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Zum journalistischen Leitbild von t-online.Chai Time Wie Adolf nach Indien kam
Als Deutscher erntet man in Indien und Pakistan viel Anerkennung. Leider auch für Dinge, mit denen man absolut nichts zu tun haben möchte. Vor allem Hitler-Bewunderer gehen einem schwer auf die Nerven. Und manchmal möchte man vor Scham am liebsten im Boden versinken.
Pakistan ist das Gegenteil von Deutschland: Im Norden ragen die Berge in den Himmel, das Meer brandet im Süden an die Küste, die Problemzonen mit Arbeitsmangel und Radikalen finden sich im Westen, die blühenden Landschaften im Osten. An diese verkehrte Welt gewöhnt man sich recht schnell. Doch mit einem Gegensatz findet man sich nicht ab: Die meisten Menschen hier mögen Hitler.
Haarschnitt à la Hitler
Kürzlich war ich beim Friseur, einem alten Mann, der noch ohne Haarschneidemaschine und anderem elektronischen Schnickschnack arbeitet. Eine klapprige Schere, ein Kamm, eine Sprühflasche mit Wasser, das ist sein Werkzeug. Das Ergebnis war akkurat, aber ich war trotzdem nicht glücklich. Ich sagte: "Ich sehe aus wie Hitler." Er betrachtete mich im Spiegel, lächelte zufrieden und sagte: "Yes, yes, very nice." Ich verzichtete auf eine Diskussion, fuhr nach Hause und bemühte mich, den Scheitel zu beseitigen.
Peinliche Momente
Gut, dass es nicht wieder zu dem üblichen Hitler-Gespräch gekommen war. Pakistaner suchen dieses Thema, wenn sie erfahren, dass man aus Deutschland kommt. "Wir sind auch Arier", sagen sie dann, weil sie irgendwo aufgeschnappt haben, dass es ein indogermanisches Urvolk gab, die Aryas. Und: Hitler, ach, was war das für ein genialer Feldherr! Manchmal ist es am besten, die eigene deutsche Herkunft zu verschweigen.
Es sind peinliche Momente, weil die Menschen glauben, sie machten einem mit ihrem Bekenntnis eine Freude. Ich vermute, die meisten Inder und Pakistaner haben keine Ahnung, was dieser Mann angerichtet hat. Sie sehen in ihm den schneidigen Führer, der sich mit Briten und Amerikanern anlegte.
In der islamischen Welt, nicht nur in Pakistan, sondern weiter von Iran bis in die Maghreb-Staaten, spielen sicher auch antisemitische Haltungen eine Rolle. Das Gespräch, wenn man sich denn darauf einlässt, landet schnell bei der Ungerechtigkeit, die den Palästinenser widerfahren sei, als man ihnen ihr Land wegnahm.
Vor Scham im Boden versinken
Man kann versuchen, solche Gespräche abzublocken, wie kürzlich ein deutscher Bekannter: Er sagte einem Taxifahrer in Iran, er solle aufhören mit dem Unsinn, schließlich hätte er als Dunkelhäutiger unter Hitler mit Sicherheit nicht lange überlebt. Der Taxifahrer guckte ihn mit großen Augen an: "Aber ich bin doch ein Arier!"
Man kann aber auch einfach nur im Boden versinken, wie damals, als uns deutsche Freunde bei unseren pakistanischen Verwandten in London besuchten. Aus heiterem Himmel fing ein Onkel an, bewundernd über Hitler zu sprechen, darüber, welche militärischen Leistungen er angeblich doch vollbracht und wie er Deutschland aus der wirtschaftlichen Misere geführt hätte. Unsere Freunde saßen da, hörten mit versteinerter Miene zu und wussten nicht, wie ihnen geschah. Mir war das Lächeln im Gesicht gefroren. Später, bei passender Gelegenheit, baten meine Eltern um Entschuldigung, unsere Freunde sahen es uns nach.
Sprung von Hitler zu Mercedes
Ich weiß nicht, woher diese Faszination rührt, nicht nur für die Nazis, sondern für alles Deutsche. Dass das heutige Deutschland ein anderes ist als das "Dritte Reich", nehmen die meisten Menschen kaum wahr, sie haben ja nicht einmal die nächste Großstadt auf dem Subkontinent gesehen, woher sollen sie also wissen, wie es heute in der Bundesrepublik aussieht.
"I like Nazi"
Der Sprung von Hitler zu Mercedes ist für viele Pakistaner deshalb nicht weit ("Very excellent car, but a little too expensive"). Vor ein paar Tagen fuhr ein weißer Mercedes aus den siebziger Jahren vor mir, im Stadtzentrum von Islamabad. Darin saß eine siebenköpfige Familie. Am Heck prangte ein Aufkleber: ein schwarzes Hakenkreuz in einem weißen Kreis, umgeben von Rot. Darunter: "I like Nazi."
Bettwäsche aus der Nazi-Kollektion
Es sind nicht ausschließlich Muslime, die einen irritierenden Nazi-Kult pflegen: In Indien wurde vor ein paar Jahren von einem Hindu ein Restaurant mit dem Namen "Hitler's Cross" eröffnet, einschließlich "Führer"-Porträt im Eingang. Ein hinduistischer Geschäftsmann verkaufte Bettwäsche mit Hakenkreuzen, die mit dem in Indien verbreiteten Swastika, dem hinduistischen Hakenkreuzsymbol für Glück, wenig zu tun hatten: Die Laken, Kissen- und Deckenbezüge gehörten laut Werbebroschüre zu einer Ausstattung mit dem Namen "The Nazi Collection". Die englische Fassung von "Mein Kampf" gibt es selbst in den Buchläden der entlegensten Orte zu kaufen. Und in indischen Schulbüchern wurde Hitler schon mal als großartiger Staatslenker gefeiert.
Nach "großer, historischer Persönlichkeit benannt"
Einmal besuchten meine Frau und ich das Café in dem wunderschönen Hotel "Imperial" in Neu-Delhi. Es hat einen Garten mit Palmen, hervorragendem Tee und freundliche Kellner in Uniformen, die an die Kolonialzeit erinnern. Ein junger Mann bediente uns. Sein Namensschild rief mein Interesse hervor, ich fragte ihn nach dem Grund seines für indische Verhältnisse doch ungewöhnlichen Namens. "Oh, meine Eltern haben mich nach einer großen historischen Persönlichkeit benannt", erklärte er uns. In schwarzen Lettern stand auf dem goldenen Schild: Adolf.