Corona-Pandemie Wer ist wann dran? Debatte über Booster-Impfung
Berlin (dpa) - In der Debatte über sogenannte Booster-Impfungen hat die geschäftsführende Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) "eine nationale Kraftanstrengung" gefordert.
Wissenschaftliche Erkenntnisse und Erfahrungen aus Israel zeigten, dass man mit "Booster"-Impfungen die Welle brechen könne, sagte sie am Mittwoch.
Unklar bleibt für die meisten Menschen momentan, wer sich wann eine solche Impfung abholen kann. Das Land Berlin forderte vom geschäftsführenden Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) klare rechtliche Regeln, um allen Menschen ab 18 Jahren eine Auffrischungsimpfung gegen Corona zu ermöglichen.
Bisher empfiehlt die Ständige Impfkommission (Stiko) Auffrischungsimpfungen überwiegend für Menschen ab 70, für Menschen mit Immunschwäche, Bewohner von Pflegeeinrichtungen sowie Personal in medizinischen Einrichtungen und Pflegepersonal. Die Politik und etliche andere Fachleute dringen angesichts stark gestiegener Infektionszahlen indes auf Booster-Impfungen für alle ab 18.
Wie den Ansturm bewältigen?
Der Stiko-Vorsitzende Thomas Mertens stellte am Dienstagabend in der ZDF-Sendung "Markus Lanz" eine entsprechende baldige Ausweitung der Empfehlung in Aussicht. Diskutiert wird darüber hinaus aber auch, ab wann eine Auffrischungsimpfung sinnvoll ist und wie ein Ansturm Impfwilliger am besten bewältigt werden kann.
Spahn und der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sprachen sich in einem Brief an alle Vertragsärzte in Deutschland, dafür aus, die Auffrischungsimpfung zu ermöglichen, auch wenn die letzte Impfung, wie bisher empfohlen, noch nicht sechs Monate her ist. Es handele sich dabei um eine "zeitliche Richtschnur".
Die Ärzte werden in dem Schreiben gebeten, "zur Vereinfachung der Abläufe", flexibel vorzugehen. "Sie können daher jede Patientin und jeden Patienten ab 18 Jahren (...) zeitnah und auch vor Ablauf der sechs Monate im eigenen Ermessen impfen." Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums erläuterte, Ziel des Schreibens sei es, dass Patientinnen und Patienten, die etwas früher zum Impfarzt gehen, nicht - wie zuletzt zu häufig geschehen - abgewiesen würden.
Bundeseinheitliche Verankerung gefordert
Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) twitterte am Mittwoch in Reaktion auf den Brief: "Ein loses Schreiben ist KEINE einheitliche klare Regelung!" Spahn müsse bundeseinheitlich in der Impfverordnung eine Boosterimpfung nach fünf Monaten verankern. Auch Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) forderte eine bundesweit einheitliche Regelung bei dem Thema.
In den Ländern werden derweil schon eigene Regelungen getroffen: So können sich in Berlin Menschen künftig schon fünf statt wie bisher sechs Monate nach ihrer letzten Corona-Impfung erneut impfen lassen. Dazu sei eine Landesregelung für die sogenannte Booster-Impfung getroffen worden, hieß es am Mittwoch aus der Gesundheitsverwaltung, nachdem der "Tagesspiegel" darüber berichtet hatte.
Auch Bayern meldete, dass Auffrischungsimpfungen im Freistaat fünf Monate nach dem Abschluss der ersten Impfserie erfolgen sollen. Das Gesundheitsministerium in München hatte die Impfzentren in Bayern bereits am Montagabend schriftlich aufgefordert, allen Interessierten schon nach fünf Monaten eine Booster-Impfung zu verabreichen. Das Ministerium betonte in dem Schreiben, Zurückweisungen sollten "möglichst nicht erfolgen".
Priorisierung nötig
SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach forderte die Stiko zu einer Priorisierung auf: "Wenn wir ohne Einschränkungen den Booster für alle öffnen, legen wir die Priorisierung in die Hände der Praxen. Bei 30.000 Arztpraxen bedeutet das 30 000 unterschiedliche Priorisierungen", sagte Lauterbach dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Die Stiko sollte klar festlegen, welche Gruppe als nächstes dran ist." Er sprach sich dafür aus, die über 70- und 60-Jährigen zu priorisieren, dann auch die über 50-Jährigen.
Verschiedene Mediziner sprachen sich am Mittwoch bei einem Expertenbriefing des Science Media Centers Germany zur Lage auf den Intensivstationen, für konsequente Booster-Impfungen aus. "Gerade bei älteren, bei immun geschwächten Patienten ist diese Auffrischimpfung lebensrettend", sagte Stefan Kluge, Direktor der Klinik für Intensivmedizin an der Uniklinik Hamburg-Eppendorf.
Nach Ansicht eines Berliner Corona-Modellierers könnten solche Impfungen auf breiter Front den Trend der stark steigenden Corona-Zahlen umkehren. "Wir sehen in den Simulationen deutlich infektionsreduzierende Effekte, sobald circa 30 Prozent der Bevölkerung den Booster erhalten haben", sagte Kai Nagel von der Technischen Universität Berlin den Zeitungen der Funke Mediengruppe.
Wenn wir diese 30 Prozent deutlich vor Weihnachten schaffen, dann bestehen Aussichten auf sinkende Inzidenzen zu Weihnachten." Bislang haben in Deutschland rund fünf Prozent der Menschen eine Auffrischungsimpfung erhalten.