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Ukraine-Krieg: Experten entlarven russische Raketen-Lüge


Dutzende Tote in Gefangenenlager
Experten vermuten russische Raketen-Lüge

t-online, ld

02.08.2022Lesedauer: 3 Min.
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Gefangenenlager Oleniwka mit zerstörter Baracke: Fachleute bezweifeln die russische Version der Geschehnisse, derzufolge die Ukraine ihre eigenen Militärangehörigen beschossen haben soll. (Quelle: t-online)

Dutzende ukrainische Kriegsgefangene sollen in einer Haftanstalt nahe Donezk getötet worden sein – russischen Angaben nach von den eigenen Leuten. Fachleute hegen Zweifel.

Vergangene Woche soll es angeblich zu einer schrecklichen Tat der ukrainischen Armee gekommen sein – zumindest, wenn man den Meldungen aus Moskau glaubt. Mit einem vom Westen gelieferten Mehrfachraketenwerfer habe die ukrainische Armee ein Lager für ukrainische Kriegsgefangene im prorussisch kontrollierten Oleniwka angegriffen, hieß es da. Durch die eigenen Leute sollen dem russischen Verteidigungsministerium zufolge 50 Gefangene getötet und 73 verletzt worden sein.

Eine weitere dreiste Lüge, sagt der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj. Er spricht von einem vorsätzlichen Kriegsverbrechen Russlands unter falschem Vorwand – einer sogenannten "False flag"-Aktion. Die Angaben beider Seiten sind nicht unabhängig überprüfbar. Je mehr Analysen durch Fachleute es gibt, desto größer werden jedoch die Zweifel an der russischen Version.

Fachleute: Schäden am Gefangenenlager passen nicht zur Version Russlands

Der frühere italienische Soldat und Militärexperte Thomas C. Theiner wies beispielsweise auf eine große Unstimmigkeit hin. Er betonte, dass es für die ukrainische Armee keinen Sinn ergeben hätte, das Gefangenenlager mit Himars-Raketen anzugreifen. Diese seien schließlich für Langstrecken konzipiert. Die Einrichtung befinde sich aber lediglich 15 Kilometer hinter den Frontlinien. Hätte die ukrainische Armee das Lager tatsächlich angreifen wollen, wäre das auch mit deutlich günstigerer Artillerie möglich gewesen, so Theiner.

Außerdem weise die Baracke, in die die Rakete eingeschlagen sein soll, nicht die für Himars-Raketen typischen Schäden auf. In diesem Fall hätte das Gebäude massiv und bis auf die Grundmauern zerstört sein müssen. Stattdessen sind auf Fotos hauptsächlich Brandspuren zu erkennen. Im Inneren stünden gar die Bettgestelle der Insassen noch an Ort und Stelle, betont der Experte. Es fehle Theiner zufolge auch an einem für Raketeneinschläge typischen Krater, der beim Aufprall der Rakete in den Boden entsteht. Seiner Einschätzung nach ist in Oleniwka eher Brandmunition zum Einsatz gekommen.

Auch Experten des "Institute for the Study of War" (ISW) in Washington schrieben in einem Lagebericht vom Freitag von Feuerschäden, die für eine Himars-Rakete untypisch seien. Das international renommierte Institut ist nach eigenen Angaben nicht in der Lage, den tatsächlichen Hergang der Ereignisse mit Sicherheit zu rekonstruieren. Trotzdem erlaubten es sich die Experten aus Washington in einem weiteren Bericht vom Samstag, eine Verantwortung Russlands als "wahrscheinlich" einzustufen.

Satellitenbilder sollen mutmaßliche Massengräber zeigen

Der Däne Oliver Alexander, Analyst für Open-Source-Intelligence (OSINT), äußerte einen weiteren Verdacht: Ein Satellitenbild der Firma Maxar soll Aushebungen innerhalb des Gefangenenlagers zeigen. Diese Aufnahme soll am 27. Juli – also zwei Tage vor der Explosion – entstanden sein. Auf einem Satellitenbild vom 31. Juli, also kurz nach dem angeblichen Angriff, sind die Aushebungen zugeschüttet. Dem Analysten zufolge könnte es sich um Massengräber handeln.

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Andere Satellitenaufnahmen legten im Abgleich mit Videos von vor Ort außerdem den Verdacht nahe, dass die Kriegsgefangenen von Oleniwka eigentlich in einem anderen Bereich des Lagers untergebracht waren und nicht am angeblichen Einschlagsort, so der OSINT-Experte.

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Diese Indizien verleiten den Analysten ebenfalls zu dem Urteil, bei dem Vorfall handele es sich um ein vorgeplantes Kriegsverbrechen der russischen Seite.

Rotem Kreuz wird Zugang verwehrt

Eine unabhängige Überprüfung der Vorgänge vor Ort scheint derweil unmöglich zu sein: So erbat das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) nach eigenen Angaben Zugang zu dem Gefängnis in Oleniwka. Man wolle "die Gesundheit und den Zustand aller Personen feststellen, die zum Zeitpunkt des Angriffs anwesend waren". Das Rote Kreuz biete Hilfe bei der Evakuierung von Verwundeten und medizinische Hilfsgüter an, hieß es in einer Mitteilung.

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Der Zutritt wurde dem Hilfswerk nach eigenen Angaben jedoch verwehrt. In einer Mitteilung der Organisation heißt es: "Unserem gestrigen Antrag auf Zugang zur Strafanstalt wurde nicht stattgegeben. Die Gewährung des Zugangs des IKRK zu Kriegsgefangenen ist eine Verpflichtung gemäß der Genfer Konvention." Weiter bekräftigt man: "Wir werden nicht aufhören, Zugang zu diesen Kriegsgefangenen zu suchen."

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
  • Twitter-Profil des ICRC Ukraine
  • Twitter-Profil von Thomas C. Theiner
  • Twitter-Profil von Oliver Alexander
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