Die subjektive Sicht des Autors auf das Thema. Niemand muss diese Meinung übernehmen, aber sie kann zum Nachdenken anregen.
Was Meinungen von Nachrichten unterscheidet.Besuch bei Donald Trump Wenn Merz clever ist, sagt er dieses Wort

Kann man mit Trump umgehen? Und wenn ja, wie? Demnächst wird Friedrich Merz im Oval Office sitzen. Unser Kolumnist möchte nicht in seiner Haut stecken.
Sind Trumps Zölle gegen Kanada eigentlich gerade ausgesetzt? Ist nur die Autoindustrie ausgenommen? Und Mexiko? Vielleicht kennen Sie den letzten Stand in Sachen Grönland: Wird das militärisch erledigt oder verhandelt man über einen Kaufpreis? Ich verliere den Überblick. Heute muss Putin mit dem Schlimmsten rechnen. Morgen ist er wieder ein guter Buddy, der doch auch nur sein Grönland will. Elon Musk soll nun die Bürokratie mit dem Skalpell sezieren, nicht mehr mit der Axt zerschlagen. Ich sehe diesen politischen Feinmotoriker noch mit der Kettensäge vor mir; das muss ein Bild von vorgestern sein.
Bevor Donald Trump wieder ins Weiße Haus zurückkehrte, haben unsere Journalistenkollegen aus Washington, die Experten der Thinktanks und viele Professoren der Politikwissenschaft uns gewarnt: Trump II werde härter, rabiater, radikaler als Trump I. So ist es. Sie prognostizierten aber auch: Trump II werde professioneller, weniger chaotisch als Trump I. Da haben sie sich getäuscht. Susie Wiles, seine hochgelobte Stabschefin, sollte eine Brücke zwischen Trumps Ideenreichtum und der Wirklichkeit bauen. Von der Frau habe ich seit Wochen nichts gehört. Hat Musk ihren Job etwa auch ...?

Zur Person
Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, bei t-online erscheint jeden Dienstag seine Kolumne "Elder Statesman". mehr
Es gibt Fachleute, die wittern hinter dem erratischen Regierungsstil eine Strategie, nämlich die des rechten Vordenkers Steve Bannon. Der war mal ganz eng mit Trump, dann nicht mehr, dann saß er im Knast, dann begnadigte Trump ihn. Von Bannon stammt der Rat an die Administration: Flood the zone with shit. Freundlich übersetzt: Flutet eure Umgebung mit Dreck. Das scheint eine perfekte Erklärung zu sein für so vieles, was seit dem 20. Januar aus dem Weißen Haus über uns hinwegfegt. Ein Shitstorm.
Ich glaube trotzdem nicht, dass die Erklärung stimmt. Im Oval Office sitzen morgens um acht doch nicht Trump, Vance und Musk zusammen und fragen sich, mit welchem Unrat sie heute mal die Welt verschmutzen könnten. Meine Lebenserfahrung besagt, dass man nicht hinter jedem politischen Durcheinander eine perfide Strategie wittern sollte. Das meiste ist durch banale Unfähigkeit, Missmanagement und Eitelkeit zu erklären.
Ja, wie nur?
Aber egal ob Strategie oder ganz normales Chaos, wir müssen damit umgehen. Wir, das sind Menschen, die sich bemühen, anderen Menschen auf Augenhöhe zu begegnen, auch wenn sie weniger mächtig und nicht so reich sind. Leute, für die Anstand kein Fremdwort ist, die fremdes Eigentum nicht für sich beanspruchen und die sogar im öffentlichen Dienst Kompetenz und Engagement vermuten. Sie und ich kommen nicht in die Verlegenheit, Donald Trump gegenüberzusitzen, auf Sie und mich werden keine Tiraden von J. D. Vance niedergehen. Friedrich Merz wird als Kanzler dieser Situation nicht ausweichen können. Ich möchte nicht in seiner Haut stecken.
Wie soll man mit Trump reden? In der vergangenen Woche gab es zwei ganz unterschiedliche Antworten auf diese Frage.
Die erste Antwort hat Justin Trudeau gegeben, der kanadische Premierminister. In einem Videostatement, in dem es eigentlich um die Zölle ging, blickte er zurück auf die gemeinsame Geschichte beider Länder. Er erinnerte an das Ende des Zweiten Weltkriegs, als kanadische Soldaten neben ihren US-Verbündeten am Strand der Normandie landeten. An die Solidarität im Koreakrieg vor siebzig Jahren. An 1979, als die US-Botschaft in Teheran gestürmt wurde. An den 11. September 2001, als der Terror nach New York kam. An die Hilfe der kanadischen Feuerwehr, vor ein paar Wochen, als Kalifornien brannte. "In euren dunkelsten Stunden", so Trudeau voller Bitterkeit, "haben wir mit euch gekämpft und sind mit euch gestorben."
Wir benötigen Ihre Einwilligung, um den von unserer Redaktion eingebundenen Youtube-Inhalt anzuzeigen. Sie können diesen (und damit auch alle weiteren Youtube-Inhalte auf t-online.de) mit einem Klick anzeigen lassen und auch wieder deaktivieren.
