Mutmaßliche Gewalttat Tod von Geschwisterpaar - Ermittler gehen von Mord aus
Hanau (dpa) - Nach dem Tod zweier Geschwister in Hanau ermitteln Polizei und Staatsanwaltschaft wegen Mordverdachts und fahnden weiter unter Hochdruck nach dem Tatverdächtigen. Dem Vernehmen nach handelt es sich um den Vater der beiden Kinder - ein siebenjähriges Mädchen und ein elfjähriger Junge.
Schon Monate vor der Tat lagen dem Hanauer Jugendamt Hinweise auf familiäre Probleme vor, wie die Stadt am Donnerstag auf Anfrage mitteilte. Demnach war die Familie zum Jahreswechsel 2021/22 nach Hanau zugezogen. Mitte Januar seien die Probleme dem Jugendamt dann bekannt geworden. Sofort nach dieser Information sei das Jugendamt auf die Familie zugegangen und habe Angebote unterbreitet, darunter die sozialpädagogische Familienhilfe. Dabei habe es sich insbesondere um Unterstützung bei Behördengängen und im Familienalltag gehandelt. "Das Angebot wurde durch die Familie angenommen", erklärte die Stadt.
Behörde: "Keine Hinweise auf Gewalt"
Neben einem beauftragten Fachträger habe auch der Kommunale Soziale Dienst (KSD) in Kontakt mit allen Familienmitgliedern gestanden. "Bei diesen Kontakten waren keine Hinweise auf Gewalt erkennbar", erklärte die Stadt. Anfang dieser Woche habe der KSD dann vom beauftragten Träger die Rückmeldung erhalten, "dass sich das familiäre Verhältnis wohl verschlechtert habe". Im KSD sei deshalb entschieden worden, erneut das Gespräch zu suchen und einzugreifen.
Eine Obduktion am Vortag hatte ergeben, dass das Mädchen an Verletzungen durch "scharfe Gewalteinwirkung im Halsbereich" starb, wie Polizei und Staatsanwaltschaft erklärten. Bei dem Jungen hätten multiple innere Verletzungen zum Tod geführt. Sie seien auf einen Sturz aus großer Höhe zurückzuführen. Die Gründe für den Sturz seien Teil der Ermittlungen, "die wegen des Verdachts des Mordes geführt werden", sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hanau.
Auch bis Donnerstagnachmittag habe es im Rahmen der umfassenden Fahndung noch keine Festnahme gegeben. Zur Identität des gesuchten Mannes äußerte sich die Sprecherin mit Blick auf die laufenden Ermittlungen nicht. Bereits am Vortag hatte sie von einem mutmaßlichen familiären Hintergrund der Tat gesprochen, weitere Details waren offen geblieben. Die Geschwister lebten in der Wohnung, in der das Verbrechen geschah.
Auch die umfangreiche Spurensicherung laufe weiter, erklärten Polizei und Staatsanwaltschaft. Ein wichtiger Baustein zur Aufklärung des Falles könnten zudem Beobachtungen von Passanten oder Anwohnern sein. Wer im Zusammenhang mit der Tat eine auffällige Person gesehen habe, werde deshalb gebeten, sich mit der Kriminalpolizei Hanau in Verbindung zu setzen.
Junge starb im Krankenhaus
Am Mittwochmorgen hatten Passanten vor dem Hochhaus in der Hanauer Innenstadt, in dem sich die Wohnung befindet, auf dem Boden den schwer verletzten Jungen gefunden. Er wurde ins Krankenhaus gebracht, wo er kurze Zeit später seinen schweren Verletzungen erlag. Auf dem Balkon der Wohnung im neunten Stock des Hauses wurde seine tote Schwester entdeckt. Zur Frage, wo sich die Mutter der beiden Kinder zu diesem Zeitpunkt aufhielt, äußerten sich die Ermittler zunächst nicht.
Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky (SPD) hatte sich erschüttert über die Tat gezeigt. Am Donnerstag hätten sich Kaminsky sowie der Hanauer Bürgermeister Axel Weiss-Thiel (beide SPD) intensiv mit der Fallakte beschäftigt, erklärte die Stadt.
Die Tat sorgte derweil weiter für Anteilnahme in der Stadt im Osten des Rhein-Main-Gebietes. Anwohner legten Kerzen, Blumen und Plüschtiere im Innenhof des Hochhauses ab. Es befindet sich unweit des ersten Tatortes des rassistischen Anschlags vom 19. Februar 2020 in Hanau. Damals hatte ein 43 Jahre alter Deutscher in Hanau neun Menschen aus rassistischen Motiven erschossen. Danach tötete er seine Mutter und nahm sich selbst das Leben.