Klimafolgenforschung Wissenschaftler: Klimaneutrales Berlin bis 2030 nicht machbar
Ein klimaneutrales Berlin bis 2030? Nicht realistisch, sagt ein Forscher. Warum er dennoch dafür ist, beim Volksentscheid mit "Ja" zu stimmen.
Der Wissenschaftler am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Fritz Reusswig, hält ein klimaneutrales Berlin bis zum Jahr 2030 nicht für machbar. Dennoch befürwortet er den Volksentscheid dazu und hält ihn für politisch sinnvoll. Ein möglicher neuer schwarz-roter Senat in Berlin werde andernfalls eher eine "Bremser-Koalition" in Sachen Klimapolitik, sagte Reusswig der Deutschen Presse-Agentur. Die Berlinerinnen und Berliner stimmen am Sonntag darüber ab, ob die Hauptstadt schon bis 2030 und nicht wie bislang vorgesehen erst bis 2045 klimaneutral werden soll.
"Klimaneutralität – bis wann geht das eigentlich? Meine These ist, dass wir es bis 2030 nicht schaffen. Ich glaube, dass 2045 realistisch ist." Bis zum Jahr 2030 sei vielleicht eine Verringerung der Emissionen um 65 bis 75 Prozent möglich.
Berlin: Keine klimaneutrale Stromversorgung bis 2030 machbar
Bei der notwendigen Sanierung der Gebäude sei die Frage der Kosten-Verteilung und der Belastung auch für Mieter völlig ungeklärt, sagte Reusswig, der an Untersuchungen zur Klimaneutralität Berlins mitgearbeitet hat. Das Land Berlin könne etwa nicht einspringen, um eine Warmmieten-Steigerung als Folge der Gebäude-Sanierungen abzufangen. Nach Angaben eines Sprechers des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen sind mehr als 90 Milliarden Euro notwendig, um bis 2045 alle Gebäude energetisch zu sanieren und klimaneutral zu gestalten.
Zudem werde es bis 2030 noch Stromimporte geben und auch für Berlin keine klimaneutrale Stromversorgung machbar sein, sagte der Soziologe. Unrealistisch sei auch eine raschere Umsetzung des geplanten Verbots von Neuwagen mit Verbrennungsmotor in Berlin. Bislang wurde in der EU angepeilt, dass ab 2035 nur noch emissionsfreie Neuwagen zugelassen werden dürfen.
Wissenschaftler: "Ich bin trotzdem für den Volksentscheid"
"Ich bin trotzdem für den Volksentscheid, weil es politisch sinnvoll ist", meinte Reusswig. Er könne den Effekt haben, dass sich die Politik mehr Gedanken mache und sozialverträgliche Lösungen zur Umsetzung von Klimaschutzzielen schaffen könne. Bislang fehlten diese im Antrag der Initiative "Volksentscheid Berlin" komplett.
Reusswig rechnet im Falle einer neuen Regierung aus CDU und SPD in Berlin mit nur langsamen Fortschritten beim Klimaschutz. "Dieser schwarz-rote Senat wird dem Klimathema nicht so eine supergroße Aufmerksamkeit widmen." Er sehe nicht, dass der CDU-Politiker Wegner, der Regierender Bürgermeister werden will, es so vorantreiben werde wie etwa eine grüne Partei. Es werde sogar schwierig, bis 2045 die Klimaneutralität zu schaffen, meinte der Wissenschaftler.
- Nachrichtenagentur dpa