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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Verhaftungen und Verhöre Polizei in fünf Staaten jagt die 15-Millionen-Maskenbetrüger
Das Land Nordrhein-Westfalen suchte dringend benötigte Atemschutzmasken – Kriminelle wollten es um Millionen Euro bringen. Spuren führen von den Niederlanden bis nach Nigeria.
Nach dem Auffliegen eines versuchten Millionenbetrugs mit Atemschutzmasken hat die Polizei in den Niederlanden zwei Verdächtige verhaftet, ein weiterer Mann ist in Irland von der Polizei befragt worden. Die Männer werden alle in Verbindung mit dem spektakulären Coup gebracht, der vergangene Woche aufflog: Das Land Nordrhein-Westfalen hatte dringend benötigte Masken kaufen wollen. Ein beauftragter Vertragspartner war dabei Onlinebetrügern aufgesessen, die ihm nicht existente Masken im Wert von 15 Millionen Euro verkaufen wollten. Ein Teil des Geldes war bereits überwiesen, als das Unternehmen Verdacht schöpfte.
Bankkonten, Telefone und Dokumente
Der Betrug flog auf, die Polizei konnte die Vorabzahlung in Höhe von rund 2,4 Millionen Euro sicherstellen – obwohl das Geld zum Teil bereits auf einem Bankkonto in Nigeria gelandet war. Unklar war bis jetzt, ob die Ermittler auch Verdächtige dingfest machen konnten.
Nun wird bekannt: Bereits einen Tag bevor die federführende Staatsanwaltschaft im bayerischen Traunstein mit den Ermittlungserfolgen an die Presse ging, nahm die niederländische Polizei zwei Männer in Gewahrsam, beschlagnahmte Bankkonten, Telefone, elektronische Geräte und weitere Dokumente. Wenig später wurde Untersuchungshaft angeordnet. Das sagte Adriaan Ros, ein Sprecher der niederländischen Finanzermittler, t-online.de. Bereits am Mittwoch soll Anklage erhoben werden.
Vorwürfe: Betrug, Fälschung, Geldwäsche
Demnach handelt es sich bei den Verdächtigen um einen 51-Jährigen aus Oldenzaal und einen 61-Jährigen aus Amersfoort. Beide gaben sich den Angaben zufolge als Lieferanten der Schutzausrüstung aus. Ein Teilbetrag der geleisteten Vorabzahlung landete auf ihrem Konto, von dort sollten Einzelbeträge auf weitere Konten umverteilt werden – innerhalb der Niederlande, aber auch ins Ausland. Ihnen wird deswegen Betrug, Fälschung und Geldwäsche vorgeworfen.
Die Staatsanwaltschaft Traunstein wollte sich zu den neuen Erkenntnissen nicht äußern. Die unklare Informationslage resultiert aus dem grenzüberschreitenden Vorgehen der mutmaßlichen Täter, die mithilfe gefälschter Webseiten in Spanien und den Niederlanden sowie Bankkonten in mehreren europäischen Ländern und Nigeria ihre Spuren zu verwischen versuchten. Um ihnen auf die Schliche zu kommen, arbeiten die deutschen Ermittler mit Polizei- und Finanzbehörden nicht nur in den Niederlanden, sondern auch in Irland, Spanien und Großbritannien zusammen.
Der Konvoi ohne Ware
So sind allerdings auch für die Öffentlichkeitsarbeit zahlreiche unterschiedliche Behörden zuständig. Erst nach und nach ergibt sich deswegen ein vollständiges Bild des Geschehens: Nachdem der Auftragnehmer des Landes NRW im März über die gefälschten Webseiten an die mutmaßlichen Betrüger geraten und die Vorabzahlungen geleistet hatte, blieb Ende März die Lieferung der Masken aus. Vertreter des Unternehmens warteten in Amsterdam vergeblich mitsamt ihrer 52 Lkws. Eigentlich hatte der Konvoi ab der deutsch-holländischen Grenze sogar mit Polizeieskorte weiterfahren sollen.
Als die Masken nicht eintrafen und der angebliche Zwischenhändler in den Niederlanden noch nicht einmal etwas von der Bestellung zu wissen schien, informierte der Auftragnehmer des Landes seine Bank über den Betrug und schaltete schließlich die Polizei ein. Die Jagd nach den Tätern über die staatlichen Grenzen hinweg begann. Das Geld konnte sichergestellt werden, die beiden Verdächtigen in den Niederlanden wurden verhaftet. Damit endeten die Ermittlungen aber nicht.
Weitere Verhaftungen wahrscheinlich
Auch in Irland folgte das Betrugsdezernat der Nationalpolizei den Spuren der Zahlungen: In der Grafschaft Roscommon befragte die Polizei am Freitag einen Iren und beschlagnahmte Dokumente und elektronische Geräte. Zuvor hatten sie das beteiligte Unternehmen identifiziert, an das 1,5 Millionen Euro der insgesamt 2,4 Millionen bereits überwiesenen Vorauszahlung floss. Der Verdacht: Geldwäsche.
"Wir arbeiten daran, zu ermitteln, warum dieses Geld auf dem Bankkonto einging, wo es herkam und was die Person über den ganzen Betrug wusste", sagte Hauptkommissar Pat Lordan dem öffentlich-rechtlichen Sender RTE zu der Befragung. Mit weiteren Verhaftungen im Zuge der internationalen Ermittlungen sei zu rechnen. Auch die niederländischen Ermittler schlossen auf Anfrage von t-online.de weitere Festnahmen nicht aus. Laut Europol wird weiterhin europaweit ermittelt. Nordrhein-Westfalen ist laut Angaben des Gesundheitsministeriums kein finanzieller Schaden entstanden.
Update, 16.56 Uhr: In einer früheren Version des Artikels hieß es, die niederländische Nationalpolizei habe Fragen von t-online.de nicht beantwortet. Europol hatte für Anfragen zuvor an die niederländischen Kollegen verwiesen, die sich aber nicht zuständig sahen. Nach Veröffentlichung des Artikels verwies die niederländische Nationalpolizei schließlich an den FIOD Belastingdienst, dessen Sprecher die Fragen beantwortete.
- Eigene Recherchen
- Staatsanwaltschaft Traunstein: Pressemitteilung vom 7.4.2020
- Europol: Pressemitteilung vom 14. April 2020 (engl.)
- An Garda Siochana: Pressemittelung vom 14. April 2020 (engl.)
- RTE: "Irish man questioned over €15m international Covid-19 scam" (engl.)
- FIOD: Pressemitteilung vom 6. April (niederl.)