Stararchitekt ist tot Eines seiner wichtigsten Projekte wurde zum Milliarden-Debakel
Das wohl umstrittenste Großprojekt der Hauptstadt geht auf sein Konto. Nun ist Stararchitekt von Gerkan verstorben. Er prägte Berlin wie kaum ein Zweiter.
Wohl kein Mann hat das Gesicht der Hauptstadt so verändert wie Meinhard von Gerkan. Der Architekt zeichnete verantwortlich für einige der größten – und auch umstrittensten – Bauprojekte Berlins. In Personalunion war der Stararchitekt Planer der Flughäfen Tegel und BER, des Berliner Hauptbahnhofs und des Umbaus des Berliner Olympiastadions.
An diesem Mittwoch ist Meinhard von Gerkan nun mit 87 Jahren im Kreis seiner Familie in Hamburg verstorben. Dies teilte sein Büro gmp am Donnerstag mit.
Nach seinem Architekturstudium in Berlin wurde Gerkan bereits mit Anfang 30 weit über die Grenzen der Hauptstadt hinaus bekannt. Sein erstes Großprojekt war der Flughafen Tegel, der als "Flughafen der kurzen Wege" noch immer Kultstatus genießt. Auch der viele Jahre später wesentlich umstrittenere Hauptstadtflughafen BER entstammt Gerkans Planung. Der BER wurde zur wohl größten Pleite der Städtebauer der Hauptstadt: Immer wieder musste die Eröffnung wegen zahlreicher Pannen verschoben werden.
Der Architekt selbst bezeichnete den Flughafen im Interview mit der "FAZ" als "ein hartes Stück Arbeit und kein Ruhmesblatt für Deutschland". Während er vom Flughafen Tegel in den höchsten Tönen schwärmte, sei der BER im Südosten der Stadt hingegen "für einige ein ungewolltes Kind." Der Flughafen habe in der Bauphase "eine schwere Geburt" erlebt und müsse jetzt "erwachsen werden, sich die Anerkennung verdienen" und zeigen, dass er "gar nicht so schlecht" sei. Sein ernüchtertes Fazit in einem Interview Ende 2020: "Die Berliner und Brandenburger werden den neuen Flughafen vielleicht nicht lieben, aber akzeptieren."
Berlin: Aus seiner Feder stammten die Flughäfen Tegel und BER
Gerkan selbst wurde nach der gescheiterten Eröffnung des BER fristlos gekündigt. Eine Entscheidung, die ihn schwer getroffen hatte, wie er in seinem Buch "Blackbox BER" durchblicken ließ. Auch der 1996 gestartete Bau des Berliner Hauptbahnhofs, dessen Entwurf ebenfalls aus Gerkans Feder stammte, sorgte für Schlagzeilen – es kam sogar zu einem Gerichtsverfahren.
Abweichend von Gerkans Bauplanung hatte der damalige Bahnchef Hartmut Mehdorn eigenmächtig die Gleisüberdachung verkürzt und die im Untergeschoss geplante, filigrane Gewölbedecke gestrichen. Der Bahnhof sollte damals rechtzeitig zur WM 2006 fertig werden.
Für Gerkan eine "mutwillige, nicht abgestimmte Verschandelung" des 180.000 Quadratmeter großen Baus. Auf der großen Eröffnungsfeier tauchte der Stararchitekt gar nicht erst auf, später trafen sich Gerkan und Mehdorn vor Gericht. In erster Instanz gewann Gerkan, in zweiter einigten sich beide auf einen Vergleich – ein aufsehenerregender Präzedenzfall des Urheberrechts für Architekten.
Meinhard von Gerkan war bekannt für sein temperamentvolles Wesen und seinen Hang zum Perfektionismus. Er sei "Architekt aus Leidenschaft" geworden und seitdem geblieben, schrieb er in "Blackbox BER". Fachleuten zufolge sind der Architekt und sein Architekturbüro bekannt dafür, sich von den zu engen Konventionen moderner Architektur zu befreien – und zugleich die eigenen Entwürfe, basierend auf den bevorzugten Materialien Stahl und Glas, stärker in Bezug zum historischen Umfeld gebracht zu haben.
Temperamentvoll und Hang zum Perfektionismus
Abseits der Hauptstadt errichtete Gerkan mit seinem Architekturbüro gmp (Gerkan, Marg und Partner) Bauwerke in aller Welt: unter anderem das Nationalmuseum in Peking, Fußballstadien in Südafrika und Brasilien sowie eine Millionenstadt nahe Shanghai. Mittlerweile arbeiten weltweit mehr als 400 Beschäftigte für das Büro, das Hunderte erste Preise in Wettbewerbsverfahren gewonnen und mehr als 370 Bauten fertiggestellt hat.
Sein langjähriger Partner Marg würdigte seinen Mitstreiter am Donnerstag auch für seinen offenen Blick in die Zukunft: "Ich bin stolz darauf, was Meinhard und ich gemeinsam mit unseren Partnern und Mitarbeitenden in mehr als einem halben Jahrhundert geschaffen haben. Meinhards unternehmerischer Mut und weitsichtiger Blick nach vorn stellten die Weichen für die Zukunft unseres Büros."
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
- "Spiegel": "Unsere Wurst soll länger werden"
- Website des Architekturbüros "gmp"
- "FAZ": "Das war kein Ruhmesblatt für Deutschland" (Bezahlschranke)
- Eintrag des Berliner Hauptbahnhofs bei german-architects.com