Grenzöffnung Ungarns Wie ein Picknick den Weg zur Wende ebnete
Im November jährt sich der Fall der Berliner Mauer zum 30. Mal. Doch der Eiserne Vorhang begann bereits vorher zu bröckeln: Die Grenzöffnung in Ungarn und ein historisches Picknick gaben den Anstoß.
Als erster Staat des Ostblocks öffnete Ungarn vor 30 Jahren seine Grenzen zum Westen und machte den Weg zur deutschen Einheit frei. Ungeachtet der Proteste aus Ost-Berlin verkündete der ungarische Außenminister Gyula Horn am 10. September 1989, sein Land werde alle DDR-Bürger ausreisen lassen. Ein erster Meilenstein auf dem Weg dahin war das "Paneuropäische Picknick" an der ungarisch-österreichischen Grenze am 19. August 1989. In Erinnerung an dieses Ereignis nimmt Bundeskanzlerin Angela Merkel am Montag an einem Festakt im ungarischen Sopron teil.
Horns historischem TV-Auftritt waren mehrere denkwürdige Ereignisse vorausgegangen, die andeuteten, dass die Zeit von Minen, Wachtürmen, Stacheldraht und Scheinwerfern im Herzen Europas bald vorbei sein würde. Der Ostblock war tiefen Erschütterungen ausgesetzt; in Moskau erzwang der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow unter dem Schlagwort "Perestroika" Reformen zu mehr Demokratie und Marktwirtschaft.
Auch Ungarn steuerte auf Reformkurs und fasste den mutigen Beschluss, mit den besonders linientreuen Verbündeten des Warschauer Paktes zu brechen. Das Politbüro der Kommunistischen Partei empfahl der Regierung in Budapest im Februar 1989 den Abbau der 350 Kilometer langen Grenzsperre zu Österreich.
Der ungarische Außenminister durchschnitt den Zaun eigenhändig
Anfang Mai begann Ungarn tatsächlich damit, die Überwachungsanlagen niederzureißen. Horn und sein österreichischer Kollege Alois Mock legten selbst Hand an und durchschnitten am 27. Juni 1989 symbolisch den Stacheldraht, der ihre beiden Länder seit den 60er Jahren getrennt hatte.
Knapp zwei Monate später fand dann nahe der Kleinstadt Sopron im Westen Ungarns das Paneuropäische Picknick statt. Das Picknick war als eine Friedensdemonstration gedacht, bei der mit Zustimmung beider Länder ein Grenztor symbolisch für drei Stunden geöffnet werden sollte.
Mehr als 600 DDR-Bürger, viele von ihnen Urlauber, nutzten diese erstmalige Öffnung des Eisernen Vorhangs zur Flucht nach Österreich – ungehindert von den ungarischen Grenzbeamten. Das Picknick bei Sopron und die anschließende Flucht gelten als Auftakt für die politische Wende, die zum Ende der DDR und zum Fall der Berliner Mauer führte.
Budapest verwandelte sich in ein riesiges Flüchtlingslager
In der Nacht zum 11. September 1989 überschlugen sich dann die Ereignisse und der Grenzübergang Hegyeshalom-Nickelsdorf rückte ins Rampenlicht der Weltgeschichte. Seit Wochen hatten sich Zehntausende Bürger aus dem sozialistischen Deutschland in Ungarn versammelt und das Recht auf freie Ausreise in den Westen gefordert. Budapest war zu einem riesigen Flüchtlingslager geworden, die Botschaft der Bundesrepublik wurde belagert.
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Am 11. September öffnete Ungarn seine Westgrenze, nach und nach konnten die DDR-Bürger die Lager in Richtung Bundesrepublik verlassen. Allein bis zum 13. September reisten rund 12.000 DDR-Bürger über Ungarn in den Westen. Nach Jahrzehnten des Kalten Krieges war der Eiserne Vorhang durchbrochen.
- Nachrichtenagentur AFP