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Ein Mann dreht völlig fre: Die schrägen Corona-Geschäfte des Markus Bönig


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Schräge Corona-Geschäfte
Ein Mann dreht frei


Aktualisiert am 21.11.2022Lesedauer: 8 Min.
Markus Bönig: Er hat gerade wieder ein Geschäftsmodell gefunden, Coronamaßnahmen zu unterlaufen.Vergrößern des Bildes
Markus Bönig: Er hat gerade wieder ein Geschäftsmodell gefunden, Maßnahmengegnern das Leben vermeintlich zu erleichtern. (Quelle: Vitabook, GettyImages/Murat Deniz, Mindful Media, Montage: Heike Aßmann)

Keiner testet in der Corona-Krise so sehr Graubereiche aus wie der Unternehmer Markus Bönig. Seine neueste Masche empört Behindertenvertreter.

Er nennt sich selbst "Sozialunternehmer", tanzt dem Staat auf der Nase herum, und er hat sich wieder etwas ausgedacht. Markus Bönig verkauft denen, die das Maskentragen leid sind, einen "Schwerhörigenausweis". Der kostet 14,99 Euro und jeder kann ihn bekommen. Das Plastikkärtchen soll dann vom Maskentragen befreien, wo das noch Pflicht ist oder wieder Pflicht werden könnte. Die Deutsche Gesellschaft der Hörbehinderten ist entsetzt über das Angebot.

Es ist nicht das erste Mal, dass der 47-jährige Bönig die Corona-Krise zum Geldverdienen nutzt. Er sucht zielsicher Gesetzeslücken und testete Graubereiche aus. Von seinen Firmen gab es schon Bescheinigungen über Schnelltests und vorläufige Impfunfähigkeit. Und er startete eine Jobvermittlung für Ungeimpfte und eine Arztvermittlung für Impfgeschädigte. Andere haben mit Maskendeals oder nie durchgeführten Schnelltests mehr abkassiert – aber so kreativ wie Bönig dürfte sonst niemand fragwürdige Corona-Geschäfte gemacht haben.

Dass Bönig trotz Empörung, Kritik, Urteilen und Ermittlungen einfach immer weitermacht, hat auch damit zu tun, dass es ihm offenbar nicht nur ums Geldverdienen geht. Er sehe seine Aufgabe darin, "soziale Probleme unternehmerisch zu lösen" und habe sein Talent in den vergangenen zwei Jahren in ganz besonderer Weise einbringen können. Wie unbeirrt und manchmal dreist er vorgeht, zeigt die Rekonstruktion seiner Geschichte.

Die Vorgeschichte: Markus Bönig ist seit mehr als zehn Jahren mit Online-Angeboten im Gesundheitsbereich aktiv. Es begann mit der Idee einer elektronischen Gesundheitsakte, die schließlich in einem Portal für Arzneimittelnachbestellungen mündete. Als er 2011 startete, hätten sich "viele sehr an uns abgearbeitet und nach Dingen gesucht, die verboten sein könnten", sagt er. Widerstand kannte er also gut, und Probleme mit Facebook und Google führten 2020 in die Insolvenz. Doch mit seiner Erfahrung startete er in der Corona-Pandemie neue Projekte.

Die Corona-Pandemie: Die erste Schlagzeile machte eine von Bönig gegründete Firma bereits am 5. März 2020, also vor dem ersten Lockdown. "Aponow nutzt Corona-Panik, um eigenen Bestell-Service zu bewerben", titelte die "Deutsche Apotheker Zeitung" damals. In Heinsberg zeigten sich gerade die Folgen der Karnevalssitzung, in Ischgl wurde noch kräftig gefeiert, als der Apothekenbestelldienst Aponow warnte, Apotheken und Arztpraxen seien "Gefahrenzonen". Mit einem eigenen Konzept ließen sich jedoch Infektionsketten durchbrechen. Aponow war der Politik also durchaus einige Tage voraus.

Im März 2021 lief dann das große Testen. "Apotheke Adhoc" meldete nun: "Corona-Tests: Aponow verärgert Apotheken". Über eine Seite test-express.de konnten Termine in Apotheken reserviert werden, selbst wenn diese dem niemals zugestimmt hatten. Dabei ging es auch um Vermarktung bestimmter Tests. Das Angebot funktionierte nicht. Aber Bönig, ab März 2021 Mitglied der Corona-kritischen Partei "Die Basis" und zeitweise als deren "Bundeswahlkampfleiter" unterwegs, konnte auch anders.

