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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Rauchkatastrophe in den USA "Die Sonne ist nicht mehr zu sehen"
Die dramatischen Waldbrände in Kanada verpesten jetzt sogar die Luft an der US-Ostküste. Der rote Smog ist so schlimm, dass Menschen nicht mehr vor die Tür gehen sollen.
Bastian Brauns berichtet aus Washington.
Wer am Mittwochmorgen in weiten Teilen der USA aufwachte, etwa in New York oder Washington, konnte den Eindruck gewinnen, irgendwo sei Toast angebrannt oder jemand habe ein Lagerfeuer entfacht. Und noch immer: Holziger Rauchgeruch liegt in der Luft, der Himmel ist diesig, die Sonne gefangen hinter einem gelblichen Schleier. Das Kapitol und das Monument auf der National Mall sind nur undeutlich zu erkennen. Aus Binghampton, nahe New York, twitterte der nationale Wetterdienst der USA: "Die Sonne ist nicht mehr zu sehen, alles ist orange."
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Die Wetter-Apps auf den Smartphones warnen mit "Air Quality Alert" vor gesundheitsgefährdender Luftqualität. Die Behörden empfehlen, jegliche Aktivitäten möglichst nach drinnen zu verlagern und die Fenster geschlossen zu halten. Wer sich 24 Stunden lang etwa einer Luftqualität von 190 AQI (Air Quality Index) aussetzt, soll seine Gesundheit wissenschaftlichen Studien zufolge so schädigen, als hätte er sechs Zigaretten geraucht. Und in den kommenden Tagen wird es nach offiziellen Angaben noch schlimmer.
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Die aktuellen Bilder aus New York, Philadelphia und Washington erinnern an die schlimmsten Tage in Peking, wo die Luftqualität oft besonders schlecht ist. Nahezu an der kompletten Ostküste der Vereinigten Staaten leiden die Menschen unter massivem Smog, der den Himmel gelbrot-diesig erscheinen lässt. Die Bilder aus den Städten wirken zum Teil wie Fotos vom Mars oder aus einem dystopischen Endzeitfilm.
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Dramatische Waldbrände in Kanada
Der Grund dafür liegt mehr als tausend Kilometer entfernt im Nachbarland Kanada. Dort wüten nunmehr seit Wochen großflächige Waldbrände. Unzählige Rauchsäulen steigen in die Atmosphäre und verbreiten sich mit den Winden fast über den gesamten nordamerikanischen Kontinent.
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In den USA sind bereits Bundesstaaten an der Ostküste bis nach South Carolina betroffen. Besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen wie kleine Kinder, ältere Menschen oder Menschen mit Lungen- und Herzerkrankungen sollten sich vorerst nicht draußen aufhalten. Aber auch an der Westküste, in Kalifornien und im mittleren Westen, sind die Folgen der kanadischen Brände zu riechen und zu sehen.
Laut der Webseite IQAir, betrieben von einem Schweizer Unternehmen für Luftqualitätstechnologie, liegt die Luftqualität im kanadischen Toronto und in New York derzeit sogar auf Platz drei und vier der dreckigsten Städte weltweit. Auf Platz eins und zwei liegen Delhi in Indien und Dhaka in Bangladesch.
Die Lage ist außer Kontrolle
200 Waldbrände wüten derzeit in Kanada. Allein im Mai sollen in Kanada mehr als 2,7 Millionen Hektar Wald abgebrannt sein. Das entspricht einer Fläche von rund 3,8 Millionen Fußballfeldern. "Dass solche Bedingungen so früh in dieser Jahreszeit vorherrschen, ist beispiellos und das ist für alle Kanadier zutiefst besorgniserregend", sagte Bill Blair, Kanadas Minister für Notfallvorsorge, laut dem kanadischen Fernsehsender CBC.
Zum Teil sollen Blitzeinschläge der Auslöser sein. Die Ursache liegt jedoch in dem für diese Jahreszeit ungewöhnlichen, bereits sehr trockenen und warmen Wetter. Das Ausmaß der Brände wird vielfach als "nie dagewesen" beschrieben. Der voranschreitende Klimawandel könnte die Katastrophe begünstigt haben.
Lucky Tran, Kommunikationsdirektor am Irving Medical Center der Columbia University schrieb dazu auf Twitter: "So sah heute der Sonnenaufgang über New York aus, weil Waldbrandrauch aus Kanada herüberweht. Die Luftqualität ist ungesund und übersteigt mehr als das Zehnfache der von der WHO empfohlenen Richtwerte. Das ist die Realität der Klimakrise."
Weil die Brände so massiv sind, kommt die Feuerwehr nach Angaben der kanadischen Waldbrandschutzbehörde selbst mit Löschflugzeugen nicht mehr hinterher. Mehr als die Hälfte aller Waldbrände sind demnach außer Kontrolle geraten. Feuerwehrleute aus anderen Provinzen und Territorien können nicht unterstützen, weil dort, wie etwa in Alberta, ebenfalls Brände wüten.
In den vergangenen Tagen sind darum Hunderte Feuerwehrleute von internationalen Löschtrupps unter anderem aus den USA, aus Frankreich und sogar aus Südafrika in Kanada zur Hilfe eingetroffen.
- Eigene Recherchen und Beobachtungen
- cwfis.cfs.nrcan.gc.ca/interactive-map: Canadian Wildland Fire Information System (englisch)
- jasminedevv.github.io/AQI2cigarettes: AQI to Cigarettes Calculator (englisch)
- berkeleyearth.org: Air Pollution and Cigarette Equivalence (englisch)
- cbc.ca: Number and severity of wildfires grows, but Blair says federal aid isn't stretched thin (englisch)
- iqair.com: Air quality and pollution city ranking (englisch)