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Corona-Wunder in Brasilien? So wendet sich das Blatt


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Corona-Wunder in Brasilien?
So wendet sich das Blatt


Aktualisiert am 26.11.2021Lesedauer: 4 Min.
Impfung im Fußballstadion von Salvador im Bundesstaat Bahia: Brasiliens Impfkampagne begann schleppend, läuft inzwischen aber auf Turbo-Geschwindigkeit.Vergrößern des Bildes
Impfung im Fußballstadion von Salvador im Bundesstaat Bahia: Brasiliens Impfkampagne begann schleppend, läuft inzwischen aber auf Turbogeschwindigkeit. (Quelle: imago-images-bilder)
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Einst hat Brasilien traurige Rekorde bei den Corona-Toten gemeldet, nun scheint das Land die Pandemie im Griff zu haben. Mit Sorge blicken die Südamerikaner hingegen auf Europa.

Brasilien galt monatelang als Sorgenkind in der Corona-Pandemie. Im Juni meldete das südamerikanische Land an einem Tag mehr als 115.000 Neuinfektionen, bis zu diesem Zeitpunkt waren dort mehr als 500.000 Menschen im Zusammenhang mit Covid-19 gestorben. Massengräber wurden ausgehoben, die Impfkampagne ging nur langsam voran.

Zudem verharmloste die Regierung des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro das Virus und stemmte sich gegen harte Maßnahmen zur Eindämmung. Corona sei weniger schlimm als die wirtschaftlichen Folgen eines Lockdowns, so das Argument.

Positive Entwicklung in Brasilien

Nun aber mehren sich die positiven Nachrichten zur Corona-Lage in Brasilien. Während die Infektionszahlen in europäischen Ländern wie Deutschland oder Belgien explodieren, meldet das südamerikanische Land eine Sieben-Tage-Inzidenz von 30,6 (Stand: 25. November). Die Millionen-Metropole São Paulo hat sich selbst zur "Impfhauptstadt der Welt" ernannt. Dort sollen alle erwachsenen Einwohner vollständig geimpft sein.

Gute Nachrichten kommen auch aus der Karnevalsstadt Rio de Janeiro: "Die Wissenschaft gewinnt (...). Genau in diesem Moment beträgt die Zahl der Einweisungen wegen Covid in den Krankenhäusern des Gesundheitssystems SUS null. Ja, Sie lesen richtig. Wir haben keinen einzigen Covid-19-Patienten mehr in den öffentlichen Krankenhäusern", teilte eine lokale Gesundheitsbehörde am Wochenende mit. Während der Corona-Wellen lagen bis zu 1.500 Patienten auf den Intensivstationen der öffentlichen Kliniken.

Was macht Brasilien richtig?

Für den Erfolg gibt es mehrere Gründe. Zum einen ist die Impfkampagne in großen Schritten vorangekommen. Inzwischen sind 76 Prozent der Brasilianer mindestens einmal geimpft, 60 Prozent verfügen über den vollen Schutz. "Wenn man die Impfung mit der Formel 1 vergleicht, sind wir der Rennfahrer, der von ganz hinten gestartet ist, aber immer weiter aufholt", sagte Álvaro Furtado, Arzt für Infektionskrankheiten am Hospital das Clínicas der Universität São Paulo, dem Nachrichtensender CNN Brazil.

"Brasilien hat nur langsam mit der Impfung begonnen, aber wenn wir in diesem Tempo weitermachen und es keine neuen Varianten gibt, ist die Chance groß, dass wir einem neuen Höhepunkt entgehen", erklärte Gonzalo Vecina, Gründer und ehemaliger Präsident der nationalen Gesundheitsüberwachungsbehörde (Anvisa), in dem Bericht.

Die Brasilianer hätten den Schaden, den die Pandemie angerichtet hat, sehr genau gesehen, äußerte Infektiologe Furtado beim CNN – sowohl in Bezug auf Todesfälle und Gesundheit als auch auf die Wirtschaft. Experte Vecina sieht den Grund für die stark gestiegene Impfquote zudem bei der Umsetzung des nationalen Impfplans (PNI). Theater, Museen oder Supermarktplätze wurden unter anderem zu Impfstationen. Auch das Grundvertrauen der Brasilianer in Impfungen aufgrund zahlreicher Tropenkrankheiten könnte seinen Teil zum Erfolg beigetragen haben.