Die Selbsttests: Im Herbst 2021 tauchte seine Test-Seite in neuer Aufmachung auf – ganz ohne Apotheken, ohne offizielle Teststellen. Nun wurde die Zertifizierung zum Corona-Tester angeboten: Wer zehn Euro zahlte und einen zwölfminütigen Film startete, konnte sich danach "Fachperson" nennen. Jeder derart zertifizierte Tester sollte Tests beaufsichtigen können, die die Seite praktischerweise auch gleich vermarktete. "Testet Euch gegenseitig frei!" Dem Missbrauch waren Tür und Tor geöffnet. Doch Bönigs Firma sah sich nur als Vermittler und die Tester in der Verantwortung.

Ganz so einfach ging es nicht: Behörden erklärten die Zertifikate für ungültig, die "Tagesschau" berichtete, dass man sogar Fotos von positiven Testergebnissen einschicken konnte, um sofort ein negatives Zertifikat aufs Handy zu bekommen. Das Angebot wurde kurzzeitig auf Eis gelegt, dann modifiziert: Ein Arzt prüfe "stichprobenartig". Die Zertifikate kamen immer noch sofort, wie automatisiert. Und die Werbung für das Angebot verfing: Ungeimpfte sollten nicht dadurch ausgegrenzt werden, dass sie sich teure Tests nicht leisten können. Vertreter der "Querdenker"-Szene warben in ihren Kanälen, "Fachperson" zu werden.

Die Impfunfähigkeit: Die Aufregung ums Testangebot war noch nicht verflogen, da kam Bönigs nächstes Angebot raus: Als der Bundestag im Dezember 2021 die Impfpflicht im Gesundheitswesen beschloss, war sein Onlineportal für "Impfunfähigkeit" schon vorbereitet. Menschen sollten dort ihre Impffähigkeit "medizinisch feststellen lassen", Impfen wird in Anführungszeichen geschrieben.

Das Angeboten mit eigenen Seiten in diversen Sprachen richtete sich an ganz Europa. Das Prinzip: Wer vielleicht allergisch reagieren könnte, bekomme für 17,49 Euro eine auf sechs Monate begrenzte "vorläufige Impfunfähigkeitsbescheinigung" ausgestellt, mit der Empfehlung, zum Allergologen zu gehen.

Eine Gruppe, die eine Verfassungsbeschwerde gegen die Masernimpfpflicht betreibt, ärgerte sich auf Telegram. Die Verwendung von Bönigs Bescheinigungen könne Zweifel verstärken, wenn jemand "echte" Unverträglichkeit bewiesen habe. "Ob sich Nachweis-Express dessen bewusst ist, dass ihre Aktion wohl vielen Menschen mehr schaden als nutzen wird?" Bönig weist Vorwürfe zurück.

Das Landgericht Stade entschied, dass es sich bei der Bescheinigung um ein "unrichtiges Gesundheitszeugnis" handelt. Geklagt hatte die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs. Deren Juristin Christiane Köber hatte den Test gemacht und über die Seite sofort eine Bescheinigung einer Ärztin erhalten, ohne je Kontakt zu ihr gehabt zu haben. Das Gericht fand: Es sei gerade "Kern der geschäftlichen Tätigkeit des Beklagten [gewesen], dieses standeswidrige Verhalten zu fördern" und Geld für die Gutachten einzustreichen. Gegen das Urteil vom 6. Oktober ist Bönig in die Berufung gegangen. Ermittlungen bei der Staatsanwaltschaft Stade gegen ihn und die beteiligte Ärztin wegen möglicherweise falscher Gesundheitszeugnisse dauern an. Bönig zog seine Schlüsse daraus.

Die Flucht in die Niederlande: Viele Geschäfte betreibt er inzwischen nicht mehr von Deutschland aus. Für die Impfunfähigkeitsseite war zunächst eine neu gegründete "Nachweis Express GmbH i.Gr." in Bönigs Heimat Jesteburg verantwortlich. Dann wurde aus der Firma die "Helden-Transfer GmbH", jetzt ist sie die "Medizinischer Behandlungs Verbund (MBV) GmbH". Das sind Namen, die für Bönigs weitere Aktivitäten noch eine Rolle spielen werden. Und er erklärt: "Nachdem die Nachweis-Express-Lösung verboten worden war, konnte die Gesellschaft zuerst die Helden-Transfer-Lösung etablieren, um dann – nach getaner Arbeit in diesem Bereich – für eine weitere Aufgabe verwendet zu werden."

