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Nato-Gipfel in Vilnius: Putin wird über Ukraine-Debatte lachen


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Streit um Nato-Beitritt der Ukraine
Putin lacht uns aus

MeinungVon Patrick Diekmann

Aktualisiert am 12.07.2023Lesedauer: 3 Min.
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Nato-Gipfel im Video: Viel Gesrpächsbedarf für Selenskyj. (Quelle: reuters)

Der Streit über einen möglichen Nato-Beitritt der Ukraine überschattet den Gipfel in Vilnius. Der Westen verliert sich in moralisch aufgeladenen Debatten, anstatt sich auf das Kriegsgeschehen zu fokussieren. Das ist fatal.

Natürlich gehört die Ukraine in die Nato. Kein Staats- und Regierungschef eines Mitgliedslandes hat auf dem Gipfel in Vilnius in den vergangenen Tagen öffentlich Gegenteiliges gesagt. Es ist absolut verständlich und richtig, dass der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in Litauen für einen schnellen Beitritt seines Landes in das Militärbündnis kämpft. Es ist genauso richtig, dass die Nato der Ukraine eine Beitrittsperspektive gibt, das Land aber erst aufnimmt, wenn es nicht mehr in einem territorialen Konflikt ist.

Denn eines gilt auch weiterhin: Ein Krieg zwischen der Nato und Russland muss verhindert werden.

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Diese Haltung scheint in der Nato weitestgehend Konsens zu sein. An diesem Punkt könnte der ukrainische Nato-Beitrittsprozess auf den Weg gebracht werden, die Debatte wäre vorbei. Doch das ist sie nicht. Auch einige deutsche Sicherheitsexperten treiben am Rande des Nato-Gipfels die Sau durchs Dorf und suggerieren, dass der Westen Selenskyj im Regen stehen lassen würde. Diese Lesart ist nicht nur völliger Unsinn, sie ist auch gefährlich.

Kein Krieg zwischen Nato und Russland

Was wäre die Alternative? Ein größerer Krieg mit Russland? Zum Fundament der Unterstützung der Ukraine innerhalb westlicher Gesellschaften gehören die Versprechen – etwa auch von Bundeskanzler Olaf Scholz –, dass die Nato nicht in einen Krieg mit Russland zieht. Wenn dieses Versprechen weiterhin gilt, bedeutet das: Die Ukraine müsste zunächst ihr Staatsgebiet – inklusive der Krim – komplett zurückerobern, um bei einem Nato-Beitritt nicht umgehend den Bündnisfall auszulösen. Der Weg bis dahin ist noch weit und steinig.

Es ist richtig, dass die Nato keine Länder aufnimmt, die sich im Kriegszustand befinden. Es ist ebenso vernünftig für die globale Sicherheit, dass die Nato mit einer Beitrittszusage wartet, bis erkenntlich ist, was für einen ukrainischen Staat sie nach diesem Krieg aufnehmen würde. Diese Vernunft darf in dieser Krisenzeit keinesfalls auf der Strecke bleiben.

Dieser Weg für die Integration der Ukraine ist für die Nato also der einzig gangbare und nebenbei auch moralisch der richtige. Denn in dem Abwägungsprozess geht es nicht nur um die Sicherheit der Ukraine, sondern auch um die Sicherheit des gesamten Kontinents. Trotzdem hat die Nato Selenskyj eben nicht vor den Kopf gestoßen. Die Ukraine bekommt eine Beitrittsperspektive und die Zusage, dass der Prozess beschleunigt werde. Aber damit nicht genug.

Nato steht hinter der Ukraine

US-Präsident Joe Biden hat vor dem Gipfel bereits Sicherheitsgarantien für die Ukraine durch die Amerikaner skizziert. Und wer müsste die Ukraine auch nach einem Nato-Beitritt im Ernstfall verteidigen? Vor allem die Amerikaner. Dementsprechend sind die Zusagen der USA viel wert.

Alles liegt auf dem Tisch. Der Streit um einen ukrainischen Nato-Beitritt scheint daher eher eine Scheindebatte zu sein, die sich immer weiter moralisch auflädt. Dadurch werden drängendere Themen, mit denen sich die Nato eigentlich umgehend befassen müsste, in den Schatten gestellt. Und das ist bitter.

Selenskyj weiß natürlich, dass sein Land kurzfristig nicht in die Nato kommen wird. Er legt das Thema wahrscheinlich zum jetzigen Zeitpunkt auf den Tisch, um von den langsamen Fortschritten der Gegenoffensive abzulenken. Das ist verständlich, die Ukraine möchte nach den westlichen Waffenlieferungen beweisen, dass sie ihr Staatsgebiet befreien kann. Aber diese Strategie hat auch eine Kehrseite.

Das oberste Ziel: die Ukraine muss gewinnen

Denn auch die Nato muss sich der aktuellen Kriegsrealität anpassen. Das bedeutet: Die Unterstützer der Ukraine müssen wahrscheinlich über einen noch längeren Zeitraum Waffen und Munition liefern. Dafür muss jetzt der Grundstein gelegt werden, indem die Produktion der Rüstungsindustrie im Westen gesteigert wird.

Die Ukraine muss den Krieg gewinnen, um danach noch zu existieren. Darum geht es, das ist das Ziel. Nur dann kann sie überhaupt in die Nato aufgenommen werden.

Eine Debatte über einen möglichen Nato-Beitritt des Landes verbaut allerdings die Sicht auf dieses Ziel. Bevor der Krieg nicht vorbei ist, führt sie ins Nichts. Das hilft den Menschen in der Ukraine nicht weiter – vor allem nicht im Angesicht des russischen Angriffskrieges. Wladimir Putin kann über diesen fehlenden Fokus nur lachen.

Die gegenwärtig langsamen Fortschritte der ukrainischen Armee begründen sich nicht aus strategischen Fehlern Kiews, im Gegenteil. Der Westen hatte bei der militärischen Unterstützung der Ukraine zu lange die Handbremse angezogen. Das hat sich bitter gerächt: Die russische Armee hatte Zeit, sich in den besetzten Gebieten einzugraben.

Schon im vergangenen Jahr hat die Nato also Zeit mit moralischen Debatten verschenkt, anstatt mittelfristig realistisch für diesen Krieg zu planen. Leider hat der Gipfel in Vilnius nun auch eines gezeigt: Sie hat aus diesen Fehlern bisher kaum gelernt.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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