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Corona-Pandemie - RKI: Nicht die Frage ob, sondern wann Delta-Variante kommt


Corona-Pandemie
RKI: Nicht die Frage ob, sondern wann Delta-Variante kommt

Von dpa
Aktualisiert am 18.06.2021Lesedauer: 5 Min.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Chef Lothar Wieler auf der wöchentlichen Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage.Vergrößern des Bildes
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn und RKI-Chef Lothar Wieler auf der wöchentlichen Pressekonferenz zur aktuellen Corona-Lage. (Quelle: Carsten Koall/dpa./dpa)

Berlin (dpa) - Das Robert Koch-Institut (RKI) hat vor dem Verspielen von Erfolgen in der Pandemiebekämpfung gewarnt.

Durch die ansteckendere Delta-Variante, die bisher auf niedrigem Niveau (rund sechs Prozent) in Deutschland kursiere, könne sich das Virus wieder verbreiten, sagte RKI-Präsident Lothar Wieler in Berlin. Es sei nicht die Frage, ob Delta das Infektionsgeschehen in Deutschland dominiere, sondern wann, ergänzte er.

Vor allem durch Impfen, Masketragen in Innenräumen und Abstandhalten könnten wiedergewonnene Freiheiten aber erhalten bleiben. Bei mangelnder Vorsicht könne das Virus jedoch vor allem Ungeimpfte und erst einmal Geimpfte treffen. "Das dürfen wir einfach nicht riskieren", sagte Wieler.

Hälfte der Bundesbürger einmal geimpft

Davon gibt es laut Jens Spahn immer weniger. Dem Bundesgesundheitsminister zufolge hat hat inzwischen jeder zweite Bundesbürger mindestens eine Corona-Impfungen bekommen. Stand heute erhielten 41,5 Millionen Menschen oder 50,1 Prozent der Gesamtbevölkerung eine erste Dosis, wie der CDU-Politiker in Berlin mitteilte. Vollständig mit der meist notwendigen zweiten Spritze geimpft sind demnach 29,6 Prozent der Bevölkerung.

Auch Ärzte sehen die als besonders infektiös geltende Delta-Variante des Coronavirus mit Sorge. Der Vorsitzende des Weltärztebundes, Frank Ulrich Montgomery, warf die Frage auf, ob die aktuellen Corona-Lockerungen nicht zu weit gingen.

Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, Klaus Holetschek (CSU), riet zu "allerhöchster Wachsamkeit". Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sorgt sich vor allem um ungeimpfte Kinder.

Auch Kanzleramtschef Helge Braun mahnt weiter zur Vorsicht. "Die große Aufgabe ist zu verhindern, dass sich die noch ansteckendere Deltavariante schnell in Deutschland ausbreitet. Ausbreiten wird sie sich aber", sagte der CDU-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Wir müssen vorsichtig bleiben, bis alle ein Impfangebot haben. Das gehört zur Fairness gegenüber jenen Menschen dazu, die noch nicht geimpft wurden, weil sie in keiner Priorisierungsgruppe waren und noch keine Gelegenheit zur Impfung hatten", sagte Braun. Von der erreichten Impfquote werde abhängen, ob die Deltavariante oder noch eine andere im Herbst zu einer größeren Ansteckungswelle führen werden.

Negativbeispiel Großbritannien und Lissabon

In Großbritannien breitet sich die in Indien entdeckte Delta-Variante rapide aus und treibt trotz hoher Impfquote die Zahl der Neuinfektionen deutlich in die Höhe. Bereits geplante weitere Lockerungen wurden aufgeschoben. In Deutschland ist diese Virusvariante noch wenig verbreitet, ihr Anteil steigt aber. Er lag laut jüngsten Bericht des Robert Koch-Instituts bei 6,2 Prozent in der Kalenderwoche 22 (31. Mai bis 6. Juni). In der Woche davor waren es noch 3,7 Prozent.

Auch in Lissabon sorgt die Delta-Variante für eine besorgniserregenden Zunahme der Corona-Infektionsfälle. Portugals Hauptstadt wird deshalb für rund zweieinhalb Tage abgeriegelt, sagte Präsidentschaftsministerin Mariana Vieira da Silva. "Es ist nicht leicht, solche Maßnahmen zu ergreifen, aber uns erschienen sie unerlässlich, damit die Lage, die in Lissabon derzeit herrscht, nicht auf das ganze Land übergreift", betonte sie.

Von Nachmittag an (1600 MESZ) bis Montagmorgen (0600 MESZ) dürfen die 2,8 Millionen Bewohner der portugiesischen Hauptstadt den Großraum Lissabon nur aus triftigem Grund verlassen, wie die Regierung am Donnerstag mitteilte. Auswärtige werden nur in Ausnahmefällen einreisen dürfen. Mit 928 neuen Infektionen binnen 24 Stunden verzeichnete Lissabon am Donnerstag den höchsten Wert seit dem 19. Februar. Das waren rund 75 Prozent aller in Portugal registrierten Fälle (1233).

