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Richter vs. "Letzte Generation": "Mensch wird sowieso aussterben"


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"Letzte Generation"-Sprecherin vor Gericht
Richter kontert Klimaaktivistin: "Der Mensch wird sowieso aussterben"


Aktualisiert am 17.02.2023Lesedauer: 3 Min.
Carla Hinrichs, Sprecherin der Klimagruppe "Letzte Generation", sitzt in einem Gerichtssaal im Amtsgericht Tiergarten.Vergrößern des Bildes
Carla Hinrichs, Sprecherin der Klimagruppe "Letzte Generation", sitzt in einem Gerichtssaal im Amtsgericht Tiergarten. (Quelle: Annette Riedl/dpa)
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Unter Tränen verteidigt sich Klimaaktivistin Carla Hinrichs vor Gericht. In dem Prozess könnte es noch zu einer Überraschung kommen.

Am Donnerstag wurde es emotional im Amtsgericht Berlin-Tiergarten – und politisch. Dort stand die Klimaaktivistin Carla Hinrichs vor Gericht. Die 26-Jährige ist Sprecherin der "Letzten Generation": Sie tritt in Talkshows auf, auf Social Media – und nun auch vor Gericht.

Vorgeworfen wird ihr Nötigung. Hinrichs hatte sich am 10. Februar 2022 an einer Straßenblockade auf dem Spandauer Damm in Berlin beteiligt, wurde von Polizisten von der Fahrbahn getragen.

Bei der Verhandlung wird schnell klar: Hier geht es um mehr, es geht um Grundsätzliches. Gleich zu Beginn gibt Hinrichs ihren Einsatz bei der Blockadeaktion zu. Dennoch fordern sie und ihr Verteidiger Gerd Winter, ein Professor der Studentin einen Freispruch. "Ich bin der Meinung, keine Straftat begangen zu haben", so Hinrichs.

Aktivistin im Berliner Amtsgericht: "Ich bin unmittelbar bedroht"

Zwar wurden die Autofahrer an der Weiterfahrt gehindert, also genötigt, stehenzubleiben und die Auflösung der Blockade abzuwarten. Doch sieht Hinrichs, die ihr Studium für den Einsatz im Klimawiderstand unterbrochen hat, das Recht auf ihrer Seite. Der Richter müsse die Hintergründe der Aktion mitbewerten, so die Aktivistin. "Durch die Klimakrise bin ich unmittelbar bedroht", so Hinrichs. Dies müsse der Richter in sein Urteil mit einfließen lassen, schließlich habe die Aktion der Gefahrenabwehr gedient.

Bei dieser Strategie scheinen sich Hinrichs und Winter jedoch zunächst verrechnet zu haben. Zwar scheint der Richter Christoph Weyreuther bei einem Punkt mit der Aktivistin einer Meinung zu sein: die Bedrohung durch den Klimawandel. "Das ist eine Überzeugung, die ich durchaus teile", so Weyreuther während der Verhandlung. Doch bei der Wahl der Mittel scheint sich kein Konsens zu finden. Hinrichs hält die Blockadeaktionen für den einzig gangbaren Weg, eine Änderung der öffentlichen Meinung und Politik zu erwirken. Genau diesen Weg hält Weyreuther für grundfalsch. Aus dieser Überzeugung macht er auch im Prozess keinen Hehl. "Es geht nicht um ihr Ziel, sondern die Art und Weise."

Richter: "Jetzt mal überspitzt gesagt ..."

Immer wieder geraten die Aktivistin und der Richter verbal aneinander, schmeißen sich Aussagen und Argumente um die Ohren. Der Richter stellt provokante Fragen, die er mit einem vorangestellten "Jetzt mal überspitzt gesagt ..." abzuschwächen versucht. Ein Beispiel: "Jetzt mal überspitzt gesagt, wenn Ihren Forderungen in Deutschland nachgekommen wird, ist dann die globale Krise abgesagt?"

Als Hinrichs sagt, mit ihren Aktionen alles Leben auf der Erde schützen zu wollen, wird Richter Weyreuther schnippisch. "Kakerlaken auch? Und die Dinos sind schließlich auch ausgestorben. Der Mensch wird sowieso aussterben, davon bin ich fest überzeugt. Das lässt sich nicht verhindern, dafür ist er zu dumm." Während die Zuschauer und Prozessbeteiligten diese Aussage noch sacken lassen, hat Hinrichs Tränen in den Augen. Von Schluchzern unterbrochen versucht sie, dem Richter das menschliche Leid hinter dieser Aussage zu verdeutlichen. "Wir werden uns um den letzten Tropfen Wasser kloppen."

"Er hat nicht verstanden, wie dramatisch die Krise ist"

Direkt nach dem Prozess wird die Aktivistin noch einmal mit t-online über diesen Moment sprechen. "Es ist schockierend, dass Menschen gewillt sind, sehenden Auges über die Klippe zu gehen. Er hat nicht verstanden, wie dramatisch die Krise ist. Da bin ich emotional geworden. Ich war einfach fassungslos. Er will mich bestrafen, weil ich noch Hoffnung habe."

Zu einer Klärung konnte es am Prozesstag indes nicht kommen. Als Hinrichs Verteidiger ankündigte, ein 30-minütiges Schlussplädoyer halten zu wollen, vertagte der Richter die Verhandlung. Ob sich Hinrichs und Richter Weyreuther dann wieder gegenüberstehen werden, ist jedoch fraglich.

Ganz am Ende der Verhandlung kündigte Verteidiger Winter an, dass er einen Richtertausch beantragen will. Zu befangen und mit zu vorgefestigter Meinung wirkte Weyreuther auf den Verteidiger. Es bleibt also spannend – und noch vieles offen.

Verwendete Quellen
  • Reporter vor Ort
  • Interview mit Carla Hinrichs
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