Prozessbeginn in Berlin AfD-Politiker beißt Journalistin: "Schrecklich, ihn heute zu sehen"
Ein AfD-Politiker sitzt auf der Anklagebank. Die Berliner Staatsanwaltschaft legt ihm einen rassistischen Angriff zur Last. Der Politiker spricht von einer "bizarren Geschichte".
Es geht um Rassismus an einem warmen Sommerabend mitten in der Hauptstadt. Ein AfD-Politiker soll zwei junge Frauen in Berlin rassistisch beleidigt und attackiert haben. Fast eineinhalb Jahre später treffen der Kommunalpolitiker Kai Borrmann und die in der Deutschrap-Szene bekannte Moderatorin Steph Karl im Gerichtssaal erneut aufeinander.
Die 30-Jährige ist Zeugin und Nebenklägerin in dem Prozess gegen den 56-Jährigen wegen Beleidigung und Körperverletzung. "Ich konnte es nicht glauben, was er gemacht hat – nur weil ich anders rede, anders aussehe", schilderte sie am Mittwoch vor dem Amtsgericht Berlin-Tiergarten.
"Er hat es richtig genossen, dieses Wort zu sagen"
Teils weinend berichtete die Moderatorin von jenem 15. August 2021, als sie mit einer Freundin ein Gartenlokal in Berlin-Mitte aufgesucht hatte. Am Nebentisch saßen Borrmann und seine Partnerin. Laut Anklage soll der Abgeordnete der Bezirksverordnetenversammlung Mitte die beiden jungen Frauen zunächst verbal attackiert haben. Dabei soll er mehrfach das N-Wort gebraucht haben. Mit N-Wort wird heute eine früher gebräuchliche rassistische Bezeichnung für Schwarze umschrieben.
"Er hat es richtig genossen, dieses Wort zu sagen", sagte die Musikjournalistin. "Ich war so wütend und weinte." Sie und ihre Freundin hätten das Lokal verlassen. Doch der Angeklagte sei ihnen gefolgt und ihr zu nahe gekommen. Darum habe sie zum Schutz die Arme gehoben. "Er ohrfeigte mich", schilderte Karl. Als sie sich wehren wollte, habe Borrmann sie in den "Schwitzkasten" genommen. Sie seien zu Boden gefallen, ihre Freundin habe versucht zu helfen. "Er hat mich dann in den Arm gebissen."
Der Zahnabdruck sei ein Jahr lang zu sehen gewesen, schilderte die 30-Jährige. Sie berichtete von Schlafstörungen, Angst und Panik. In ihrem Wohnumfeld fühle sie sich nicht mehr wohl, weil dort auch der Angeklagte anzutreffen sei. "Es war schrecklich ihn heute zu sehen", sagte Karl nach ihrer Vernehmung.
Borrmann räumte vor Gericht ein, das N-Wort benutzt zu haben. Er stritt jedoch ab, dies als Beleidigung gemeint zu haben. Er habe eine Diskussion über den Begriff in Gang setzen wollen, erklärte er. Es sei zu einer Auseinandersetzung gekommen, diese sei eskaliert. Die Frauen hätten ihn angegriffen. Er sei zu Boden gegangen. "Ich lag unter den beiden drunter", so Borrmann. Er habe sich mit dem Biss zur Wehr setzen wollen. Er sei selbst verletzt worden, habe aber auf eine Anzeige verzichtet. Die ganze Geschichte sei "bizarr", so sein Kommentar.
Laute Unterhaltung soll Borrmann gestört haben
Ausgangspunkt des Vorfalls war nach Schilderung des AfD-Politikers, dass er sich durch eine laute Unterhaltung der Frauen gestört gefühlt habe. "Ich störte mich sehr daran, wie die beiden sich unterhielten. Das war ordinär", sagte der 56-Jährige. Er habe sich kaum noch mit seiner Freundin unterhalten können.
Das Amtsgericht hat zunächst zehn Zeugen geladen. Der Prozess soll am 6. Februar fortgesetzt werden. Nachdem sie als Zeugin gehört worden ist, will Moderatorin Karl dann als Nebenklägerin das Verfahren weiter verfolgen. "Ich möchte diesen Mann eigentlich nicht mehr sehen, werde das aber durchstehen", sagte sie.
- Nachrichtenagentur dpa