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Olympia: Sollte Deutschland für die Spiele 2036 oder 2040 kandidieren?


Meinung
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Olympia in Deutschland?
Das kann peinlich werden

  • Uwe Vorkötter
MeinungEine Kolumne von Uwe Vorkötter

Aktualisiert am 06.08.2024Lesedauer: 5 Min.
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Nancy Faeser will Olympia nach Deutschland holen: Doch was ist die Vision? Und warum ausgerechnet wir? (Quelle: IMAGO/Dominika Zarzycka)
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Mehr als 10.000 Athleten kämpfen in Paris um die Medaillen. Ein großartiges Spektakel. Das wollen wir auch! Die Vorbereitungen laufen – von Berlin bis Bottrop. Eine gute Idee?

2036 oder 2040? Wann sollen die Olympischen Spiele in Deutschland stattfinden? Und wo? In Berlin? In Leipzig? An Rhein und Ruhr? Die Funktionäre des deutschen Sports wollen die Details demnächst klären, die Bundesregierung hat eigens einen Kabinettsbeschluss gefasst: Wir sind dabei. Wir, die Ampel. Einmütig. Das hat es lange nicht gegeben.

Erlauben Sie mir bitte zu Beginn eine persönliche Bemerkung: Ich bin Sportfan. Es fasziniert mich, bei Olympia in Paris diese unbedingte Konzentration im Auge der Bogenschützen zu erkennen – obwohl ich vom Bogenschießen keine Ahnung habe. Ich begeistere mich für wilde Fahrten im Wildwasser, für Fechter und Judoka. Ich bin gern im Stadion, egal ob erste oder dritte Liga. Im Ausland schaue ich mir landestypische Wettkämpfe an, und seien es so langweilige Sachen wie Baseball. Also: Ich bin ein Fan.

Uwe Vorkötter
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Uwe Vorkötter Uwe Vorkötter gehört zu den erfahrensten Journalisten der Republik. Seit vier Jahrzehnten analysiert er Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, er hat schon die Bundeskanzler Schmidt und Kohl aus der Nähe beobachtet. Als Chefredakteur leitete er die "Stuttgarter Zeitung", die "Berliner Zeitung" und die "Frankfurter Rundschau". Er ist Herausgeber von "Horizont", einem Fachmedium für die Kommunikationsbranche. Nach Stationen in Brüssel, Berlin und Frankfurt lebt Vorkötter wieder in Stuttgart. Aufgewachsen ist er im Ruhrgebiet, wo man das offene Wort schätzt und die Politik nicht einfach den Politikern überlässt.

Trotzdem halte ich nichts von einer deutschen Olympia-Bewerbung. Schon gar nicht um die Spiele 2036 – ausgerechnet 100 Jahre nach den Propaganda-Spielen der Nazis. Was wollen wir damit beweisen? Dass die Architekten des sogenannten "Dritten Reichs" nachhaltig gebaut haben? Tatsächlich ist das damals errichtete Berliner Olympiastadion, nachdem es mehrfach umgebaut wurde, zuletzt für 240 Millionen Euro, auch heute noch eine hervorragende Wettkampfstätte. Und dazu ein städtebauliches Denkmal von Rang.

Aber klar, darum geht es nicht. Es geht den Verfechtern von "2036" um den Kontrast: Deutschland damals, das war das Hitler-Regime, das waren größenwahnsinnige Fantasien von der politischen (und sportlichen) Weltherrschaft. Damals wurden die Juden systematisch aus der Volksgemeinschaft ausgeschlossen – und aus dem Olympiateam. Die Fechterin Helene Mayer, in der Sprache der Nazis eine "Halbjüdin", galt als Beleg dafür, dass die Spiele von 1936 offen "für alle Religionen und Rassen" seien, eine Anforderung des IOC. "Nach der Olympiade", skandierte die Hitler-Jugend dazu, ... nein, das zitiere ich nicht vollständig.

