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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Bergarbeiterdrama erschüttert die Welt "Wir räuchern sie aus. Kriminellen hilft man nicht"
In Südafrika läuft eine Rettungsaktion, die zu einem politischen Skandal werden könnte. Hilfsorganisationen sprechen von einem "Massaker".
In einer langen Reihe liegen eingewickelte und fest verschnürte Leichen nebeneinander. Kranke und ausgehungerte Männer blicken in die Kamera, ihre Körper sind bis auf die Knochen abgemagert. "Bitte helft uns", flehen die Lebenden. "Bringt uns Essen oder holt uns hier heraus."
Es sind erschütternde Bilder aus zwei Kilometern Tiefe. Sie zeigen illegale Goldschürfer, die seit Monaten in einer stillgelegten Mine in Südafrika ausharren. Berichten zufolge essen die Lebenden die Toten, während sich Verwesungsgestank ausbreitet. So groß ist der Hunger.
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Die Toten hängen an Haken, die Lebenden kommen im Käfig
Seit Montag läuft eine Rettungsaktion in der Stadt Stilfontein, etwa 140 Kilometer südwestlich von Johannesburg gelegen. Nach bisherigen Planungen wird sie rund zweieinhalb Wochen dauern, aber ob diese Schätzung stimmt, ist ungewiss. Niemand kann genau sagen, wie viele Menschen noch in der Mine sind. Es könnten einige Hundert sein oder aber auch deutlich mehr als 1.000.
Bisher wurden Medienberichten zufolge etwa 80 Leichen und 170 lebende Bergleute aus der Tiefe gehievt. Die Toten würden an Haken hängen, die Lebenden kämen in einem Käfig nach oben, berichtete ein Menschenrechtsanwalt vor Ort. Doch anders als bei anderen Bergarbeiterrettungen wird nicht jeder einzelne Kumpel gefeiert, der es an die Oberfläche schafft. Im Gegenteil: In den sozialen Medien äußern viele Menschen Hass, Hohn und Verachtung gegenüber den Goldschürfern.
"Wir räuchern sie aus. Kriminellen hilft man nicht"
Und auch die Regierung wollte die Rettungsaktion eigentlich gar nicht. Erst ein Urteil des High Courts of South Africa am vergangenen Freitag zwang sie dazu. Zuvor hatte sich die politische Führung Südafrikas auf den Standpunkt gestellt, die illegalen Minenarbeiter seien freiwillig in die Tiefe hinabgestiegen, jetzt sollten sie auch wieder allein herauskommen. "Wir räuchern sie aus", hatte Ministerin Khumbudzo Ntshavheni im November in harschen Worten formuliert. "Kriminellen hilft man nicht. Kriminelle verfolgt man."
Die illegalen Bergleute sind vor Ort als "Zama Zamas" bekannt, was übersetzt in etwa "die, die das Risiko suchen" bedeutet. Viele von ihnen stammen aus armen Nachbarländern. Es sind Einwanderer, die jede Gefahr in Kauf nehmen, um sich und ihre Familien zu ernähren.
Die "Zama Zamas" holen, was die Konzerne übrigließen
Im an Bodenschätzen reichen Südafrika stellt der illegale Bergbau ein großes Problem dar. Zu Tausenden suchen die "Zama Zamas" ihr Glück in verlassenen Minen, die so weit ausgebeutet sind, dass sich für die großen Bergbaukonzerne eine weitere kommerzielle Förderung nicht mehr lohnt. Die Mine in Stilfontein etwa enthält aber noch so viel Gold, dass die illegalen Schürfer bereit sind, dort unter lebensgefährlichen Bedingungen Gestein abzubauen.
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Sowohl unter Tage als auch an der Oberfläche existieren seit Jahren große Lager. Oben wird das Gestein gemahlen und gesiebt, unten bleiben die Goldgräber in der Regel Wochen und Monate ununterbrochen bei der Arbeit und sind dafür mit Nahrungsmitteln, Wasser, Stromgeneratoren und Werkzeugen ausgerüstet, die von oben herabgelassen werden.
Berichte über schwer bewaffnete Banden und Vergewaltigungen
Die örtliche Bevölkerung beobachtet das Treiben mit Argwohn und Angst, denn oftmals haben kriminelle Gangs die Kontrolle über die Lager übernommen. Bilder, die in den sozialen Netzen kursieren, zeigen schwer bewaffnete Männer mit Pistolen und Sturmgewehren. Berichten zufolge kommt es immer wieder zu Gruppenvergewaltigungen. Menschen werden verprügelt und von den Gangs zur Arbeit unter Tage gezwungen.
