Verkündung in Stockholm Literatur-Nobelpreis geht an Abdulrazak Gurnah aus Tansania
Der Gewinner des Nobelpreises für Literatur ist in diesem Jahr Abdulrazak Gurnah aus Tansania. Der Autor beschäftigt sich in seinen Werken besonders mit dem Schicksal von Flüchtlingen – er selbst floh aus Sansibar nach England.
Der Literatur-Nobelpreis geht in diesem Jahr an den tansanischen Schriftsteller Abdulrazak Gurnah. Er erhält den Preis "für sein kompromissloses und mitfühlendes Durchdringen der Auswirkungen des Kolonialismus und des Schicksals des Flüchtlings in der Kluft zwischen Kulturen und Kontinenten", wie der Ständige Sekretär der Akademie, Mats Malm, bei der Bekanntgabe sagte.
Gurnah hat zehn Romane und eine Reihe von Kurzgeschichten veröffentlicht. Das Thema der Zerrissenheit des Flüchtlings zieht sich laut dem Komitee wie ein roter Faden durch seine Werke.
Gurnah floh aus Sansibar nach England
Gurnah wurde 1948 geboren und wuchs auf der Insel Sansibar im Indischen Ozean auf, kam aber Ende der 1960er-Jahre als Flüchtling nach England, wie das Nobelpreiskomitee mitteilt. Nach der friedlichen Befreiung von der britischen Kolonialherrschaft im Dezember 1963 erlebte Sansibar eine Revolution, die unter dem Regime von Präsident Abeid Amani Karume zu Unterdrückung und Verfolgung der Bürger arabischer Herkunft führte, es kam zu Massakern.
Gurnah gehörte zu den Betroffenen und war nach seinem Schulabschluss gezwungen, seine Familie zu verlassen und aus dem Land, der damals neu gegründeten Republik Tansania, zu fliehen. Er war achtzehn Jahre alt. Erst 1984 war es ihm möglich, nach Sansibar zurückzukehren und seinen Vater kurz vor dessen Tod zu sehen.
Gurnah war bis zu seiner Pensionierung Professor für Englisch und postkoloniale Literaturen an der University of Kent in Canterbury und beschäftigte sich vor allem mit Schriftstellern wie Wole Soyinka, Ngũgĩ wa Thiong'o und Salman Rushdie.
2020 gewann Louise Glück
Im vergangenen Jahr wurde die amerikanische Dichterin Louise Glück mit dem Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Sie erhielt ihn "für ihre unverkennbare poetische Stimme", mit der sie "mit strenger Schönheit die individuelle Existenz universell" mache, wie Malm gesagt hatte.
In der ersten Wochenhälfte waren in Stockholm bereits die diesjährigen Preisträger in den wissenschaftlichen Kategorien Medizin, Physik und Chemie verkündet worden. Unter ihnen waren mit dem Meteorologen Klaus Hasselmann und dem Chemiker Benjamin List auch zwei Deutsche. Insgesamt wurden in den drei bisherigen Kategorien sieben Preisträger benannt – Frauen waren nicht dabei.
Fast eine Million Euro Preisgeld
Die wissenschaftlichen Nobelpreise werden häufig an zwei oder drei Preisträgerinnen und Preisträger auf einmal vergeben, die zum Beispiel gemeinsam zum selben Themenfeld geforscht haben. Der Literaturnobelpreis zeichnet dagegen pro Jahr in der Regel nur eine herausragende literarische Persönlichkeit aus.
Nach der Kategorie Literatur folgt am Freitag die Bekanntgabe des diesjährigen Friedensnobelpreisträgers, der als einziger in der norwegischen Hauptstadt Oslo gekürt wird. Zurück in Stockholm werden dann zum Abschluss die Nobelpreisträger für Wirtschaftswissenschaften verkündet – diese Kategorie ist die einzige, die nicht auf das Testament von Preisstifter und Dynamit-Erfinder Alfred Nobel (1833-1896) zurückgeht.
Alle Nobelpreise sind wie im Vorjahr mit zehn Millionen schwedischen Kronen (rund 980.000 Euro) pro Kategorie dotiert. Verliehen werden die Auszeichnungen traditionell am 10. Dezember, dem Todestag Nobels.