Und heute: Deutschland, ein friedliebendes Land, Blaupause für Demokratie und Freiheit, vielfältig und inklusiv, fröhlich und leicht. Dieses Deutschland steht für Menschenrechte, gegen Diskriminierung und Rassismus. So ähnlich steht es in der Olympischen Charta. Alles schön und gut, aber müssen wir uns deshalb selbst die Goldmedaille im Moralwettbewerb umhängen? Und die ganze Welt ist eingeladen, den neuen, guten Deutschen Beifall zu klatschen? Peinlich.

Der "Tagesspiegel" fragt schon mal seine Leser

Noch ein Argument gegen 2036: Bis dahin finden noch mindestens drei Bundestagswahlen statt, und kein Mensch weiß, wer uns dann regiert. Können wir ausschließen, dass Leute ins Amt kommen, die hundert Jahre später eher die Kontinuität zu 1936 suchen als den Kontrast? Leute, die Leni Riefenstahls Olympia-Filme als Vorbild für die Inszenierung Deutschlands im 21. Jahrhundert sehen? Also bitte, lassen wir das.

Und 2040? Nancy Faeser findet, das ist eine gute Idee, weil wir dann 50 Jahre deutsche Einheit feiern. Was das mit Olympia zu tun hat? Keine Ahnung. Und wenn 2040, wo dann? In den Berliner Lokalmedien ist die Antwort klar: Berlin. Der "Tagesspiegel" fragt schon mal seine Leser, was wo stattfinden könnte: Hockey am Brandenburger Tor, Reiten im Schlosspark Sanssouci, Speedklettern am Fernsehturm ... Dit is Baalin!

Der entscheidende Vorteil, den die jeweilige "Host City" von Olympia hat, sind die milliardenschweren Investitionen in die öffentliche Infrastruktur, die mit den Spielen verbunden sind. Deshalb diese Frage: Welche deutsche Stadt hat seit dem Fall der Mauer am meisten von der öffentlichen Unterstützung profitiert? Wo ist ein komplett neues Regierungsviertel entstanden, ein neues Stadtzentrum, ein neuer Hauptbahnhof, ein neuer Flughafen? Ach so, in Berlin. Jetzt über Olympia zu schwadronieren, ist genau die Art Bescheidenheit, die unsere Hauptstadt so beliebt macht.

Auch an Rhein und Ruhr gibt es schon ausgeklügelte Pläne für Olympische Spiele. 15 Städte sollen sie ausrichten, plus Kiel für die Segelwettbewerbe. Zwischen Mönchengladbach und Dortmund gibt es hochmoderne Stadien, kein Zweifel. In den Messehallen von Köln, Düsseldorf und Essen könnten die meisten Indoor-Sportarten stattfinden, das Olympia-Schwimmbad soll vorübergehend auf Schalke errichtet werden, ernsthaft. 95 Prozent aller Sportstätten gibt es schon.

Stadion mit 16.000 Plätzen – zu klein für Olympia

Zu den fehlenden fünf Prozent gehört allerdings eine Arena für die Leichtathletik, das Herz der Olympischen Spiele. Das Ruhrgebiet ist meine alte Heimat, ich kenne das Lohrheide-Stadion in Wattenscheid: ein wunderbar kultiger Ort für Läufer, Springer und Werfer. Es wird gerade modernisiert und fasst demnächst 16.000 Zuschauer – für Olympia dann doch etwas zu klein. Wohin also mit dem neuen Olympiastadion? Vielleicht auf eine ehemalige Kohlenhalde in Bottrop? Die Jugend der Welt erweist den Kumpels von einst ihre Reverenz. Oder auf das Werksgelände von Thyssenkrupp in Duisburg? Ein Jahrhundert lang produzierten wir Stahl, jetzt Sport.

