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Tsunami-Zeuge Peter Fischer: "Ein Tag wie jeder andere im Paradies - bis die Welle kam"


Tsunami-Zeuge Peter Fischer
"Ein Tag wie jeder andere im Paradies - bis die Welle kam"

t-online, Von Alexander Reichwein

Aktualisiert am 26.12.2014Lesedauer: 7 Min.
Eine Schneise der Zerstörung hinterließ der Tsunami an den Stränden von Phuket - Eintracht-Frankfurt-Präsident Peter Fischer erlebte die Katastrophe hautnah mitVergrößern des Bildes
Eine Schneise der Zerstörung hinterließ der Tsunami an den Stränden von Phuket - Eintracht-Frankfurt-Präsident Peter Fischer erlebte die Katastrophe hautnah mit (Quelle: Reuters, dpa)
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Binnen weniger Stunden verwüsteten am 26. Dezember 2004 gewaltige Flutwellen die Küsten des Indischen Ozeans. Fast 230.000 Menschen kamen ums Leben, drei Millionen Menschen wurden durch den Tsunami obdachlos. Am schwersten traf es die indonesische Provinz Aceh, aber auch Sri Lanka, Indien und Thailand. Peter Fischer war damals vor Ort - und überlebte die Katastrophe. t-online.de sprach mit dem Präsidenten von Eintracht Frankfurt über glückliche Umstände, die Tage nach der Katastrophe und seine Möglichkeiten, als öffentliche Person helfen zu können.

t-online.de: Herr Fischer, wo genau waren Sie an jenem 26. Dezember 2004?

Peter Fischer: Ich war mit meiner damaligen Frau und meinem damals sieben Jahre alten Sohn im Urlaub in einer Hotelanlage eines guten Freundes direkt in Phuket, am Chedi Beach. Dort hatten wir einen kleinen wunderschönen Bungalow bezogen.

Welche Erinnerungen haben Sie an den Tag? Wann und wie hat Sie der Tsunami getroffen?

Zunächst einmal war alles wie immer: Strahlend blauer Himmel, die Sonne schien, die Vögel zwitscherten, und die Palmen wedelten im Wind und spendeten Schatten - ein ganz normaler Tag im Paradies. Allerdings wurde ich früher wach als sonst, so gegen 8 Uhr morgens. Meine Frau hatte mich aus meinem Tiefschlaf geweckt, denn die Erde hatte etwas gewackelt und ein Glas war im Badezimmer heruntergefallen.

Mein erster Gedanke war: Bauarbeiten rund um die Hotelanlage. Und auch die Nachbarn, die vor ihren Bungalows standen und rätselten, dachten weder an ein Erdbeben denn an das, was noch kommen sollte. Ich glaube, Menschen spüren eigentlich, wenn Gefahr droht, und verhalten uns entsprechend instinktiv, selbst wenn dies nur im Unterbewusstsein geschieht. Dieses Gespür war an diesem Tag irgendwie nicht da, niemand fühlte sich in verängstigt oder witterte Gefahr. Das frühe Wachwerden sollte sich aber später als einer von zwei sehr glücklichen Umständen erweisen.

Inwiefern?

Entgegen meiner Schlafgewohnheiten frühstückten wir sehr früh und gingen so gegen 9.30 Uhr vollkommen sorglos die wenigen Meter vom Haus zum Strand. Auch das Wasser war wie immer.

Auf vielen Aufnahmen sah man damals Strände, an denen das Wasser viele Meter weit zurückgegangen war, wie bei Ebbe, und dann aus dem Nichts in hohen Wellen angerauscht kam. An unserem Strand war das anders: Das Wasser stand wie immer. Ich konnte die riesige Welle ankommen sehen - und wir konnten noch rechtzeitig weglaufen. Der zweite Umstand, der uns das Leben gerettet hat, war die Beschaffenheit des Strandes und der Bucht an unserem Ferienort.

Wie kann man sich den Strand vorstellen? Wohin sind sie gelaufen? Und wie konnten sie den Wassermassen, die alles mitgerissen haben, entkommen?

