Models in Unterwäsche Scheuers Fahrradhelm-Kampagne stößt auf Kritik
Gemeinsam mit einer "Germany's Next Topmodel"-Kandidatin will Verkehrsminister Andreas Scheuer dafür werben, dass mehr Radler einen Helm tragen. Im Netz erntet die PR-Aktion ziemlich viel Spott.
Helme retten Leben – mit Models in Unterwäsche? Eines hat Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit einer neuen Kampagne schon mal erreicht: Aufmerksamkeit. Bereits der Titel irritiert manchen: "Looks like shit. But saves my life" – auf deutsch: "Sieht Scheiße aus – aber rettet Leben." Zu sehen sind auf Plakaten und in Videos Fotomodelle, die leicht bekleidet einen Fahrradhelm tragen. Scheuer hat die PR-Maschine angeworfen.
Vor allem junge Menschen sollen motiviert werden, einen Fahrradhelm zu tragen, damit Radfahren sicherer wird, wie das Ministerium mitteilte. Ein Gesicht der Kampagne: "Germany's Next Topmodel"-Kandidatin Alicija.
"Helme retten Leben!"
Dazu stellt das Ministerium via Twitter ein Video ins Netz, der Minister lässt sich mit lockeren Sprüchen zitieren. "Mehr als die Hälfte der jungen Radfahrerinnen und Radfahrer sagen von sich selbst, dass sie nie oder nur selten einen Helm tragen. Und warum nicht? Weil es angeblich nicht cool aussieht." Und weiter: "Der Spruch entspricht vielleicht nicht so ganz dem üblichen Behördendeutsch. Er bringt die Botschaft aber ziemlich genau auf den Punkt: Helme retten Leben!".
Repräsentative Beobachtungen des Verkehrs im vergangenen Jahr hätten ergeben, dass von Radfahrenden zwischen 17 und 30 Jahren lediglich 8 Prozent einen Helm getragen hätten. Das sei die geringste Quote aller beobachteten Altersgruppen, belegten Zahlen der Bundesanstalt für Straßenwesen.
Eigenes Leben schützen
Ein Helm gelte als "unpraktisch, unbequem und unästhetisch", so das Ministerium – und will das Image ändern. Ein "Starfotograf" habe die Fotos geschossen – immerhin sind die Models noch bekleidet, bei "Germany's Next Topmodel" hatte es erst kürzlich ein "Nacktshooting" gegeben.
"Es geht darum, Aufmerksamkeit zu wecken", sagt Scheuer laut der Mitteilung seines Ministeriums. Und der Präsident des Deutschen Verkehrssicherheitsrats, Walter Eichendorf, erklärt: "Es gibt nichts Wichtigeres, als die Gesundheit und das eigene Leben zu schützen."
"Find ich sehr strittig"
Denn das Thema ist ernst: Im vergangenen Jahr waren auf deutschen Straßen nach zwei Jahren Rückgang wieder mehr Menschen bei Unfällen ums Leben gekommen – der Anstieg geht vor allem auf eine Zunahme bei getöteten Fahrrad- und Motorradfahrern zurück.
Im Netz löste Scheuers Kampagne am Freitag jede Menge ironischer Anmerkungen aus – neben Verständnis gab es auch viel Kritik. Ein Nutzer schrieb auf Twitter: "Die FahrradHelm Kampagne, vom Verkehrsministerium, ist richtig. Aber Frauen in Dessous, auf'm Rad? Find ich sehr strittig & hat was von den Kalender'n, in Werkstätten... (...)."
"Peinliche Helmpropaganda"
Andere forderten das Ministerium auf, sich um mehr Sicherheit auf den Straßen zu kümmern, "statt peinliche #Helmpropaganda- und #victimblaming-Kampagnen zu starten!", also den Opfern die Schuld für Unfälle zu geben. Auch von "Sexismus" war die Rede. Auf den Fotos zu der Aktion, die auf der Seite runtervomgas.de gezeigt werden, sind leicht bekleidete junge Menschen zu sehen, in erster Linie junge Frauen. Aber auch ein Mann trägt Helm und präsentiert seinen nackten Waschbrettbauch. Eine Frau räkelt sich an einer Sofakante und ein Paar liegt auf einem Bett – mit Helm auf dem Kopf. Kommentar einer Nutzerin auf Twitter: "Ich hab's ja erst für Satire gehalten, aber jetzt bin ich ziemlich fassungslos! Was soll das, @BMVI?"
Und Marion Jungbluth, Verkehrsexpertin beim Verbraucherzentrale Bundesverband twitterte: "Ich zieh sofort einen Helm an, wenn sich auch @AndiScheuer einen aufzieht und sich damit in der Unterbuxe abbilden lässt."
Auch Kritik von der SPD
Auch die SPD kritisierte die neue Kampagne für Fahrradhelme scharf. Zwar spreche die Kampagne das richtige Thema an, sagte Fraktionsvize Katja Mast der "Passauer Neuen Presse" vom Samstag. Allerdings sei die Umsetzung mit helmtragenden Models in Unterwäsche "peinlich, altbacken und sexistisch", fuhr sie fort. "Halbnackte Frauen und Männer sollten nicht mit Steuergeldern auf Plakate gebannt werden."
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Auch Josephine Ortleb, frauenpolitische Sprecherin der SPD, sagte der Zeitung, die Bundesregierung benötige dringend eine Gleichstellungskampagne. Es brauche "weder Frauen als Objekte, nackte Haut noch Sexismus, um junge Menschen auf Sicherheit im Radverkehr aufmerksam zu machen".
- Nachrichtenagentur dpa