Erste Sichtung in Mecklenburg-Vorpommern Walross auf Rügen: Ist die Klimakrise schuld?
Für einen kurzen Zwischenstopp steuerte ein Walross die Ostseeinsel Rügen an – eine unverhoffte Sehenswürdigkeit für viele Touristen. Experten sehen bei dem Besuch des Tieres vor allem einen Grund.
Seltener Gast auf der Insel Rügen: Ein Walross hat auf der größten deutschen Insel für Aufsehen gesorgt. Nachdem das über zwei Meter lange Tier am Donnerstagmorgen dort gesichtet wurde, schwamm es am Abend wieder davon. Das berichtete Michael Dähne, Kurator für Meeressäugetiere am Deutschen Meeresmuseum, am Freitag. Zuvor habe sich das Tier noch einmal kurz umgedreht. "Die Leute waren begeistert. So eine Gelegenheit hat man ja nicht so oft."
Der Besuch an einem Strand im Norden der Insel hat laut Dähne Seltenheitswert: Es handele sich seines Wissens um die erste dokumentierte Sichtung in Mecklenburg-Vorpommern. Und an der deutschen Ostseeküste habe er auf Anhieb nur eine weitere nördlich von Lübeck gefunden. In der inneren Ostsee gebe es bisher ohnehin nur zwei bis drei dokumentierte Sichtungen.
Tierärztin untersuchte Walross
Das Tier war nach Angaben des Meeresmuseums von einem Beobachter gemeldet worden. Ein Mitarbeiter des Museums und eine Tierärztin machten sich demnach sofort auf den Weg, um es in Augenschein zu nehmen. Es handelte sich laut Dähne vermutlich um ein junges Weibchen. Der Strandabschnitt war laut Meeresmuseum weiträumig abgesperrt worden, damit sich das Tier ungestört ausruhen kann. Mit Blick auf die Schaulustigen lobte Dähne: "Die haben sich alle hervorragend an die Absperrungen gehalten."
Bei Begutachtungen hätte das Tier "fit" gewirkt, sagte Dähne. Es habe keine auffälligen Verletzungen gehabt, sei für die Jahreszeit normal ernährt gewesen und habe normal geatmet.
Verlust von Lebensraum?
Wieso es auf Rügen Halt gemacht hat, ist unklar. Es könne sein, dass das Walross einfach mal woanders hingewandert sei, mutmaßt der Wissenschaftler. Es könne aber auch etwas mit dem Verlust von Lebensraum zu tun haben. Experten gingen davon aus, dass der Rückgang von Eis durch die Klimakrise zum Problem für die Tiere wird. "Wenn das Eis zurückgeht, dann gibt es einfach weniger Eiskante und weniger Eislöcher." Dort hielten sich die Tiere aber normalerweise auf.
Walrosse sind laut Deutschem Meeresmuseum überwiegend in den polaren Gebieten des Atlantiks und Pazifiks heimisch. Die nächstgelegene Region, in der Walrosse häufiger vorkämen, sei in Norwegen, sagte Dähne. Das Atlantische Walross könne bis zu 3,50 Meter groß werden und etwa eine Tonne wiegen. Ihre Vettern im Pazifik seien größer.
"Hoffen, dass es wieder Weg nach Norden findet"
"Wir schauen natürlich die ganze Zeit nach, ob das Tier noch mal gesehen wird", sagte Dähne. Dafür gebe es eine App und eine Website, über die Beobachtungen gemeldet werden könnten. Es gebe Hinweise, dass das Tier zuvor schon einmal dort gesichtet worden sei, wo es von der Nordsee in die Ostsee gehe. "Hoffen wir mal, dass es den Weg nach Norden wieder aus der Ostsee rausfindet."
Das Deutsche Meeresmuseum in Stralsund hat durchaus Erfahrungen mit exotischen Gästen. 1965 verirrte sich eine Lederschildkröte aus der Karibik in die Ostsee und starb kurz nach ihrer Bergung. Das nach der Filmdiva Marlene Dietrich benannte Tier wurde präpariert und war dafür verantwortlich, dass das Meeresmuseum überhaupt entstanden ist.
2020 war ein über zwei Meter langer Schwertfisch aus einer Reuse bei Wismar geborgen worden. Auch von diesem toten Tier fertigte das Meeresmuseum einen Abguss an. Dieses Schicksal blieb dem Walross erspart.
- Nachrichtenagentur dpa