Klimaschutz UN-Weltwetterorganisation: Rekordwert bei Treibhausgas
Genf (dpa) - Das Wirtschaftsleben stand im ersten Corona-Jahr zwar vielerorts wochenlang still, aber den Trend immer dramatischerer Klimaveränderungen hat das nicht aufgehalten.
Die Konzentration des wichtigsten Treibhausgases in der Atmosphäre, Kohlendioxid (CO2), erreichte 2020 einen Rekordwert, wie die Weltwetterorganisation (WMO) am Montag in Genf berichtete. Und nicht nur das: Der Anstieg war demnach stärker als im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2020.
Gefährliche Entwicklung in Amazonas-Region
Als gefährlich bezeichnete WMO-Chef Petteri Taalas die Entwicklung in der Amazonas-Region. Der Regenwald im nördlichen Südamerika ist eine der größten CO2-Senken der Welt - aber das ändert sich. Eine CO2-Senke nimmt klimaschädliche CO2-Emissionen auf. Im Juli berichteten Forscherinnen und Forscher in der Fachzeitschrift "Nature", dass Teile des Amazonas-Gebiets inzwischen mehr CO2 ausstoßen als aufnehmen. Das ging aus Messungen der CO2-Konzentration per Flugzeug in verschiedenen Regionen und Höhen über dem Amazonas-Gebiet und über mehrere Jahre hervor.
Problematisch sei die Lage vor allem im Südwesten des Regenwaldes, in Brasilien, sagte die Chefin der WMO-Abteilung für Atmosphären- und Umweltforschung, Oksana Tarasova. Ursache seien vor allem die Waldrodungen, aber auch Brände. "Insgesamt ist der Amazonas-Regenwald noch eine Senke, aber seine Kapazität (zur Aufnahme von CO2) ist deutlich reduziert", sagte sie.
Neuer Höchstwert des Treibhausgases bei 413,2 ppm
"Die Verlangsamung der Wirtschaftsaktivitäten durch Covid-19 hatte keine erkennbaren Auswirkungen auf die Treibhausgas-Konzentration in der Atmosphäre oder auf deren Wachstumsraten", hieß es in der Mitteilung der WMO zu ihrem jährlichen Treibhausgas-Bulletin. Lediglich die neuen CO2-Emissionen seien vorübergehend zurückgegangen, um 5,6 Prozent im Coronajahr 2020. "Solange es Emissionen gibt, steigt die globale Temperatur weiter an." Das produzierte CO2 kann Jahrhunderte in der Atmosphäre bleiben. Es entsteht etwa durch die Verbrennung von Kohle, Öl und Gas, die Zementproduktion und andere Industrieprozesse sowie im Zuge von Waldzerstörung.
Der neue Höchstwert des Treibhausgases lag bei 413,2 ppm (Teilchen pro Million Teilchen). Das entspricht 149 Prozent des vorindustriellen Niveaus. Im Jahr davor waren es 410,7 ppm. Diesen Wert passte die WMO nach neuen Analysen von ursprünglich 410,5 ppm an. Die WMO datiert den Beginn der Industrialisierung für diese Berechnungen auf 1750. Die Marke von 400 ppm war erst 2015 durchbrochen worden. CO2 ist nach Angaben der WMO für etwa 66 Prozent des Erwärmungseffekts verantwortlich. Alle Treibhausgase zusammen haben schon zu einer durchschnittlichen weltweiten Erwärmung von 1,1 Grad geführt, in Deutschland beträgt sie 1,6 Grad.
Die WMO hat auch schon CO2-Messungen aus diesem Jahr, die nichts Gutes verheißen: An der Station Mauna Loa auf Hawaii in den USA lag die Konzentration im Juli dieses Jahres bei 416,96 ppm, nach 414,62 ppm im vergangenen Jahr. Die WMO bildet für das Jahresniveau immer einen Mittelwert aus den Messungen mehrerer Stationen.
Ziele des Pariser Klimabkommens in Gefahr
Wenn nicht deutlich schärfere Klimaschutzmaßnahmen als heute umgesetzt werden, werde die Welt die Ziele des Pariser Klimaabkommens nicht einhalten, die Erwärmung auf 1,5 bis 2 Grad zu begrenzen, sagte WMO-Chef Taalas. Das letzte Mal, dass die Erde solche CO2-Konzentrationen erlebte wie heute, sei drei bis fünf Millionen Jahre her. Damals sei die Temperatur zwei bis drei Grad höher gewesen und der Meeresspiegel 10 bis 20 Meter höher. Auf den Zustand vor so langer Zeit können Forscher durch Eisbohrungen in uralte Luftblasen und Analysen von Fossilien schließen.
Um das 1,5-Grad-Ziel zu erreichen, müsste die Welt etwa 2050 bis 2070 klimaneutral werden. Taalas rief die Länder der Welt auf, bei der Klimakonferenz ab Sonntag in Glasgow (COP26) neue, noch schärfere Klimaschutzmaßnahmen anzukündigen. "Wir haben keine Zeit zu verlieren", sagte er.