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Noch nicht verwirrend genug? Was der "Nachweis Express GmbH" verboten wurde und dort zur Umbenennung und einer anderen Geschäftsidee führte, ging trotzdem ähnlich weiter – nun unter Verantwortung von Bönigs weiterer Firma "Clinico GmbH".

Doch dann verschwand auch diese aus dem Impressum. Seit einigen Monaten wird eine RedCap B.V. mit Sitz in Amsterdam angegeben. "Ein Umzug ins Ausland erschwert uns, gegen Angebote vorzugehen", sagt Juristin Christiane Köber von der Wettbewerbszentrale. "Bei unseriösen Anbietern ist so etwas nicht ungewöhnlich." Und Bönig sagt offen in einem Video, dass der Sitz im Ausland deutschen Behörden die Strafverfolgung erschwere.

Aber warum will er das erreichen, wenn er doch nach eigenen Angaben eh nichts Ungesetzliches tut? Seine Antwort: "Es hat sich gezeigt, dass eine politisch motivierte Justiz sehr kreativ werden kann."

Die Stiftung fürs Demonstrieren: Bei der neuen Firma RedCap taucht Bönig zunächst nicht auf, Geschäftsführerin ist eine junge Frau. Das niederländische Handelsregister verrät aber, dass die Firma einer Stichting (Stiftung) gehört. Direktor ist Markus Bönig. Die Stiftung bietet potenziellen Sponsoren an, dass sie "ohne Sorgen Meinung äußern und demonstrieren" könnten. 100 Euro Mindestbeitrag im Jahr, und sie spanne einen juristischen Schutzschirm auf. Doch das kann sich als leeres Versprechen entpuppen: Die Übernahme von Anwalts- und Gerichtskosten ist nur freiwillig und nicht einklagbar, wie es auch auf der Seite heißt.

Die Firma RedCap B.V., die von der Stiftung gehalten wird, ist auch jene, die jeden zum Schwerhörigen erklärt, der keine Maske tragen will. Doch vor diesem jüngsten Angebot Bönigs tauchten noch andere auf.

Die Jobvermittlung für Ungeimpfte: Mit der Impfpflicht im Gesundheitswesen liefen Menschen Gefahr, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, wenn Ämter und Arbeitgeber rigide waren und sie nicht mit Bönigs Bescheinigungen durchkamen. Deshalb hielt der Unternehmer einen "Heldentransfer" bereit: Berufstätige aus der Pflegebranche sollten anonymisiert Jobprofile erstellen, Bönigs Infrastruktur schickte sie möglichen Arbeitgebern. Er hatte deren Daten ja, schrieb, dass er eine "vollständigen Datenbank aller Arbeitgeber in Deutschland erarbeitet und eine Kommunikationsstruktur aufgebaut" habe.

Kritik daran? Bönig verweist auf Urteile des Bundesgerichtshofs, dass Unternehmer es "schlicht erdulden müssen, dass ihre Daten für die Erstellung eines Verzeichnisses verwendet werden". Er geht nicht darauf ein, dass sein Unternehmen die Liste nutzte, um Arbeitgeber ungefragt mit Profilen Ungeimpfter zu bombardieren. Mit der Lösung, erklärt Bönig, habe man "mehreren Hundert Pflegekräften helfen" können.

Doch die Impfpflicht verlor mit der Zeit an Brisanz. Dafür ist die Maskenpflicht weiter ein Reizthema. Und Bönig bot da erneut eine Lösung.

Die Masche mit der Schwerhörigkeit: Für Bönig ist man offenbar auch dann schwerhörig, wenn man Regeln, die man als falsch empfindet, nicht verstehen will. Eigentlich, sagt er, sei heutzutage jeder in Deutschland auch schwerhörig. Denn die Diagnose im Gesetz nicht definiert. Weil die Bundesregierung Schwerhörige und Begleitpersonen, die zur Kommunikation auf Mimik und Lippenlesen angewiesen seien, von der Maskenpflicht befreit habe, könne sich jeder befreien lassen. Bönig legt unklar formulierte Gesetze oder Lücken in seinem Sinn aus.

