Grippesaison Frauenärzte rufen Schwangere zur Grippeschutz-Impfung auf
Berlin (dpa) - Für Schwangere ist eine Impfung gegen Grippe in diesem Herbst laut Experten besonders wichtig.
Nach der quasi ausgefallenen Welle vergangene Saison sei in diesem Jahr wieder mit mehr Erkrankten zu rechnen, sagte Cornelia Hösemann aus dem Vorstand des Berufsverbands der Frauenärzte der Deutschen Presse-Agentur. "Denn das Immunsystem muss erst wieder trainiert werden. Außerdem fällt bei 2- oder 3G-Regelungen die Pflicht zum Tragen der Maske weg, so dass Infektionen, die über Tröpfchen verbreitet werden, generell wieder mehr vorkommen werden." Schwangere könnten sich durchaus überlegen, ob sie zum eigenen Schutz unabhängig von geltenden Vorgaben einen Mund-Nase-Schutz tragen möchten.
Schwangere sind laut der Medizinerin, die auch Mitglied in der Sächsischen Impfkommission (Siko) ist, besonders gefährdet, wenn sie sich mit bestimmten Krankheitserregern anstecken: "Eine echte Influenza in der Schwangerschaft kann lebensbedrohlich sein." Der Berufsverband spricht auch von möglichen stärkeren Fieberattacken und heftigeren Lungenentzündungen durch das Grippe-Virus sowie von Einweisungen ins Krankenhaus und auf die Intensivstation. Bei schweren fieberhaften Infektionen steige generell die Gefahr für frühzeitige Wehen und eine Frühgeburt, hieß es.
Stiko empfiehlt mRNA-Vakzine
In ihrer Praxis in Großpösna bei Leipzig werde seit Ende September gegen Grippe geimpft, berichtet Hösemann. Teils bekämen Schwangere gleichzeitig auch den Piks gegen Covid-19, wenn sie diesen nicht schon früher erhalten hatten. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Corona-Immunisierung mit mRNA-Vakzinen für noch ungeimpfte Schwangere seit Mitte September, während sich die Sächsische Impfkommission bereits im Mai für diesen Schritt ausgesprochen hatte.
Daraufhin seien impfwillige Frauen auch aus anderen Bundesländern in ihre Praxis gefahren, sagte Hösemann. Inzwischen erhalte sie Baby-Fotos und Dankesbriefe dieser Frauen. In manch anderen Ländern wie Israel und den USA konnten sich Schwangere noch früher immunisieren lassen - während sich viele Ärzte in Deutschland ohne Stiko-Empfehlung dagegen sträubten.
Trotz der mittlerweile breiten Erfahrung international: Unwissenheit und Fehlinformationen rund um die Covid-19-Impfung bekommt Hösemann in ihrer Arbeit häufig mit. Ungeimpfte Frauen fragt sie nach den Gründen. "Bei den Schwangeren bei uns in der Praxis war etwa die Hälfte schon vorher gegen Covid-19 geimpft, die andere Hälfte hatte die Schwangerschaft geplant und die Impfung deshalb erst einmal nicht machen lassen. Dieses Abwarten wäre natürlich nicht notwendig gewesen."
Irrtümer halten sich hartnäckig
Wegen des mRNA-Impfstoffs müsse man sich keine Sorgen machen, betonte Hösemann. Viele Frauen hätten irgendwo aufgeschnappt, die Impfung mache angeblich unfruchtbar. Sie halte dagegen, dass nach der Logik dieser Falschinformation auch die vielen Millionen Corona-Infizierten unfruchtbar sein müssten, was aber nicht der Fall sei. Auch das Robert Koch-Institut (RKI) betont mittlerweile auf seiner Webseite ausdrücklich: Die Behauptung zu Unfruchtbarkeit nach Impfung sei falsch.
Manche Menschen glaubten auch, Impfungen in der Schwangerschaft seien generell schädlich für das Ungeborene, sagte Hösemann. Tatsächlich sollen Lebendimpfstoffe wie gegen Masern, Mumps und Röteln in der Schwangerschaft nicht verabreicht werden. Bei sogenannten Totimpfstoffen jedoch, die abgetötete Erreger oder deren Bestandteile enthalten, gebe es keine derartigen Bedenken, die Impfreaktionen seien gering, sagte die Ärztin. "Impfen in der Schwangerschaft ist nichts grundsätzlich Gefährliches. Manche Impfungen sollten nach Beratung unbedingt gemacht werden.
Grund für das erhöhte Risiko von Schwangeren bei Krankheiten wie Grippe, Keuchhusten und Covid-19 sei vor allem das Immunsystem, erklärt Hösemann. Es sei gedrosselt, da es sich sonst gegen das Ungeborene richten würde. Die Sauerstoffaufnahme der Mutter sei zudem lebensnotwendig für das Kind. Ist die Atmung der Schwangeren etwa durch eine Lungenerkrankung beeinträchtigt, schädige dies auch das Kind.
Bei Impfungen gehe es um den Schutz von Mutter und Kind: Über den Mutterkuchen würden Antikörper weitergegeben, so dass das Baby auch im ersten halben Jahr nach der Entbindung über den sogenannten Nestschutz verfügt. Auch das Stillen trägt dazu bei.
Gegen Grippe und Covid-19 geimpft wird in der Regel ab dem zweiten Schwangerschaftsdrittel - eine reine Vorsichtsmaßnahme, wie Hösemann sagte. In Risikoschwangerschaften, etwa wenn die Schwangere Diabetes hat oder stark übergewichtig ist, sei der Piks auch im ersten Trimenon möglich.