Chedi Beach ist ein kleiner und für Thailand untypischer Strand. Die schmale Bucht hat die Form einer Banane, so dass im Vergleich zu den sehr breiten und offenen Nachbarstränden wie Kamala Beach weniger Wasser in die Bucht Richtung Land einschlug. Zwischen dem schmalen Strand und der Hotelanlage war zudem ein fester Weg, den wir schnell erreichten und auf dem man laufen konnte ohne im Sand zu versinken. Aber entscheidend war etwas anderes: Hinter der Hotelanlage ist ein circa 80 bis 90 Meter hoher Hügel - den konnten wir rechtzeitig erreichen.

Dann hat der Berg Ihnen das Leben gerettet?

Ja. Zwar hatte das Wasser trotz der vergleichsweise geringeren Menge einen unglaublichen Druck und riss alles mit, was sich ihm in den Weg stellte. Und dadurch, dass es mit voller Wucht auf die schmale Bucht traf, bündelte es sich und stieg auf eine Höhe von 15, 16, vielleicht 18 Metern, wie eine riesige Flutwelle. Aber den Berg konnten selbst diese Wassermassen nicht überwinden oder mitreißen, und so schlug das Wasser immer wieder gegen den Berg - und floss dann wie ein reißender Strom zurück in Richtung Meer. Dabei nahm es freilich alles mit: Häuser, Autos, Boote, Palmen.

Den Menschen um Sie herum ist nichts passiert?

Nein - wie durch ein Wunder ist in unserem Strandabschnitt kein Mensch ums Leben gekommen - alle hatten sich rechtzeitig auf diesen Hügel gerettet. Dass es in unserer Bucht keine Todesopfer gab, hatten wir noch einem anderen Umstand zu verdanken: den Ferien. Die Schulen, die sich in Thailand am Meer oft direkt am Strand befinden, waren leer. Sonst hätte es hunderte tote Kinder gegeben, da bin ich mir sicher.

War ihnen damals bewusst, um welches Ausmaß an Naturkatastrophe es sich handelt?

Nein. Zwar konnten wir vom Hügel aus das Ausmaß der Zerstörung unten sehen. Aber keiner wusste von einem Tsunami, der den Indischen Ozean und so viele andere Orte heimgesucht hatte. Wir wussten zu diesem Zeitpunkt noch nicht einmal, dass es an den Nachbarstränden wie Kamala Beach, den es besonders schlimm getroffen hatte, so viele Tote gab und ganze Dörfer einfach weggespült worden waren. Hinzu kam, dass die Sonne nach wie vor schien, der Himmel blau war und die Vögel zwitscherten - nur das Wasser war eine braune Brühe voller Schutt und Gerümpel.

Wie haben Sie von der Katastrophe erfahren - und unter welchen Bedingungen haben Sie die folgenden Tage verbracht?

Zunächst kamen immer mehr Hotelangestellte und Dorfbewohner aus der unmittelbaren Umgebung auf den Hügel, und es wurden Informationen und Geschichten ausgetauscht. Dann wurde schnell klar: Wir haben es mit einer der schlimmsten Naturkatastrophen zu tun. Aber wir hatten im Gegensatz zu den Menschen in Deutschland an den TV-Geräten keine Bilder und keine Kommunikationsmöglichkeiten: Der Strom war weg, Handys funktionierten nicht, und PCs gab es keine mehr.

Wie haben Ihre Familienangehörigen in Deutschland und ihre Freunde erfahren, dass Sie noch leben?

Die "Bild"-Zeitung hatte darüber berichtet, und meine Mutter hat es so an ihrem Geburtstag erfahren. Aber das war alles nicht so wichtig, denn es begann das große Aufräumen in den folgenden Tagen.

War strukturiertes Helfen vor Ort überhaupt möglich?

Nein, aber wir haben getan, was man in so einer Situation instinktiv tut. Es gab trotz der Zerstörung noch Plätze, hinter dem Hügel, die unberührt waren. Wir holten mit dem wenigen fahrbaren Untersatz, den es noch gab, Trinkwasser aus den Orten der Umgebung.