Weltärztebund warnt vor Ausbreitung in Deutschland

Weltärztebund-Chef Montgomery erwartet, dass sich die Delta-Variante in Deutschland noch schneller ausbreiten wird als die bisherigen Modifikationen. "Das Tückische bei dieser Variante ist, dass Infizierte sehr schnell eine sehr hohe Viruslast im Rachen haben und damit andere anstecken können, bevor sie überhaupt merken, dass sie sich infiziert haben", sagte Montgomery den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Er mahnte, im öffentlichen Nahverkehr, in Geschäften und anderen Innenräumen sollten unbedingt weiterhin FFP2-Masken getragen werden. Die Länder sollten prüfen, ob die angekündigten Lockerungen nicht zu weit gingen. "Sie sollten außerdem die politische Größe haben, angekündigte Lockerungen wieder zurückzunehmen, wenn die Infektionszahlen durch die Delta-Variante wieder steigen sollten. So, wie es die britische Regierung jetzt getan hat", betonte der Mediziner.

Montgomery mahnte zudem, nicht den Fehler des vergangenen Sommers zu wiederholen. 2020 habe man den Wiedereintrag des Virus durch Reiserückkehrer unterschätzt, im Herbst folgte eine neue Welle. "Diese Gefahr besteht jetzt wieder, wenn viele noch ungeimpfte Touristen von Partyurlauben in ganz Europa nach Deutschland zurückkehren."

"Wir müssen den Anteil der Delta-Variante an den Neuinfektionen sehr gut beobachten", sagte auch Ute Teichert, die Vorsitzende des Bundesverbands der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes, den Funke-Zeitungen. Die Verbandschefin der Amtsärzte beklagte zudem, dass der Personalaufbau in den Gesundheitsämtern immer noch stockend vorankomme. Bis Ende des Jahres sollen bei den Gesundheitsämtern 1500 neue Stellen für medizinisches Fachpersonal geschaffen werden. Ein Großteil dieser Stellen sei noch nicht besetzt.

"Delta-Virusvariante nicht unterschätzen"

Der bayerische Gesundheitsminister Holetschek mahnte ebenfalls, die Delta-Virusvariante dürfe nicht unterschätzt werden. "Ihr Auftreten und ihr hoher Ansteckungsgrad zeigen uns, dass wir Corona trotz spürbar sinkender Inzidenzwerte noch nicht besiegt haben", sagte Holetschek der "Rheinischen Post". "Wir brauchen weiterhin allerhöchste Wachsamkeit. Vorsicht und Umsicht müssen weiter das Handeln bestimmen", betonte der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz.

Der SPD-Gesundheitsexperte Lauterbach geht davon aus, dass die Delta-Variante in Deutschland im Herbst die dominierende Rolle spielen wird, weil sie so viel ansteckender sei. Er hoffe, dass dies nicht zu einem großen Problem ausgerechnet für die Kinder werde, die nicht geimpft seien, sagte Lauterbach in den ARD-"Tagesthemen". "Die Geimpften werden mit der Delta-Variante keine Probleme haben", betonte der SPD-Politiker. Gegen die eingesetzten Impfstoffe komme diese Virusvariante nicht an.

Die aktuellen RKI-Zahlen

Die Gesundheitsämter in Deutschland haben dem Robert Koch-Institut (RKI) binnen eines Tages 1076 Corona-Neuinfektionen gemeldet. Das geht aus Zahlen vom Freitagmorgen hervor, die den Stand des RKI-Dashboards von 04.52 Uhr wiedergeben, nachträgliche Änderungen oder Ergänzungen des RKI sind möglich. Zum Vergleich: Vor einer Woche hatte der Wert bei 2440 Ansteckungen gelegen. Deutschlandweit wurden nun den Angaben nach binnen 24 Stunden 91 neue Todesfälle verzeichnet. Vor einer Woche waren es 102 Tote gewesen. Die Gesamtzahl der Menschen, die an oder unter Beteiligung einer nachgewiesenen Infektion mit Sars-CoV-2 gestorben sind, wird nun mit 90.270 angegeben.

Die Sieben-Tage-Inzidenz gab das RKI am Freitagmorgen mit bundesweit 10,3 an (Vortag: 11,6; Vorwoche: 18,6). Das Institut zählte seit Beginn der Pandemie 3.720.031 nachgewiesene Infektionen mit Sars-CoV-2. Die tatsächliche Gesamtzahl dürfte aber deutlich höher liegen, da viele Infektionen nicht erkannt werden. Die Zahl der Genesenen gab das RKI mit 3.598 100 an.

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