"Unsere Nachbarn dürfen nochmal, wir nicht"
Eine Frau kommt aus dem Wahllokal. "Beim letzten Mal bin ich zweimal wieder gegangen, weil die Schlange so lang war." Gegen 17 Uhr hätte es dann aber doch geklappt. "Heute war aber alles perfekt, mega." Dass sie nochmal wählen muss, findet sie nicht so schlimm. "Für meinen Sohn ist es sogar gut. Der ist inzwischen 18 geworden und darf jetzt auch", sagt sie und lacht. Sie habe diesmal eine andere Partei gewählt als beim letzten Mal.
- "Kann bei der besten Organisation passieren": Auch dieses Mal wieder Wahl-Pannen
In insgesamt 455 Stimmbezirken wird die Wahl wiederholt. Diese umfassen teilweise nur wenige Häuserblocks, was bei einigen Berlinern für Verwirrung sorgt. Ein Mann und eine Frau laufen am Wahllokal vorbei und studieren die Adressen der Wahlberechtigten, die auf einem Zettel aufgelistet sind. "Unsere Nachbarn dürfen nochmal, wir nicht", sagt er. "Dabei war bei uns auch komplettes Chaos damals", sagt sie.
Auch in der Schule am Fennpfuhl in Lichtenberg müssen die Bürger wieder ihre oberste Bürgerpflicht erfüllen. Zwei Wahlhelferinnen sitzen im Nieselregen auf Klappstühlen, um den Ankommenden den Weg ins Wahllokal zu weisen. Auch hier läuft alles reibungslos, nur gemütlich sieht anders aus.
Wahlbeteiligung bis Mittag geringer als 2021
Die Eindrücke von 2021 gehen hier auseinander. Beate Breisig erzählt, dass sie damals schon keine großen Probleme gehabt hätte. "Mich hat es gewundert, dass ich nochmal darf, weil ja eigentlich alles okay war." Elias Näther berichtet anderes. Er habe lange anstehen müssen, es sei außerdem unübersichtlich und "komisch organisiert gewesen". "Sie haben daraus gelernt. Aber es ist auch leider nicht viel los", sagt Näther. Die Landeswahlleitung meldete, dass bis 12 Uhr 25,4 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme abgegeben hätten, 2 Prozentpunkte weniger als 2021.
Besonders viele der Wahlbezirke, die nochmal wählen müssen, liegen in Pankow. Katrin Arndt und Elimar Brandt kommen gerade aus der Thomas-Mann-Grundschule nahe der Schönhauser Allee, wo sie ihre Stimme abgegeben haben. Auch bei ihnen hat alles geklappt. "Ich finde es aus demokratischer Sicht gut, dass diese Wahl wiederholt wird. Weil unter den Umständen damals nicht gerecht war", sagt Arndt. Wieder wählen zu gehen, sei für sie beide selbstverständlich, auch wenn das Ergebnis wohl keine großen Auswirkungen auf die Zusammensetzung des Bundestags haben werde.
Der Spott, den Berlin für die Chaos-Wahl einstecken musste, nehmen sie gelassen. Brandt sagt, dass man als Berliner ja einiges gewohnt sei. "Das muss man locker nehmen. Es ist doch gut, dass das korrigiert wird. Die Demokratie siegt."
- Reporter vor Ort