Die andere Antwort hat – nein, nicht Claudia Sheinbaum gegeben, die mexikanische Präsidentin. Ich zitiere ausnahmsweise Fake News, die auf Social Media kursieren. Noch einmal: Dieser Post, den Sie vielleicht auch gesehen haben, stammt nicht von Sheinbaum, ist aber trotzdem interessant. Der Autor oder die Autorin, wer immer das sei, weist darauf hin, dass es Milliarden Konsumenten auf der Erde gibt, die ihr iPhone ganz einfach gegen ein Smartphone von Samsung eintauschen können. Sie könnten auch Levi’s durch Zara ersetzen, Ford durch Toyota, Nike durch Adidas. Sie müssen Disneyland nicht besuchen.
Die Botschaft ist einfach: Ihr Amerikaner seid nicht allein auf der Welt; und wenn ihr eine Mauer baut, dann leben die meisten Menschen auf der anderen Seite. Elon Musk bekommt das bereits zu spüren. Teslas Verkäufe brechen dramatisch ein, in Deutschland, in China, in Australien. In den Onlineshops ist ein Aufkleber für Musks E-Autos ein Verkaufshit: "I bought this before Elon went crazy" – "Ich habe ihn gekauft, bevor Elon verrückt wurde". Würden Sie Musk gerade ein Auto abkaufen, wenn Sie es sich leisten könnten? Ich nicht.
Danke, danke, danke
Leider werden beide Antworten Trump nicht beeindrucken. Aus Trudeau spricht der enttäuschte Freund. Freundschaft ist keine Kategorie für Trump. Gefolgschaft dagegen schon. Gemeinsame Werte interessieren ihn nicht, gemeinsame Geschäfte elektrisieren ihn. Den Schwächeren hilft er nicht, er verachtet sie. In seiner Liga spielen Putin und Xi Jinping. Und MBS, der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman. Der verspricht, 600 Milliarden Dollar in den USA zu investieren. Er will sicher auch ein Luxusresort in Gaza bauen.
Trump wird Trudeaus Rede als larmoyant empfinden, wie die emotionalen Vorwürfe einer verletzten Ex-Frau. Auch ein Boykottaufruf kann seiner MAGA-Kampagne wenig anhaben. Wenn Musk es übertreibt, muss er eben die Konsequenzen tragen, genug Geld hat er ja. Im Übrigen: An Amerikas goldenes Zeitalter muss man auch glauben. Ist es nicht schon ganz nah, nach nicht einmal zwei Monaten Trump?
Zurück zu Merz. Wie soll er mit Trump umgehen? Macron hat es auf die charmante Art versucht, das können die Franzosen einfach besser. Selenskyj war fordernd, wir wissen, wie es ausging. Starmer, der Brite, hatte eine Einladung zum König dabei, damit kann Merz nicht konkurrieren. Wahrscheinlich sind wir uns einig: Der Bundeskanzler in spe sollte Trump höflich, mit Respekt begegnen, ohne Unterwürfigkeit. Nicht distanziert, aber auch nicht anbiedernd. Durchaus selbstbewusst. Das schreibt sich leicht, leichter, als es ist.
Ich würde Merz empfehlen, erst einmal ausführlich Danke zu sagen, das kommt gut an im Weißen Haus. Danke Amerika, du hast uns nach der Katastrophe des Nationalsozialismus die Demokratie gebracht. Du hast Deutschland wirtschaftlich wieder aufgebaut, du hast uns die Rückkehr in die Gemeinschaft der zivilisierten Staaten ermöglicht. Du hast die alte Bundesrepublik im Kalten Krieg unter deinen Schutz gestellt. Du hast 1990 die deutsche Einheit aus vollem Herzen unterstützt. Danke, Amerika. Okay, J. D.?
Es lohnt sich doch
Wir haben aber nicht nur Dank zu bieten. Eure Army ist bei uns zu Hause. In Ramstein unterhält die US Air Force ihre größte Basis außerhalb der Vereinigten Staaten. Gerade wird dort auch das größte Militärkrankenhaus außerhalb der USA gebaut: 1,6 Milliarden Dollar Investitionen, 4.000 Zimmer, 120 Behandlungsräume, neun OP-Säle. In Stuttgart haben die Hauptquartiere der US-Streitkräfte für Europa und für Afrika ihren Sitz – stay welcome. Wir bringen auch die Bundeswehr wieder in Form.
Unter unserer Erde liegen keine Seltenen Erden. Aber amerikanische Unternehmen haben fast 200 Milliarden Dollar in Deutschland investiert. Bevor wir die enge wirtschaftliche Kooperation durch Zölle gefährden, fragen wir doch mal nach bei McDonald’s, Amazon oder Ford, ob das eine gute Idee ist. Wer in Deutschland produziert, hat übrigens Zugang zu einem EU-Markt von 450 Millionen Konsumenten. 450 Millionen, Mr. President! Wie groß ist noch gleich der amerikanische Markt? Ach so, 340 Millionen.
Also, wollen wir unsere Partnerschaft ausbauen? Die Investitionen, den Handel, das Militärische in der Nato. Alles gemeinsam. Großartige Zeiten liegen vor uns.
Falls Trump zögert, könnte Merz einen großen Amerikaner zitieren. Louis Armstrong: It takes Two to Tango. Let’s dance!