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Coronavirus-Presseschau – Tschechien: "Wir werden auf uns selbst gestellt sein"


Pressestimmen zum Coronavirus
"Die Pandemie ist bereits da"

Von dpa, job

Aktualisiert am 27.02.2020Lesedauer: 3 Min.
Ein Soldat kontrolliert an einer Straßensperre am Rand des abgesperrten Ortes Turano Lodigiano einen Autofahrer: Die internationale Presse zeigt sich angesichts der rasanten Ausbreitung des Coronavirus besorgt.Vergrößern des Bildes
Ein Soldat kontrolliert an einer Straßensperre am Rand des abgesperrten Ortes Turano Lodigiano einen Autofahrer: Die internationale Presse zeigt sich angesichts der rasanten Ausbreitung des Coronavirus besorgt. (Quelle: Claudio Furlan/LaPresse via ZUMA Press/dpa)
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Zu viel Panik, zu wenig – oder gerade genug? Der Umgang mit dem Coronavirus ist in vielen Medien Thema. Die Meinungen gehen stark auseinander. Ein Überblick.

Die konservative Zeitung "Lidové noviny" aus Tschechien meint:

"Es muss klar und einfach gesagt werden: Alles entwickelt sich schlechter, als es Experten und Laien erwartet hatten. Sollte tatsächlich eine Epidemie ausbrechen, wird für die meisten von uns kein Bett im Krankenhaus übrig bleiben. Nicht zuletzt wird ein Teil der Betten benötigt, um auch weiter Blinddarmentzündungen, geplatzte Hauptschlagadern oder schwere bakterielle Lungenentzündungen zu behandeln. Wir werden daher auf uns selbst gestellt sein, auf unsere eigene Immunität, auf Schmerztabletten, Tee mit Honig und Zitrone und die Pflege durch unsere Nächsten. Der Autor dieser Zeilen ist weder ein Arzt noch ein Wahrsager, weder ein Virologe noch ein Epidemiologe. Er kommt nur anhand der verfügbaren Fakten zu dem Schluss, dass die Möglichkeit einer Epidemie auch hierzulande real gegeben ist."

Die italienische Zeitung "La Repubblica" schreibt:

"Bringt die Politik das Virus unter Kontrolle oder infiziert das Virus die Politik? Der Unterschied zwischen Alarm und Psychose liegt genau hier, im Regierungshandeln, das die Ängste des Landes aufnehmen muss, das sowohl mit Kontrollen als auch wissenschaftlich untermauerten Sicherheiten reagieren soll, sodass es den Bürgern möglich ist, sich geschützt und über das Ausmaß der Infektion und über die Maßnahmen zur Eindämmung informiert zu fühlen.

In diesem Sinne stehen wir vor einem Systemtest. In Wirklichkeit betrifft diese Herausforderung alle, weil es ein Test für die Politik ist. Ein Großteil der Diskreditierung, unter der sie leidet, beruht auf der Unfähigkeit, den Einzelnen vor neuen universellen Notfällen (Masseneinwanderung, Verlust von Arbeitsplätzen, dem internationalen Terrorismus, Entwurzelung, Robotisierung) zu schützen, die gerade aufgrund ihrer globalen Merkmale die traditionelle Dimension der Politik bedrohen, die nur bis zu den Grenzen eines einzigen Landes Geltung hat, während sich der Bürger alleingelassen sieht in den Untiefen des Nationalstaats, mit dem Gefühl, nichts mehr zu kontrollieren und alles zu erleiden. Was könnte da globaler sein als das Coronavirus?"

Die Pariser Tageszeitung "Le Monde" beleuchtet die Rolle der Journalisten:

"Die Medien dürfen nicht in Sensationsgier verfallen. Sie müssen Gerüchte bekämpfen, die vor allem in den Onlinenetzwerken blühen. Ob es sich um kollektive Psychosen wegen eingebildeter Fälle handelt oder um Heilmittel, die genauso volkstümlich wie unwirksam sind, oder auch um völlig übertriebenes Verhalten zum Schutz vor dem Virus: Falschnachrichten blühen und stören die Umsetzung wirksamer Maßnahmen. Das umso mehr, als viele Menschen den öffentlichen Äußerungen misstrauen."

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Die linke französische Tageszeitung "Libération" kommentiert:

"Die Pandemie ist bereits da. Die Coronavirus-Pandemie? Noch nicht, laut WHO. Nein, die Pandemie der falschen Nachrichten. Seit dem Ausbruch des Übels in China haben die sozialen Netzwerke eine große Anzahl von Fake News verbreitet. Paranoia, Verschwörungstheorien, verrückte Vermutungen: Das Phänomen ist politisch. Es ist das fortwährende Misstrauen gegenüber demokratischen Autoritäten, das vor dem Hintergrund der Ablehnung der Eliten, des Misstrauens gegenüber dem Wissen und der Diskreditierung der politischen Führer grassiert. Es ist eine Diktatur wie China, der man die Schuld geben muss. Es ist eine Lehre, die sich schon lang gezeigt hat: Offene Gesellschaften sind sicherer als autoritäre Regime."

"Frankfurter Allgemeine Zeitung" zur Angst vor dem Coronavirus:

"Die offiziellen Stellen setzen voll auf Deeskalation. Das hat etwas von organisierter emotionaler Hygiene. Von einer echten Pandemie will offiziell keiner etwas wissen, weil man Auswirkungen auf die Weltwirtschaft, Irrationalität und sogar Unruhen befürchtet. Tatsächlich mag Deutschland vorbereitet sein. In den Kliniken gibt es ausreichend Tests, in Kürze werden noch schnellere Antikörpertests verfügbar werden, auch die Zahl der Betten für schwer Lungenkranke dürfte ausreichen, wenn die Panik beherrschbar und die Ausbreitung der Seuche im Rahmen bleibt. Aber wer will sich da sicher sein? Die Lage an der Seuchenfront ist derzeit so volatil, (...) Lobeshymnen jedenfalls sind angesichts der aktuellen Entwicklung und Ängste verfrüht."

t-online.de-Chefredakteur Florian Harms schreibt im Tagesanbruch:

"Im Tagesanbruch gehen wir oft mit Politikern hart ins Gericht. Es ist also nur fair, auch mal zu loben, wenn einer seine Sache gut macht. 'Wir befinden uns am Beginn einer Corona-Epidemie in Deutschland', stellte Gesundheitsminister Jens Spahn gestern fest, 'die Infektionsketten sind teilweise – und das ist die neue Qualität – nicht nachzuvollziehen.' Wir können nicht mehr identifizieren, woher jede einzelne Ansteckung kommt. Von irgendwoher kann es sein, und längst nicht mehr nur aus China. Die Krankheit ist bei uns angekommen. Es ist wichtig, das klar auszusprechen, solang die Welt – zumindest hierzulande – noch fest in den Angeln hängt. Das gibt uns Zeit, über Vorkehrungen nachzudenken. Noch sind nur wenige Menschen erkrankt, zum Glück. Aber es werden bald mehr werden, und wir müssen damit zurechtkommen. Verhindern ist vorbei."

Verwendete Quellen
  • Mit Material der Nachrichtenagentur dpa
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