Die südafrikanische Regierung startete deshalb im Dezember 2023 die Aktion "Vala Umgodi", was übersetzt "Schließe das Loch" bedeutet. Bis November 2024 nahm die Polizei fast 14.000 illegale Arbeiter in sieben Provinzen Südafrikas fest. Dann kam es in Stilfontein zur Eskalation.
Politische Aktivisten sprechen von bewusstem Massaker
Zu diesem Zeitpunkt befanden sich Schätzungen zufolge zwischen 2.000 und 4.000 illegale Bergleute in den Minen der 1949 gegründeten Goldgräberstadt. Die Polizei umstellte die Ausgänge und hinderte Helfer daran, weiter Lebensmittel und Medikamente in die Tiefe zu schicken.
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Rund 1.500 Menschen sind seither an die Oberfläche zurückgekehrt und wurden umgehend festgenommen. Die anderen blieben unter Tage. Fraglich ist allerdings, ob sie dies freiwillig taten. Während die Regierung verkündete, die Männer würden sich aus Angst vor Strafverfolgung weigern, an die Oberfläche zu kommen, sprechen Hilfsorganisationen und politische Aktivisten von einem bewusst verübten Massaker.
"Schacht elf ist ein Massengrab"
Ein politischer Skandal steht im Raum, denn Bilder aus Stilfontein legen nahe, dass zumindest aus Schacht elf wirklich kein Entrinnen ohne Hilfe von außen möglich ist. Die Wände des Schachts sind glatt und steil, sie ragen Hunderte Meter senkrecht in die Tiefe. Die Interessenvertretung der Bergleute wirft der Polizei vor, Seile und das Flaschenzugsystem entfernt zu haben, mit denen der Schacht zugänglich war. Erst nach einem Gerichtsurteil war es zivilen Helfern zumindest vorübergehend möglich, wieder ein wenig Nahrung nach unten zu lassen und Botschaften der Eingeschlossenen nach oben zu befördern.
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"Schacht elf ist ein Massengrab", sagte der Präsident der südafrikanischen Industriearbeitergewerkschaft Giwusa, Memetlwe Sebei, zu Beginn der Rettungsaktion. Jetzt ist ein Kran über dem Schacht installiert, der in einem fort Lebende und Tote ans Tageslicht holt.
Ans Tageslicht kommen nur "lebende Skelette" und Dutzende Tote
Die britische BBC berichtete, dass die nach oben beförderten Leichen so leicht seien, dass sie jeweils von einer Person getragen werden könnten. Südafrikanische Medien meldeten, die ersten Obduktionen hätten ausnahmslos ergeben, dass die Toten verhungert seien. Spuren an den Körpern der Toten würden zudem die Berichte über Kannibalismus unter Tage belegen.
Die überlebenden Bergarbeiter werden zu Dutzenden in zerlumpter Kleidung in ein Sanitätszelt gebracht. Es handele sich um "lebende Skelette", sagte Gewerkschaftschef Sebei. Das Narrativ, dass diese Männer freiwillig seit Monaten in der Mine geblieben seien, sei eine "blutige Lüge". "Die Idee, dass die toten Minenarbeiter einen Massensuizid begangen haben könnten, ist lachhaft und empörend."
Die Demokratische Allianz, die zweitgrößte Partei in der aktuellen Regierungskoalition in Südafrika, erklärte am Mittwoch, die Situation in der Mine sei "völlig außer Kontrolle geraten". Angesichts der vielen Toten forderte die Partei eine unabhängige Untersuchung. Die Polizei hingegen gab bekannt, dass alle Überlebenden sofort festgenommen würden. "Wer laufen kann, kommt direkt in eine Zelle", erklärte ein Beobachter vor Ort.
- Berichte des südafrikanischen Nachrichtensenders Newsroom Afrika
- bbc.com: "Relatives wait for news as body bags hauled from South African mine" (Englisch)
- insidepolitic.co.za: "Civil rights groups condemn Stifontein 'massacre' as rescue operations gear up" (Englisch)
- theafricareport.com: "South Africa: 109 dead, and counting, as police try to force artisanal miners to surface" (Englisch)
- reuters.com: "South Africa accused of 'horrific' crackdown as 78 corpses pulled from besieged mine" (Englisch)
- Aussagen von Gewerkschaftspräsident Memetlwe Sebei vor Journalisten
- sueddeutsche.de: "'Schacht 11 ist ein Massengrab'"
- dw.com: "'Smoke them out': South Africa denies help to illegal miners" (Englisch)
- facebook.com: Beiträge der Organisation MACUA (Mining Affected Communities United in Action)
- saps.gov.za: "News: 225 illegal miners resurface as a result of pressure exerted by Vala Umgodi teams in North West — all 225 arrested" (Englisch)
- Beiträge in sozialen Medien
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa