Klima-Risiko-Studie: Extremwetter trifft vor allem ärmere Länder
Berlin (dpa) - Wetterextreme wie Wirbelstürme, Hitze oder Starkregen haben in den vergangenen Jahren vor allem Entwicklungsländer hart getroffen.
Das geht aus dem Globalen Klima-Risiko-Index hervor, den die Umweltorganisation Germanwatch vorgestellt hat. Zwischen 2000 und 2019 hatten demnach vor allem ärmere Länder mit Hitzewellen, Dürren und Stürmen zu kämpfen, allen voran Puerto Rico, Myanmar und Haiti (Platz eins bis drei).
Fast 480.000 Menschen starben in diesem Zeitraum infolge von mehr als 11.000 Extremwetterereignissen. Die Sachschäden summierten sich der Studie zufolge kaufkraftbereinigt auf 2,56 Billionen US-Dollar und sind damit im Vergleich zum vorherigen Langfrist-Index erneut gestiegen.
An der Spitze der Negativ-Liste für das Jahr 2019, das neben dem 20-Jahres-Zeitraum separat betrachtet wurde, stehen Mosambik, Simbabwe und die Bahamas, die es mit schweren Wirbelstürmen, Überflutungen und Erdrutschen zu tun hatten.
Schwere Schäden gehen in Mosambik, Simbabwe und Malawi (Rang fünf im Index für 2019) auf den Zyklon Idai zurück. Es war der bis dahin verheerendste Wirbelsturm, der jemals im westlichen Indischen Ozean beobachtet wurde. Die drei afrikanischen Länder hatten zusammen mehr als 1100 Todesopfer zu beklagen und verzeichneten kaufkraftbereinigt einen Gesamtschaden von mehr als sieben Milliarden US-Dollar.
Deutschland landet für 2019 auf Platz 56 unter den 180 Ländern, deren Daten in die Studie eingeflossen sind. Im Langfrist-Vergleich rangiert die Bundesrepublik aber unter den 20 am stärksten betroffenen Ländern (Platz 18). Von 2000 bis 2019 starben in Deutschland der Analyse zufolge mehr als 10.700 Menschen durch Extremwetter - vor allem infolge von Hitzewellen. Der wirtschaftliche Schaden lag für Deutschland kaufkraftbereinigt jährlich im Schnitt bei 4,27 Milliarden US-Dollar (3,54 Milliarden Euro).
Der jährlich veröffentlichte Klima-Risiko-Index basiert auf einer Datenbank des Rückversicherers Munich Re und Daten des Internationalen Währungsfonds (IWF). Er vergleicht die durch Extremwetter verursachten Todeszahlen und Sachschäden nach Kaufkraftparitäten, und zwar sowohl die absoluten Zahlen als auch im Verhältnis zur Einwohnerzahl und zum Bruttoinlandsprodukt.
Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass der Klimawandel Wetterextreme "in allen Kontinenten und Regionen der Welt" begünstigt. "Der Klima-Risiko-Index zeigt, dass Menschen in den besonders armen Entwicklungsländern am verwundbarsten sind. Sie, die am wenigsten zur Klimakrise beigetragen haben, benötigen nun dringend finanzielle und technische Unterstützung, um sich soweit wie möglich an deren Folgen anzupassen", sagte Studien-Co-Autor David Eckstein von Germanwatch.
Mit Blick auf den internationalen Klimagipfel Climat Adaptation Summit, der am Montag digital stattfand, richtete die Organisation einen Appell an die Industrienationen, den besonders schwer getroffenen Entwicklungsländern zusätzliche Mittel im Kampf gegen Extremwetterereignisse bereitzustellen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sagte am Mittag in einer Video-Botschaft zu, die vulnerablen Länder mit weiteren 100 Millionen Euro bei der Anpassung an die Folgen des Klimawandels unterstützen zu wollen.
Auch Bundesumweltministerin Svenja Schulze warb am Montag für mehr Solidarität. "Wir brauchen jetzt mehr denn je Solidarität auf der Welt, damit diejenigen, die besonders vom Klimawandel betroffen sind, auch Unterstützung erhalten", sagte die SPD-Politikerin. Aber auch Deutschland müsse sich besser gegen Wetterextreme wappnen. Alte und kranke Menschen sowie das Personal im Gesundheitswesen müssten "viel besser vor extremer Hitze im Sommer" geschützt werden, erklärte Schulze.
Aus den Reihen der Opposition kam teils scharfe Kritik. Die Industrienationen seien "die Hauptverursacher für die Eskalation der Klimakrise" und würden sich trotzdem "aus der Verantwortung stehlen", wenn es darum gehe, die Schäden zu begleichen, sagte die klimapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Lisa Badum, der Deutschen Presse-Agentur. Diese Vorgehensweise nannte sie "pervers". Die Klimaanpassung müsse endlich solidarisch finanziert werden, forderte Badum.
Der Linke-Klimapolitiker Lorenz Gösta Beutin kritisierte Deutschlands Anteil an der internationalen Klimafinanzierung als "deutlich zu gering". Er warf der Bundesregierung vor, das Geld zum Kampf gegen den Klimawandel mit der Entwicklungshilfe zu verrechnen, statt es separat zu investieren.