Extrem-Bergsteiger wird 75 Messner: "Ich wäre umgekommen oder gescheitert"
Er hat als erster Mensch alle 14 Achttausender der Welt bestiegen. Er schaffte mit Peter Habeler erstmals den Mount Everest ohne Sauerstoff – später auch im Alleingang. Reinhold Messner hat Geschichte geschrieben.
Fans bewunderten seinen eisernen Willen, seinen grenzgängerischen Wagemut und seine unglaublichen Leistungen. Kritiker warfen ihm überhöhten Ehrgeiz und Egoismus vor. Am heutigen Dienstag wird Messner 75 Jahre alt.
Nach den kaum zu übertreffenden Erfolgen im Höhenbergsteigen suchte der Südtiroler neue Ziele. Er durchquerte die Antarktis, Grönland und die Wüste Gobi. Extreme prägten Messners Leben als Bergsteiger und Abenteurer.
"Durchhaltevermögen und Willen"
"Für Reinhold ist Auflehnung ein Stück weit Inhalt", sagte der Psychoanalytiker Hansjörg Messner in dem halbdokumentarischen Film "Messner" über seinen berühmten Bruder und dessen rastlosen Drang nach Herausforderung. Messner selbst sagt über sich: "An Widerständen werden Durchhaltevermögen und Willen trainiert. Man kann den Willen trainieren wie einen Muskel. Und man gewinnt diese Haltung: Früher oder später gelingt es mir doch. Manche nennen es Sturheit. Es ist mir nicht wichtig, wie man es nennt. Ohne die vielen Widerstände wäre ich nicht der geworden, der ich bin."
Als das Älterwerden extremen körperlichen Höchstleistungen Grenzen setzte, verwirklichte Messner mit ähnlicher Durchsetzungskraft sein Museumsprojekt, das heute seine Tochter Magdalena weiterführt. Sechs verschiedene Standorte bilden ein Bergmuseum. Unter anderem erzählt er darin Alpingeschichte, an einem anderen Standort thematisiert er die Auseinandersetzung Mensch-Berg. Es geht auch um die Erschließungsgeschichte der Dolomiten und ein Standort ist den Bergvölkern aus aller Welt gewidmet.
Bergsteiger- und Abenteurerlaufbahn
Messner bewirtschaftete auch Bergbauernhöfe; in Sulden am Ortler (Südtirol) züchtet er Yaks. Für die Grünen saß er fünf Jahre im Europaparlament. Als Experte für Risikomanagement wurde er zu Vorträgen geladen. Mit Wirtschaftsbossen stieg er auf Berge, auch mit Angela Merkel ging er – gerade dieses Jahr wieder – wandern. Er habe auch wissenschaftliche Arbeit geleistet, sagt er. Messner hatte sich als Yetiforscher betätigt und den Schneemenschen als Bären enttarnt.
Seit einigen Jahren widmet er sich nun mit seinem Sohn Simon dem Film, dreht dokumentarische Bergstreifen. Mit seinen diversen Projekten hielt er sich auch nach den Extremerfolgen seiner Bergsteiger- und Abenteurerlaufbahn in der Öffentlichkeit.
"Eine meiner Schlüsselfähigkeiten war, mich immer wieder neu zu erfinden, bei null anzufangen, neugierig zu bleiben", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. "Ich bin sehr froh, dass ich die Möglichkeit gefunden habe, in der richtigen Lebensphase das Richtige zu tun. Hätte ich es umgekehrt gemacht, zum Beispiel zuerst Filmen, dann Klettern und Bergsteigen, wäre ich umgekommen oder gescheitert."
Respekt vor dem Berg
Stets warnte er vor dem Massenansturm auf die Berge, forderte einen Erschließungsstopp. Früher habe man ihm vorgehalten, er gönne anderen nicht die Besteigung des Mount Everest, sagt er. Erst nach einer Serie von Todesfällen in diesem Jahr und Fotos von Menschenschlangen, die auf dem Weg zum Gipfel wie Autos im Stau stehen, habe auch die Öffentlichkeit verstanden, welcher Wahnsinn sich dort abspiele.
Messner und seine Generation veränderten in den 1970er und 1980er Jahren das Bergsteigen. Messner kritisierte damals von nationalem Ehrgeiz getriebene "Gipfelsiege" – der Berg sei schließlich kein Feind – und propagierte ein Bergsteigen nur für sich selbst. Mit dem Verzicht auf Expeditionstross, Fixseile und Flaschensauerstoff prägten er und einige andere damals den Alpinstil. Messner erfand dabei mit Sologängen an Achttausendern neue Maßstäbe. Und als Kommunikationstalent setzte er sich dann auch selbst in Szene.
Schrieb er früher am liebsten über seine eigenen Taten, so sucht er nun Alpingeschichten anderer, die er in Büchern oder Filmen dokumentarisch aufarbeitet. "Mich interessiert die menschliche Dimension. Ich nehme Geschichten, die passiert sind und versuche, sie eins zu eins auf die Leinwand oder ins Buch zu bringen." Er bleibe so nah wie möglich an den tatsächlichen Ereignissen - "weil das Leben die besten Geschichten erzählt".
Verlust prägte sein Leben
Gerade hat er mit "Der Eispapst: Die Akte Welzenbach" eine Dokumentation über die gescheiterte deutsche Nanga-Parbat-Expedition 1934 veröffentlicht. Auch wenn er mit zahllosen Dokumenten hart an den Fakten bliebt: Sein uneingeschränkter Held ist unverkennbar Wilhelm Welzenbach. Er starb 1934 am Nanga Parbat, der auch für Messner zum "Schlüsselberg" wurde. 1970 kam dort bei der gemeinsamen Besteigung sein jüngerer Bruder Günther ums Leben.
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Der Verlust prägte Messners Leben. Lange hatte er über den Hergang des Unglücks erbittert mit den Ex-Kameraden von damals gestritten, es gab Gerichtsprozesse. Zumindest hörte man zuletzt darüber kaum noch etwas von ihm. Messner scheint tatsächlich ruhiger geworden. Er sagt jedenfalls: "Die letzte Lebensphase prägt eine große Gelassenheit."
Messner, der unter anderem auf Schloss Juval in Südtirol lebt, hatte im August die Trennung von seiner Frau Sabine Stehle bekannt gegeben, mit der er drei Kinder hat.
- Nachrichtenagentur dpa