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Ermordete Kim Wall: Was geschah in Peter Madsens U-Boot?


Journalistin zerstückelt
Was geschah wirklich an Bord des U-Boots "Nautilus"?

ap, Jan M. Olsen

Aktualisiert am 08.03.2018Lesedauer: 4 Min.
Der dänische U-Boot-Tüftler Peter Madsen in seiner Nautilus.Vergrößern des Bildes
Der dänische U-Boot-Tüftler Peter Madsen in seiner Nautilus. (Quelle: Hougaard Niels/dpa-bilder)

Ein Interview an Bord eines U-Bootes: Für die schwedische Journalistin Kim Wall war es ein Abenteuer, das sie mit dem Leben bezahlen sollte. Nun soll ein Prozess klären, was in der Augustnacht vor der Küste Kopenhagens wirklich geschah.

Der Fall ist so grausig wie manch skandinavischer Krimi: Im vergangenen Sommer hielt der Mord an Kim Wall ganz Dänemark in Atem – Taucher bargen über Wochen verstümmelte Leichenteile der Journalistin aus der Ostsee. Von Donnerstag an muss sich der Erfinder Peter Madsen vor dem Kopenhagener Stadtgericht verantworten: Bei einer Fahrt in seinem selbst gebauten U-Boot soll er die 30-jährige Schwedin gefoltert, ermordet und im Meer versenkt haben.

Was genau sich an dem Sommerabend in der Ostsee vor Dänemark abgespielt hat, ist noch immer rätselhaft. Madsen bestreitet, Wall getötet zu haben – vielmehr sei sie in seiner "Nautilus" verunglückt, während er an Deck war. Er gab jedoch zu, die Leiche zerstückelt zu haben, bevor er sie "auf See bestattet" habe.

Viele wollen nicht mehr mit dem einst beliebten Erfinder in Verbindung gebracht werden. Andere reden noch. "Er hatte zwei Seiten", sagt die 48-jährige Ex-Pornodarstellerin Dorthe Damsgaard, die ihn ein paar Mal getroffen hat. "Er konnte eloquent und charismatisch sein und stundenlang über sein U-Boot reden. Und dann hatte er eine viel dunklere Seite."

Sie selbst habe Einladungen auf das Boot wegen ihrer Klaustrophobie abgelehnt. "Er machte mir gegenüber kein Geheimnis daraus, dass er sexuelle Fantasien hatte", betont Damsgaard und beschreibt Madsen als "lustig, manipulativ, ernst und unheimlich".

Madsens Ehefrau wollte sich Berichten zufolge von ihm scheiden lassen. Gegenüber Ermittlern gab sie an, er habe ihr offen gesagt, dass er Fetischpartys besuche.

Auf der Insel Refshaleøen, einem Industriegebiet mit einer einst geschäftigen Werft, gegenüber vom Zentrum Kopenhagens liegt seine ehemalige Werkstatt, ein geducktes Wellblechgebäude. Dort ging Wall am 10. August 2017 an Bord des U-Boots. Sie und ihr dänischer Freund Ole Stobbe Nielsen hatten an dem sonnigen Sommerabend eine Abschiedsparty gefeiert – sie wollten nach China umziehen.

Wall berichtete gerne über Außenseiter

Doch dann erhielt Wall eine Textnachricht von Madsen, in der er sich zu einem Interview bereit erklärte. Zuvor hatte sie monatelang versucht, mit ihm zu reden – nun verließ sie die Party allein, um den 47-jährigen Dänen zu treffen.

Wall wuchs in Südschweden auf – quer über den Öresund von Kopenhagen aus gesehen. Sie studierte an der Pariser Sorbonne, der Londoner School of Economics und der Columbia University in New York, wo sie 2013 mit einem Master in Journalismus abschloss. Sie schrieb unter anderem für die "New York Times" und den "Guardian" und berichtete über den Tourismus auf Haiti nach dem Erdbeben oder Atomtests auf den Marshallinseln. Nach den Worten ihrer Freundin Caterina Clerici hatte Wall "eine Schwäche für Außenseiter, für Orte und Menschen, die anders waren".

Auch Madsen passte in keine Schublade. Laut einer Biografie aus dem Jahr 2014 wuchs er mit einem autoritären Vater in einer kleinen Stadt westlich von Kopenhagen auf. In der Schule galt er als Sonderling, forderte in den Naturwissenschaften die Lehrer heraus und baute in der Freizeit Raketen. 2008 war er Mitgründer der Copenhagen Suborbitals, eines privaten Luft- und Raumfahrtkonsortiums zur Entwicklung und Konstruktion bemannter Raumschiffe. 2011 schickte das Konsortium eine selbst gebaute, neun Meter lange Rakete acht Kilometer weit in den Himmel über der Ostsee.

U-Boot sinkt vor der Küste Kopenhagens

Doch 2014 führten Differenzen zur Trennung von seinem Geschäftspartner, der als launisch bekannte Madsen zog in eine andere Werkstatt. In einem Interview mit der dänischen Wochenzeitung "Søndagsavisen" sagte er im gleichen Jahr, er hoffe "auf eine kriminelle Karriere", doch wolle er keine Bank ausrauben, weil "niemand verletzt werden soll".

Am Abend, an dem er Wall einlud, schrieb Madsen auch seinem Partner Steen Lorck, um einen für den nächsten Tag geplanten Trip im U-Boot abzusagen. Nach Walls Aufbruch zum Treffen mit Madsen erhielt ihr Freund noch einige Textnachrichten von ihr, als sie ausblieben, machte er sich Sorgen und alarmierte die Behörden, die eine Suche nach dem U-Boot einleiteten. Das 33 Tonnen schwere und 18 Meter lange U-Boot sank südlich von Kopenhagen – kurz nachdem es Zeugen noch an der Wasseroberfläche gesehen hatten. Madsen selbst wurde unverletzt aufgegriffen und gab zunächst an, er habe Wall auf Refshaleøen abgesetzt.

Doch die Ermittler fanden getrocknetes Blut im U-Boot. In den Wochen danach stießen Taucher auf mit Metallteilen beschwerte Plastiktüten mit Leichenteilen Walls am Meeresboden. Ihr Rumpf wies mehrere Stichverletzungen auf. Nach Einschätzung der Polizei versenkte Madsen das U-Boot absichtlich. Auf seinem PC im Hangar fand sie Videos von gequälten und getöteten Frauen, die er jedoch nicht selbst gedreht hatte.

Staatsanwalt Jakob Buch-Jepsen glaubt, dass Madsen die Journalistin fesselte und folterte, bevor er ihr die Kehle durchschnitt oder sie erdrosselte. Zudem soll er vorsätzlich gehandelt haben, weil er Werkzeug mitnahm, das er normalerweise nicht auf das U-Boot brachte. Nach einer psychiatrischen Untersuchung ist Madsen verhandlungsfähig. Seine Verteidigerin Betina Hald Engmark will vor Prozessbeginn keine Fragen beantworten, auch die Familie Wall möchte vorläufig keine Angaben machen.

Verwendete Quellen
  • ap
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