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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Hilfsorganisationen in der Krise "Das ist ein verheerendes Zeichen"
Auf der Welt gibt es viele humanitäre Krisen – und es werden immer mehr. Für Hilfsorganisationen ist das eine Herausforderung.
Egal ob es die Kriege in der Ukraine, dem Jemen, in Gaza oder im Sudan sind – für Zivilistinnen und Zivilisten vor Ort bedeuten sie eine Notlage. Doch neben den bewaffneten Konflikten gibt es noch weitere Krisen, die nur selten eine Erwähnung in den großen westlichen Medien finden. In Syrien sind immer noch 13,4 Millionen Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen. In Myanmar leiden die Einwohnerinnen und Einwohner des Landes unter Naturkatastrophen und dem fortwährenden Konflikt zwischen Militärjunta und Rebellengruppen. Viele von ihnen flüchten ins benachbarte Bangladesch – ein armes Land, das selbst immer wieder von heftigen Überschwemmungen geplagt wird.
Für die humanitären Hilfsorganisationen bedeutet diese hohe Zahl an Krisen auf der ganzen Welt vor allem eins: Sie müssen priorisieren, in welchen Regionen sie Hilfe leisten und welche Projekte sie unterstützen.
Finanzierung kann Bedarf nicht decken
Die weltweiten Bedarfe an humanitärer Hilfe seien weit davon entfernt, mit den derzeit vorhandenen Mitteln gedeckt werden zu können, erklärt Stefan Brand von der Hilfsorganisation Care Deutschland im Gespräch mit t-online. Insbesondere in den vergangenen Jahren seien immer mehr Menschen auf humanitäre Hilfe angewiesen – die zur Verfügung stehenden Mittel würden dafür nicht ausreichen. "Die Schere zwischen Bedarf und Finanzierung ist immer weiter aufgegangen", sagt Brand.
Vor ein anderes Problem stellt die Klimakrise die Hilfsorganisationen. Dessen Einfluss auf humanitäre Krisen weltweit werde sich "in den kommenden Jahren voraussichtlich noch massiv verstärken", führt Brand weiter aus.
Kriegsparteien ignorieren Völkerrecht
Aber auch in den bereits existierenden Krisen ist es für die Hilfsorganisationen immer schwieriger, effektiv Hilfe zu leisten. Insbesondere in Kriegen und Konflikten könne man sich nicht darauf verlassen, dass alle Parteien das Völkerrecht respektierten. "Wenn humanitäres Personal gezielt angegriffen wird, müssen wir uns zurückziehen", sagt Brand.
Dazu käme an vielen Orten ein sogenannter "shrinking space". Das bedeutet, dass Regierungen oder lokale Machthaber den Raum begrenzen, in dem humanitäre Hilfsorganisationen ungestört arbeiten können. Sobald das passiert, stellen viele Hilfsorganisationen ihre Arbeit ein. "Denn humanitäre Arbeit muss immer rein am Bedarf orientiert, neutral, unparteilich und unabhängig geleistet werden", erklärt Brand.
DRK: "Werden stärker priorisieren müssen"
Auch Christof Johnen, Leiter des Bereichs Internationale Zusammenarbeit beim Deutschen Roten Kreuz (DRK), bemerkt, dass die Arbeit der Hilfsorganisation immer schwieriger wird. "Wir werden künftig noch stärker priorisieren müssen, um die dringlichsten humanitären Bedarfe decken zu können", erklärt er im Gespräch mit "Table.Media". Das habe vor allem damit zu tun, dass Nachbeschaffungen von dringend benötigten Hilfsmaterialien wie Zelten immer länger dauert. Denn nur wenige Hersteller stellten die speziellen Hilfsgüter her, die Hilfsorganisationen wie Care oder das DRK benötigen. "Wenn man plötzlich bestimmte Hilfsgüter in sehr großer Anzahl benötigt, dann stoßen wir an Grenzen", erklärt Johnen weiter.
Ein weiteres Problem ist laut Johnen, dass Arbeitgeber ihr Personal nicht mehr so leichtfertig zum Einsatz in ausländischen Krisenregionen freigeben. Vor Jahren sei es noch wesentlich einfacher gewesen, Leute aus Krankenhäusern freistellen zu lassen, sagt Johnen zu "Table.Media". "Heute sagen viele Arbeitgeber: Das geht nicht, dann bricht uns alles zusammen."
Ein wichtiger Aspekt bei der Planung humanitärer Arbeit ist das Geld, mit dem die deutsche Bundesregierung Hilfsorganisationen unter die Arme greift. Derzeit ist Deutschland der zweitgrößte Geber, wenn es um die humanitäre Hilfe geht – allerdings will die Ampelregierung die Mittel um fast eine halbe Milliarde Euro zurückfahren. "Dass Deutschland seine Hilfen zurückfährt, sendet ein fatales Zeichen", sagt Stefan Brand von Care Deutschland t-online. "Denn jeder Cent weniger für humanitäre Hilfe im Jahr 2024 ist verheerend für die von Naturkatastrophen, bewaffneten Konflikten und Hunger betroffenen Menschen weltweit."
- Schriftliche Anfrage bei Care Deutschland
- table.media: "Deutsches Rotes Kreuz schlägt Alarm: 'Werden noch stärker priorisieren müssen'" (kostenpflichtig)