Die Kritik an Bönigs Vorgehen ist groß. Die gesamte Webseite beruhe auf einem Absatz des Infektionsschutzgesetzes und versuche, diesen mit verfälschten Zitaten zu stützen, sagt Jens Handler, Referent der Deutschen Gesellschaft der Hörbehinderten. Er spricht von einer "wissentlichen Falschaussage", die schlicht ignorant sei und an der Realität vorbeigehe. Kern seiner Kritik: "Ähnlich wie die früheren Versuche mit gezielten Fehlinformation oder Missbrauch der Strukturen könnte auch dieser Ansatz dazu führen, dass das Misstrauen spezifisch gegen tatsächlich betroffene Menschen deutlich steigt." Handlers Sorge ist, dass Hörbehinderten weniger geglaubt wird, wenn inflationär "Schwerhörige" unterwegs sind.

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Bönig argumentiert umgekehrt: Es wisse kaum jemand, dass Schwerhörige vom Maskentragen befreit seien, er helfe damit also Betroffenen. Wegen dieses fehlenden Wissens hält er auch seinen "Schwerhörigenausweis" für nötig. Das Stückchen Plastik mit Passfoto gibts für 14,99 Euro, wenn man auf der Seite einen "Hörtest" zur Selbsteinschätzung absolviert hat.

Hörbehinderten-Vertreter Jens Handler sieht darin "eine offensichtliche Farce, um ein Argument zu konstruieren". Und das Gesundheitsministerium erklärt, ein von einem privaten Unternehmen ausgestellter Ausweis sei rechtlich nicht maßgeblich, um von der Maskenpflicht freigestellt zu werden. Er ist demnach aus Sicht des Ministeriums nutzlos.

Sollte Bönig das Angebot einstellen müssen, hat er allerdings bereits ein neues Projekt.

Die Impfgeschädigten-Betreuung: Menschen, die glauben, bei den Corona-Impfungen einen Gesundheitsschaden davongetragen zu haben, berichten immer wieder von Problemen, Ärzte zu finden. Bönig will ihnen nun Mediziner vermitteln.

Bis es so weit ist, sammelt er bereits mögliche Betroffene ein. Eine Webseite soll dazu dienen, Impfschäden an eine "Nationale Beobachtungsstelle für Corona-Impfschäden" zu melden – betrieben von Bönigs niederländischer Stiftung. Er begründet sein Vorgehen damit, "dass unabhängige Medien deutlich mehr Impfnebenwirkungen bis hin zu Todesfällen melden, als das die offiziellen Melderegister, die Medien und die Politik tun".

Bönigs Pläne gehen darüber hinaus: Sein Unternehmen "Medizinischer Behandlungsverbund GmbH" will Hilfe für Menschen suchen, die sich als Betroffene von Impfschäden betrachten. Dazu müssen sie online einen Fragebogen ausfüllen und bekommen eine "Impfschadenbestätigung" per Mail. Ein "qualifiziertes Team" suche dann kostenlos den geeigneten Therapeuten aus dem medizinischen Behandlungsverbund (MBV). Dieser Verbund soll aus Medizinern und Therapeuten an über 230 Standorten in ganz Deutschland bestehen, die "über tatsächliche Expertise in der wirksamen Therapie von Impfschäden verfügen".

Die Liste könnte eigentlich interessant sein für Menschen, die "keine Ärzte finden, die sie ernst nehmen", wie Bönig beklagt. Auf seiner Seite finden Patienten allerdings keine Namen und auch keine Hinweise zur angeblichen Expertise. Das einzige Foto eines Arztes zeigt ein Fotomodell. Bönig erklärt, das Netzwerk sei in den vergangenen zwei Jahren entstanden und nicht plötzlich vom Himmel gefallen.

Vom Himmel fällt bei Bönig wenig. Der Unternehmer hat auch bereits neue Ideen. Sagt er zumindest. "Es werden in den kommenden Wochen noch weitere Internetseiten und Lösungen folgen, die es Menschen ermöglichen, eigene Entscheidungen zu treffen." Und schlechte Presse stört ihn nicht, jede Aufmerksamkeit ist offenbar willkommen: "Ich freue mich sehr darüber, wenn möglichst viele Menschen erfahren, dass sie von völlig übergriffigen und sinnlosen Maßnahmen befreit sind."

Für die, die das so sehen, ist Bönig vielleicht tatsächlich ein "Sozialunternehmer".

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen
  • Anfragen an Wettbewerbszentrale, Deutsche Gesellschaft der Hörberhinderten, Bundesgesundheitsministerium und Markus Bönig
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