Sie merken, ich neige zum Sarkasmus, wenn ich mir das konkret vorstelle. Die NRW-Städte wollten schon 2012 ins Rennen gehen, damals bekam Leipzig den Zuschlag als deutscher Bewerber, war aber chancenlos gegen London. In Hamburg haben die Bürger eine Bewerbung um die Spiele 2024 per Volksentscheid abgelehnt. In München haben die Bürger eine Bewerbung um die Winterspiele 2022 ebenfalls per Volksentscheid abgelehnt. Insgesamt gab es seit München 1972 sieben Anläufe für Olympische Spiele in Deutschland. Sie sind allesamt gescheitert.

Die Bundesregierung findet trotzdem, der achte Anlauf sei sinnvoll und aussichtsreich. So eine Bewerbung könne Sportbegeisterung wecken und den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken. Das ist eine wagemutige Behauptung. In Hamburg hat eine von der Linkspartei und von radikalen Antifa-Leuten unterstützte "NOlympia"-Kampagne die Stadt in zwei Lager gespalten. Dagegen zu sein, ist eine leichte Übung für die Populisten von rechts und links: Olympia, dieses milliardenteure Elitenprojekt, davon profitiert nur die Big-Business-Community des IOC. Wir, das Volk, können uns die sündhaft teuren Tickets gar nicht leisten ...

Donnerwetter, alle 15 Minuten ein Regionalexpress

Leider haben die Olympia-Planer der absehbaren Anti-Bewegung wenig entgegenzusetzen. Zum Beispiel die NRW-Initiative: In ihrem detailreichen, aber ganz und gar verkopften Technokraten-Papier ist viel von Nachhaltigkeit, Attraktivitätssteigerung der Region und vernetzter Mobilität die Rede. Wer genau hinschaut, findet das Versprechen, dass pünktlich zu den Spielen ein Rhein-Ruhr-Express zwischen Köln und Dortmund verkehren soll, alle 15 Minuten. Donnerwetter, ein Regionalzug.

Was Politikern und Sportfunktionären komplett fehlt, ist eine Antwort auf die Frage, warum Olympische Spiele in Deutschland stattfinden sollten. Ist damit eine Vision verbunden, eine Strategie, eine Story? Die Franzosen versuchen es mit einer historischen Erzählung: Wie können Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit, die Losungen der Revolution von 1789, ins 21. Jahrhundert übersetzt werden? Die Grande Nation denkt nun einmal groß. In London wurde der Olympiapark in den Docklands errichtet, einer alten Industriebrache. Der Umbau der Metropole war das große Thema.

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Um die Spiele 2036 und 2040 bewerben sich übrigens auch Nusantara und Ahmedabad. Schon mal gehört? Eben. Nusantara, die neue, grüne Hauptstadt Indonesiens, und die indische Millionenstadt könnten sich ihren Platz auf der Landkarte sichern, Olympia würde sie auf einen Schlag in der ganzen Welt bekannt machen. Das ist immerhin ein Plan. Unser Plan ist ein Regionalzug durchs Ruhrgebiet.

Eine gemeinsame Ausrichtung mit Polen?

Mein Kolumnisten-Kollege (und Chef!) bei t-online, Christoph Schwennicke, hat mir einen Auftrag mit auf den Weg gegeben: Schreib doch mal, was eigentlich passieren müsste, damit in Deutschland wirklich eine Olympia-Begeisterung entsteht. Tja, schwierig. Ich kann mir das weder für Berlin noch für Leipzig oder Rhein-Ruhr vorstellen. Vielleicht ginge es so: 50 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs reichen Deutschland und Polen eine gemeinsame Bewerbung ein: Berlin und Warschau, Danzig und Rostock, Leipzig und Krakau. Zwei Länder, Gegner im Kalten Krieg, jetzt Partner und Freunde. Völkerverständigung, das große Thema der olympischen Bewegung.

Eine Fantasie. Soweit ich weiß, ist so etwas in den Bewerbungsregeln des IOC auch gar nicht vorgesehen.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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