Zudem war das Wasser langsam abgelaufen. In Teilen des Hotels, die stehen geblieben waren, konnten wir etwas kochen und uns ausruhen. Bedrückend waren aber die vielen Menschen, die nach und nach an unseren Ort kamen und mit Bildern und Schildern nach vermissten Freuden und Angehörigen suchten - viele vergeblich.

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Was konnten Sie tun und was erreichen?

Ich bin zwei Wochen vor Ort geblieben, meine Frau und mein Sohn flogen zurück. Dank erster Mobiltelefone, die wieder funktionierten, und meiner Freunde in Deutschland konnten wir einiges bewegen. Mein Freund Mike Kuhlmann und ich hatten bereits Jahre zuvor die Stiftung "propheten" gegründet, der es um die Bildungschancen von Kindern geht – mit Projekten in Tibet, Peru und Schwarzafrika. Über diese Stiftung konnten wir Geld und Materialien sammeln. Viele Prominente wie Steffi Graf haben uns unterstützt. Hinzu kamen 25.000 Euro aus dem Umfeld der Eintracht-Fans.

Daraus ging dann ihre Stiftung "help childrens of phukhet" hervor. Was ist das Ziel der Stiftung?

Wir haben unmittelbar nach dem Tsunami begonnen, die Schulen wieder aufzubauen, um den traumatisierten Kindern so etwas wie Alltag zurückzugeben. Diese Schulen haben wir mit dem auszurüsten begonnen, was bis dato fehlte: Englisch-Unterricht und PC-Räume.

Außerdem haben wir den Lehrern neue Mopeds und Fahrräder gekauft, damit diese wieder mobil waren. Hinzu kamen medizinische Versorgung und psychologische sowie therapeutische Betreuung. So ist damals am Strand von Phuket das größte gemalte Kinderbild der Welt entstanden.

Man kann also sagen: Sie haben aus der Katastrophe etwas Neues entstehen lassen

Ja. Und wenn ich anschließend immer wieder an den Ort zurückgekehrt bin, habe ich gemerkt: Die verschlossenen und verschreckten Kinder wurden immer offener und zugänglicher, sprachen mich auf Englisch mit "You are from Frankfurt" an und zeigten mir Bilder der Skyline mit den Worten "Your home" unterlegt.

Das von uns initiierte Projekt wurde dann vom thailändischen Bildungsministerium und vom Königshaus fortgeführt und hat bis heute die Bildung der Kinder von Phuket zur Aufgabe - damit diese eine Chance da draußen haben.

Was nehmen Sie mit aus dieser Zeit?

Nicht die Ehrungen, die uns seitens des Königs zu Teil wurden. Sondern zum einen die Erfahrung, dass jeder helfen kann, wenn Menschen in Not sind. Und dass man als öffentliche Person noch ein bisschen mehr tun kann. Zum anderen viele Freunde, die ich damals gewonnen habe. Schließlich, dass ich einen Schutzengel hatte, der es sehr gut mit mir meinte. Dieser Tag und Phuket und die Bilder sind immer in mir - aber auch strahlende Kinderaugen dort unten am Strand, wo jetzt neue Schulen stehen.

Das Interview führte Alexander Reichwein.

Zur Person: Peter Fischer (58) ist seit 2000 Vereinspräsident von Eintracht Frankfurt - und neben Heribert Bruchhagen, Vorstandsvorsitzender der Fußball AG, das Gesicht des Bundesligisten. Zusammen mit seiner damaligen Frau und seinem sieben Jahre alten Sohn überlebte der Frankfurter den Tsunami im thailändischen Phuket. Der Werbefachmann gründete zusammen mit seinem Kompagnon, dem Frankfurter Maler Mike Kuhlmann, und dem Hotelier vom Chedi Beach, Daniel Meury, die Stiftung "help children of phuket", die aus der Hilfs-Organisation "propheten" hervorging. Peter Fischer gilt als basisnaher Präsident, der sich engagiert um Abteilungen und Mitglieder des Vereins Eintracht Frankfurt kümmert - und um viele Opfer des Tsunami von 2004. (Foto: dpa)

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