Bolsonaro: Impfung verwandelt Menschen in Krokodile

Dass sich die Impfkampagne in Brasilien so positiv entwickelt hat, ist angesichts der Krisenkommunikation von Präsident Bolsonaro nicht selbstverständlich. Der Regierungschef zweifelte mehrmals öffentlich den Sinn von Impfungen an. Sich anzustecken sei ein effektiverer Schutz, behauptete er. Er selbst hatte sich im Sommer 2020 infiziert.

Dennoch spielte er das Virus herunter: "Ich denke, dass leider fast alle von Ihnen sich eines Tages anstecken werden. Wovor haben Sie Angst?", fragte er damals. Bolsonaro spottete außerdem über die Wissenschaft: Die Impfungen würden die Menschen in Krokodile verwandeln.

Oliver Stuenkel, Professor für Internationale Beziehungen der FGV-Universität in São Paulo, sagte t-online in einem früheren Interview, der brasilianische Präsident habe den Plan gehabt, eine natürliche Durchseuchung, also Herdenimmunität, zu erreichen. Tatsächlich zeigen die Zahlen: Inzwischen haben sich in dem knapp 214-Millionen-Einwohner-Land mehr als 22 Millionen Menschen und damit mehr als zehn Prozent der Bevölkerung mit Corona infiziert.

Mehr als 613.000 Corona-Tote

Die Folge: 613.000 Bürger sind mit oder an dem Virus gestorben. Deshalb hat Brasilien sich nun das Ziel gesetzt, die Quote der Zweitimpfungen auf ein ähnlich hohes Niveau wie das der Erstimpfungen zu bringen. In der Metropole Rio de Janeiro soll ein "D-Day" dabei helfen, wie die "Welt" berichtete. Dabei handle es sich um eine neue Impfkampagne für alle, die noch keine zweite Dosis erhalten haben.

Ungefähr 600.000 Personen haben sich dem Bericht zufolge noch nicht die zweite Impfung abgeholt, darunter 380.000 Minderjährige. "Diesen Samstag werden wir eine große Kampagne machen. Alle Gesundheitsposten werden Aktionen anbieten, um die Jugendlichen zum Kommen zu bewegen", sagte Rios Gesundheitsminister Daniel Soranz demnach.

Karneval – ein entscheidender Wirtschaftsfaktor

Die positive Entwicklung der Corona-Zahlen drängt eine für das Land wichtige Frage auf: Wird der Karneval stattfinden? Pandemiebedingt wurden im vergangenen Jahr alle Feierlichkeiten abgesagt. Auch diesmal handeln offenbar viele Städte mit hoher Vorsicht. Mehr als 50 Gemeinden haben dem Karneval bereits eine Absage erteilt. Die Stadtverwaltungen befürchteten, dass Menschenansammlungen eine neue Erkrankungswelle auslösen könnten, berichteten brasilianische Medien wie das Nachrichtenportal "G1" und die Zeitung "Folha de S. Paulo".

Die Großstadt São Paulo will demnach zum Ende des Jahres entscheiden, ob die Feier im Februar stattfinden wird. In Rio de Janeiro wurden bereits 500 "Blocos" (Straßenpartys) angemeldet. "Jeder hofft, die Kostüme aus dem Schrank holen zu können, einen der Viertelszüge zu genießen, von den Tribünen aus zuzusehen oder einfach nur beim Karneval mitzulaufen", sagte eine Samba-Königin dem ZDF.

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Rat an Deutsche: "Lasst euch impfen"

Für Brasilien ist das Event ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Die Tourismushauptsaison beginnt im Dezember. Hoffen muss das Land allerdings auch, dass sich bis dahin die Situation in Europa erheblich verbessert – sonst reisen ohnehin deutlich weniger Menschen zum Karneval.

Der frühere brasilianische Präsident Luiz Inácio Lula da Silva richtete deshalb einen Appell an die Deutschen: "Lasst euch impfen, das ist notwendig." Wer hätte gedacht, dass das einstige Sorgenkind einmal Ratschläge an Deutschland verteilen würde? Und dennoch: Auch dort ist die Pandemie noch nicht vorbei. Noch immer werden täglich Tausende Neuinfektionen und durchschnittlich 300 Tote gemeldet.

Verwendete Quellen
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