Ermittlungen in Indien 141 Tote nach Brückeneinsturz: "Es war traumatisch"
Hunderte Menschen sollen sich auf einer Brücke in Indien befunden haben, um ein Lichterfest zu feiern. Dann stürzte das Bauwerk plötzlich ein.
Es war dunkel, als eine Hängebrücke in Westindien mit Hunderten Menschen in wenigen Sekunden zusammengebrochen ist. Dies und das Chaos, das folgte, zeigen Aufnahmen von Überwachungskameras, Videos im örtlichen Fernsehen und den sozialen Medien. Mindestens 141 Menschen seien dabei am Sonntagabend (Ortszeit) gestorben und Dutzende weitere verletzt worden, teilte die Polizei am Montag mit.
Die meisten Opfer seien Frauen, Kinder und ältere Menschen, hieß es. Mindestens 177 Menschen seien aus den Fluten des Machchhu-Flusses gerettet worden. Zwei weitere Menschen würden noch vermisst, berichtete die örtliche Nachrichtenagentur IANS unter Berufung auf die Polizei am Montag.
Auf Bildern und Videos sieht man, wie sich viele Menschen im Wasser verzweifelt an Brückenteilen festhalten, schreien und Rettungsteams im Dunkeln auf Booten zu ihnen kommen. Viele Inderinnen und Inder können nicht schwimmen.
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Im Internet machten auch Aufnahmen die Runde, die zeigen, wie kurz vor dem Einsturz viele Leute auf der 1,25 Meter breiten und 230 Meter langen Fußgängerbrücke hüpften und sprangen und diese sich entsprechend hin- und her bewegte. Ein Augenzeuge berichtete dem örtlichen Fernsehsender NDTV, die Brücke habe so sehr geschaukelt, dass man nicht stehen habe können, ohne sich festzuhalten. Er und seine Familie hätten die Brücke deshalb schnell verlassen. Ihm zufolge versuchte niemand, die Menge zu kontrollieren.
Die Brücke in Morbi im Bundesstaat Gujarat war am Sonntag gegen 18.30 Uhr (Ortszeit) eingestürzt, als sich eine Menschenmenge zum Lichterfest Diwali auf ihr versammelt hatte.
Menschen klammerten sich an Brücke fest
Nach Behördenangaben gaben Tragkabel der Brücke nach, als sich rund 500 Menschen auf oder an der Brücke aufhielten. Die meisten der Opfer seien ertrunken, sagte ein Vertreter der örtlichen Behörden in der Nacht zum Montag (Ortszeit) der Nachrichtenagentur AFP.
"Ich habe die Brücke vor meinen Augen einstürzen sehen", sagte ein Mann, der die ganze Nacht bei der Rettungsaktion mitarbeitete. "Es war traumatisch, als eine Frau mir ein Foto ihrer Tochter zeigte und fragte, ob ich sie gerettet hätte. Ich konnte ihr nicht sagen, dass ihre Tochter gestorben war."
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"Die Seile rissen"
Ein anderer Augenzeuge sprach davon, dass die Brücke "vollgepackt" gewesen sei. "Die Seile rissen und die Brücke stürzte in Sekundenbruchteilen herunter. Die Menschen fielen aufeinander und in den Fluss." Dutzende Soldaten der indischen Armee und Marine wurden ebenfalls zum Einsatz gerufen. "Wir sind schockiert. Eine Untersuchung ist im Gange", sagte Gujarats Arbeitsminister Brijesh Merja dem Sender NDTV.
Die Brücke stammt aus dem 19. Jahrhundert, also aus der Zeit, als Indien eine britische Kolonie war. Örtliche Behörden nennen die Brücke auf ihrer Website ein "Wunder der Bautechnik". Zur Bauzeit sei die neuste Technik verwendet worden, die es damals in Europa gegeben habe.
Erst vergangene Woche war die Fußgängerbrücke nach monatelangen Sanierungsarbeiten durch eine private Firma wiedereröffnet worden. Sie war auch bei einheimischen Touristinnen und Touristen beliebt. Am Sonntag zog sie angesichts einiger wichtiger hinduistischer Festtage besonders viele Besucherinnen und Besucher an. Gefeiert wurde unter anderem das Fest Chhath Puja, bei dem eine Sonnengottheit verehrt wird. Viele Menschen waren also in Feierlaune.
Ermittlungen gegen Bauunternehmer
Weshalb die Brücke einstürzte, war zunächst unklar, entsprechende Untersuchungen wurden angekündigt. In Medienberichten hieß es, möglicherweise habe die Konstruktion der Last der vielen Menschen nicht standgehalten. Die "Hindustan Times" berichtete, dass deutlich mehr Menschen auf der Brücke gewesen seien als für ihren Zutritt Tickets gekauft hatten.
Ein Sicherheitsmann habe sie nicht aufhalten können. Ein örtlicher Behördenvertreter sagte NDTV, dass die Lokalbehörden die Brücke nach den Sanierungsarbeiten noch nicht geprüft und keine Wiedereröffnungsfreigabe gegeben hätten. Die örtliche Polizei leitete eine Untersuchung gegen den Bauunternehmer ein. Der Sender NDTV berichtete, die Brücke habe kein Sicherheitszertifikat gehabt. Der Bundesstaat hat ein fünfköpfiges Team zur Untersuchung des Unglücks eingesetzt.
Oftmals Unglücke wegen schlecht gewarteter Infrastruktur
Der indische Regierungschef Narendra Modi, der sich zum Zeitpunkt des Unglücks auf einer Reise durch seinen Heimatstaat Gujarat befand, wie auch die Regierung des betroffenen Bundesstaates Gujarat, kündigten Entschädigungen für die Familien der Opfer an – jeweils 200.000 Rupien (rund 2.440 Euro) beziehungsweise 400.000 Rupien (rund 4.880 Euro). Die Betroffenen sollten "jede mögliche Hilfe" erhalten, erklärte Modis Büro auf Twitter.
Unglücke aufgrund alter und schlecht gewarteter Infrastruktur sind häufig in Indien. Beim Einsturz einer Hochstraße kamen 2016 in Kalkutta 26 Menschen ums Leben. 2011 starben mindestens 32 Menschen im Nordosten des Landes, als ein Feiertagsgedränge eine Brücke zum Einsturz brachte.
- Nachrichtenagenturen dpa, AFP und Reuters
- timesofindia.indiatimes.com: "Gujarat bridge collapse: At least 32 dead as cable bridge collapses in Morbi, several feared trapped" (englisch)
- timesofindia.indiatimes.com: "Gujarat Cable Bridge Collapse LIVE Updates: My heart goes out to Morbi bridge collapse victims, says PM Modi; rescue operations continue" (englisch)