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HomePolitikChristoph Schwennicke: Einspruch!

Ampel im Dauerstreit: Kopfschmerz für Regierung und Bürger


Dauerstreit in der Ampel
Nicht mehr lange

MeinungEine Kolumne von Christoph Schwennicke

15.08.2024Lesedauer: 3 Min.
Meinung
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Lindner, Habeck und Scholz im Bundestag: Die Ampel hatte mit der Wahlrechtsreform den Bundestag verkleinern wollen.Vergrößern des Bildes
Lindner, Habeck und Scholz im Bundestag: lange Gesichter und voneinander abgewandt. (Quelle: Christoph Soeder/reuters)

Die Ampel bleibt ihrer Linie treu. Sie streitet, sucht weiter nach einem Haushalt und macht Kopfweh. Unserem Kolumnisten fehlen bald die Worte. Aber es gibt auch Hoffnung.

Mit dem Haushalt dieser Bundesregierung verhält es sich wie mit einem Kinderzimmer und dem ewiggleichen Appell der Eltern: Jetzt räumt endlich diesen Verhau auf! So hallt der Ruf in die Trümmerlandschaft aus Spielsachen, Essensresten und Kleiderbergen hinein. Mit dem scharfen Zusatz: In einer halben Stunde ist hier aufgeräumt, sonst fällt das Taschengeld für drei Monate flach.

Bei Kindern ist das Durcheinander auf Fußboden, Bett und Tisch oft tatsächlich innerhalb der Frist aufgeräumt. Na also, geht doch, denken sich die Eltern und sind froh, von der Zwangsmaßnahme, das Taschengeld einzufrieren, keinen Gebrauch machen zu müssen.

Wenn das bei der Ampel so einfach wäre.

Christoph Schwennicke
(Quelle: Reinaldo Coddou H.)

Zur Person

Christoph Schwennicke ist Politikchef und Mitglied der Chefredaktion von t-online. Seit fast 30 Jahren begleitet, beobachtet und analysiert er das politische Geschehen in Berlin, zuvor in Bonn. Für die "Süddeutsche Zeitung", den "Spiegel" und das Politmagazin "Cicero", dessen Chefredakteur und Verleger er über viele Jahre war. Bei t-online erscheint jeden Donnerstag seine Kolumne "Einspruch!"

Immerhin, so ähnlich ging es dem politisch interessierten Publikum noch vor wenigen Wochen, unmittelbar vor der Sommerpause. Die Ampelspitzen hatten in einer langen Nacht, die zu einem frühen Morgen wurde, endlich ihren Haushalt für das kommende Jahr aufgestellt. Wir haben es geschafft, verkündeten Bundeskanzler Olaf Scholz, Vizekanzler Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner, als hätten sie Großes vollbracht. Dabei ist so ein Haushalt die Minimalanforderung an eine Regierung. So wie der Wirtschaftsplan in einer Eigentümergesellschaft. Den hakt man eigentlich zu Beginn der Sitzung ab und geht dann ins Operative über.

Problem: Diese Koalition ist so mit sich selbst beschäftigt, dass sie sich schon schwertut, das Selbstverständliche hinzukriegen. In Sachen Haushalt war also schon am Tage der Verkündigung klar: Fertig ist da gar nichts. Es bleiben Lücken und Löcher. Inzwischen hat Finanzminister Lindner den Entwurf von zwei Instanzen prüfen lassen und kommt zu dem Schluss: Das Ding kann uns vor dem Verfassungsgericht in Karlsruhe schon wieder um die Ohren fliegen, so wie vergangenes Jahr auch schon.

Wie die Kinder beim Stubenappell

Es stellt sich also mit jedem Tag mehr heraus: Die drei Ampelisten haben das gemacht, was Kinder beim Stubenappell hin und wieder auch machen: das Gerümpel in die Schränke und unters Bett zu stopfen. Sieht dann gut aus, bleibt aber ein Verhau.

Also müssen die Messies noch mal ran. Und wieder gibt es eine Deadline: Erst wollte man diesen Dienstag fertig werden, dann Mittwoch, und nun, weil verstrichen, diesen Freitag.

In einem funktionierenden Bündnis sollte eine Lösung so schwer nicht fallen. Ausgangspunkt aller Überlegungen stünde die gemeinsame Erkenntnis: Zeitenwende und aktuell gültige Schuldenbremse sind nicht vereinbar, schon gar nicht, wenn der Arbeitsminister zugleich mit dem Bürgergeld ein Fass ohne Boden auf den Kabinettstisch gestellt hat, aus dem die Liquidität in Milliardenhöhe nur so raussuppt.

So schwer wäre das nicht

Ein vernünftiger Deal könnte etwa so aussehen: Wir zeigen uns offen für eine Reform der Schuldenbremse (für die die Union inzwischen auch offen ist), dafür seid ihr bereit, das Loch im Eimer des Bürgergelds zu stopfen. Dafür wäre es aber erforderlich, das eigene Silo zu verlassen.

Vor allem der FDP fällt das in diesem Bündnis schwer. Im Gegenteil: Sie zieht sich immer noch mehr in ihr Silo zurück. Dort werden mittlerweile sogar die entrechteten Autofahrer, also die neuen Apotheker (die eh aussterben), als neue Zielgruppe bedient. Nach dem Kampf für den Verbrennermotor möchten die Liberalen jetzt eine Park-Flatrate für Autos in den Innenstädten. Das Ganze wird abermals verbrämt als progressiver Kampf für die individuelle Freiheit.

In Wahrheit ist das schlicht so was von Achtziger und durchsichtig als antigrünes Wahlkampftamtam angelegt. Klingt so ernsthaft wie die Sprüche der Benzinfreaks in "Werner Beinhart" und deren Wurstpellenblinker an der Horex. Der Einsatz fürs Flatrate-Parken ist vor allem eins: Flatrate-Denken. Die Wahlkämpfer der FDP um Christian Lindner laden mit ihren täglichen Interviews und populistischen Breitseiten gegen die Koalitionspartner schneller nach, als sich Scholz und Habeck in Deckung bringen können.

Um es aber nicht bei einem kritischen Blick auf den Populismus der Liberalen zu belassen: Wer durch Thüringen fährt, wo am 1. September gewählt wird, dem stechen Plakate der SPD ins Auge, die 500 Euro Weihnachtsgeld für Rentner und kostenloses Essen für Kinder in Schulen und Kitas versprechen. Das ist nicht so weit weg vom Gratisparken. Freibier fehlt noch.

Mit den drei Landtagswahlen im September wird der Anfang vom Ende der Ampel eingeläutet werden. Im Herbst kommenden Jahres wird es besiegelt sein. Bis dahin bleibt nichts anderes übrig, als diese Regierung wie einen Migräneanfall zu betrachten und sich immer zu denken: Es geht vorbei.

Verwendete Quellen
  • Eigene Überlegungen
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