Zwei-Prozent-Ziel der Nato erreicht Deutschland verzeichnet Rekordsumme bei Verteidigungsausgaben
Besonders Donald Trump droht immer wieder, um Länder wie Deutschland zu höheren Militärausgaben zu bewegen. Was er als US-Präsident nicht schaffte, gelingt Kremlchef Wladimir Putin.
Deutschland hat der Nato erstmals seit drei Jahrzehnten wieder geplante Verteidigungsausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes gemeldet. Nach Recherchen der Deutschen Presse-Agentur (dpa) übermittelte die Bundesregierung für das laufende Jahr einen Betrag, der umgerechnet in Vergleichszahlen des Verteidigungsbündnisses einer Summe von 73,41 Milliarden Dollar entspricht. Dies ist für Deutschland in absoluten Zahlen ein Rekordwert und würde nach aktueller Nato-Prognose eine BIP-Quote von 2,01 Prozent bedeuten.
In der Vergangenheit war Deutschland nach Dokumenten aus dem Nato-Archiv zuletzt 1992 auf Ausgaben in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP) gekommen. In den Jahren des Kalten Krieges hatte die Quote meist bei über drei Prozent gelegen.
- Tagesanbruch: Russland gegen die Nato – was wäre, wenn?
Über die Entwicklung der Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten soll an diesem Donnerstag bei einem Verteidigungsministertreffen in der Brüsseler Bündniszentrale beraten werden. Es wird erwartet, dass in diesem Jahr etwa 20 der 31 Nato-Staaten das Zwei-Prozent-Ziel erreichen.
Steigerung von mehr als 20 Prozent
Die neuen Zahlen entsprechen im Vergleich zum Vorjahr einem Anstieg der Verteidigungsausgaben von mehr als 20 Prozent, wie es aus Nato-Kreisen heißt. Im letzten öffentlichen Bericht zu den Verteidigungsausgaben der Bündnisstaaten war für Deutschland für 2023 lediglich eine Vergleichszahl in Höhe von 56,64 Milliarden Dollar und eine BIP-Quote von 1,57 Prozent angegeben gewesen. Im kommenden Bericht werden diese Zahlen nach dpa-Informationen rückwirkend nach oben korrigiert werden.
Mit der drastischen Steigerung der Verteidigungsausgaben reagiert die Bundesregierung insbesondere auf Russlands Einmarsch in die Ukraine. Durch eine markante Stärkung von Abschreckung und Verteidigung soll Kremlchef Wladimir Putin deutlich gemacht werden, dass ein Angriff auf ein europäisches Nato-Land keinerlei Erfolgschancen hätte.
Mit dem Geld werden nach Angaben des Verteidigungsministeriums unter anderem neue Schützenpanzer, Fregatten, U-Boote und hochmoderne Mehrzweckkampfflugzeuge vom Typ F-35A finanziert.
Trump drohte bereits mehrfach
Hilfreich könnten die Zahlen zudem mit Blick auf eine mögliche Wiederwahl von Donald Trump bei den US-Präsidentschaftswahlen im November sein. Der Republikaner hatte am Wochenende bei einem Wahlkampfauftritt deutlich gemacht, dass er Bündnispartnern mit geringen Verteidigungsausgaben im Fall eines russischen Angriffs keine amerikanische Unterstützung gewähren würde.
Trump hatte bereits in seiner Amtszeit von 2017 bis 2021 immer wieder über die seiner Ansicht nach zu niedrigen Verteidigungsausgaben von europäischen Alliierten gewettert und zeitweise sogar mit einem Austritt der USA aus dem Bündnis gedroht.
Das neue Zwei-Prozent-Ziel
Das derzeit gültige Nato-Ziel für die Verteidigungsausgaben sieht vor, dass die Bündnismitglieder dauerhaft jährlich mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsproduktes in Verteidigung investieren. Es wurde im vergangenen Sommer angesichts der Bedrohungen durch Russland beschlossen. Das bis dato gültige Ziel sah lediglich vor, dass sich alle Bündnisstaaten bis 2024 dem Richtwert annähern, mindestens zwei Prozent ihres BIP für Verteidigung auszugeben.
Eine neue öffentliche Übersicht mit Daten zu den Verteidigungsausgaben der Mitgliedstaaten will die Nato im März vorstellen. Aus ihr wird dann auch hervorgehen, wie hoch die veranschlagten deutschen Verteidigungsausgaben in aktuellen Preisen liegen. Die internen Vorbereitungsdokumente für das Verteidigungsministertreffen an diesem Donnerstag enthalten nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur nur die inflationsbereinigten Vergleichszahlen in US-Dollar.
Bundeswehr-Sondervermögen ermöglicht die Nato-Quote
Ermöglicht wird die massive Erhöhung der deutschen Verteidigungsausgaben derzeit durch ein Sondervermögen in Höhe von 100 Milliarden Euro. Dieses wird allerdings voraussichtlich 2027 aufgebraucht sein. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) drängt deswegen darauf, schnell einen Plan zu entwickeln, wie Deutschland dauerhaft die Nato-Zielvorgaben erreichen kann.
"Wir haben die Zusage des Kanzlers, dass wir bis in die 2030er-Jahre hinein mindestens zwei Prozent des Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung investieren", sagte Pistorius jüngst dem "Spiegel". Das absehbare Auslaufen des Sondervermögens müsse sich in der Finanzplanung niederschlagen.
Sollte das Sondervermögen aufgestockt werden?
Eine Aufstockung des Sondervermögens sieht Pistorius aber skeptisch. "Ich freue mich über jeden Vorschlag, der dazu beiträgt, dass die Verteidigungsausgaben vernünftig und angemessen veranschlagt werden", sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Ein weiteres Sondervermögen ist dafür eine Variante – aber nicht meine favorisierte." Stattdessen plädierte der Minister dafür, dass der Verteidigungsetat im regulären Bundeshaushalt steigt. "Denn für unsere Sicherheit brauchen wir eine Bundeswehr, die langfristig auf soliden finanziellen Füßen steht."
Der CDU-Verteidigungspolitiker Roderich Kiesewetter hatte zuletzt eine deutliche Erhöhung des 100-Milliarden-Euro-Sondertopfs für die Bundeswehr ins Spiel gebracht. "Es ist ja völlig klar, dass wir eher 300 statt 100 Milliarden benötigen, damit die Bundeswehr kriegstüchtig wird", sagte er der "Süddeutschen Zeitung".
Pistorius sagte nun, dass ein in der Verfassung verankertes Sondervermögen zwar den Vorteil habe, dass ein bestimmter Betrag für einen bestimmten Zeitraum zur Verfügung stehe und für Ausrüstung, Waffen und Munition ausgegeben werden könne. Zugleich verwies er jedoch auf mehrere Nachteile: Zum einen fresse die Inflation einen Teil des Sondervermögens auf. "Zum anderen kann das Sondervermögen nicht für Wartung, Unterhaltung, Instandsetzung und Ausbildung eingesetzt werden." Wenn mehr Waffen gekauft würden, steige auch der langfristige Aufwand für die Instandsetzung.
- Nachrichtenagentur dpa