Ende einer Epoche Zukunftsforscher: Dauerkrise könnte 20 Jahre anhalten
Die Zeit, in der wir leben, ist mit Krisen behaftet: Dem Zukunftsforscher Matthias Horx zufolge könnte dies auch noch 20 Jahre so bleiben.
Trend- und Zukunftsforscher Matthias Horx nennt die "ineinander verzahnten Krisen der Gegenwart" eine "Omnikrise". "Solche Omnikrisen sind typisch für einen Epochenübergang", sagte der 68 Jahre alte Publizist im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in Mainz. "Alle 50 bis 100 Jahre kommt es zu einem Zerfall des "alten Normalzustands" und dem Beginn von etwas Neuem, was zunächst noch unsicher erscheint." Eine solche Periode der Verunsicherung könne "10 oder sogar 20 Jahre dauern". Je mehr sich die Gesellschaft aber an Lösungen beteilige, desto schneller gehe diese Zeit vorbei.
Horx hat lange am Zukunftsinstitut im hessischen Kelkheim gearbeitet. Gemeinsam mit anderen Forschern gründete er im vergangenen Oktober den Thinktank The Future Project in Frankfurt am Main, der sich vor allem mit Transformationsprozessen befasst.
Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat die Gesellschaft nach Einschätzung von Horx "aus einer jahrzehntelangen Illusion aufgeweckt: Dass die Welt immer friedlicher und integrierter wird". Er spricht vom "Schock der Zeitenwende". "Wir sehen, dass die Globalisierung nicht so funktioniert, wie wir glaubten." Solche Schocks könnten aber auch heilsam sein. "Sie machen uns klar, wofür es sich zu kämpfen lohnt, für welche Werte wir eintreten sollten." Es gehe letztlich um das Entstehen einer neuen Weltordnung.
Demokratien weltweit in der Krise
Zur "Omnikrise" gehöre auch eine Krise der Demokratien weltweit. "Die Autokratien scheinen überall zu übernehmen", sagte Horx. Aber jeder Trend erzeuge auch einen Gegentrend. "Es ist notwendig, dass die Zivilgesellschaft Antworten auf den bösartigen Populismus findet und neue Formen von Bewegungen und Parteien die Demokratie reformieren können."
Am Beispiel Europa könne man auch sehen, "dass Krisenzeiten erstaunliche Einigkeiten erzeugen können". Europa hat sich nach Einschätzung von Horx "in den Turbulenzen von Corona und Ukraine" durchaus bewährt. Trotz "so einer Art Anti-Europa-Jammer-Gewohnheit" werde vielen Menschen allmählich klar, "wie sehr wir Europa als Kontinent brauchen, in einer turbulenten Welt umso mehr".
Der Streit der Ampelfraktionen in der Bundesregierung erzähle von den gewaltigen Schwierigkeiten, im Zeitalter des medialen Populismus überhaupt noch vernünftige Politik zu machen, sagte Horx. "Streit ist eine Art und Weise, Konflikte durch Kompromiss zu moderieren." Dies werde in jeder Familie so gemacht und habe sich "sehr bewährt".
"Auf diesem Chaosgefühl wuchert Autoritarismus"
In der "medialen Über-Erregungsgesellschaft" werde aber eher "Krach" inszeniert und jede Lücke von der Opposition genutzt, um Instabilität zu erzeugen. "Auf diesem Chaosgefühl wuchert Autoritarismus, der immer einfache Lösungen anbietet, die er aber eben nicht hat." Horx ist überzeugt: "Der Autoritarismus wird immer häufiger an sich selbst scheitern." Und er hält es für "sehr wahrscheinlich", dass Donald Trump 2024 scheitert.
Beim Wandel der Arbeitswelt sieht Horx ein allmähliches Ende des industriellen Modells mit seinen starren Normen. Dieser Wandel werde eher von den Jüngeren vorangetrieben. Immer mehr Menschen suchten nach mehr Flexibilität in ihrer Work-Life-Konstellation. "In 20 Jahren sind Norm-Arbeitsverträge wahrscheinlich in der Minderheit."
Die Abwendung von Kohle, Öl und Gas kann die Länder der Welt nach Auffassung von Horx zu einem "gemeinsamen Menschheitsprojekt zusammenbringen". Die Solarenergie erblühe weltweit, immer mehr Länder verpflichteten sich ernsthaft auf Klimaziele, immer neue Techniken der Dekarbonisierung (Reduzierung von Kohlendioxidemissionen) würden entwickelt. "Die größte Gefahr sehe ich darin, dass die Stimmung ins Apokalyptische kippt."
- Nachrichtenagentur dpa