Provokante Forderung Ökonom: Rentner sollen für Rüstung zahlen
Ein Wirtschaftsexperte schaltet sich in die Debatte über die Erhöhung des Wehretats ein. Dabei spricht er eine provokante Forderung aus.
In der Debatte über die zukünftige Ausstattung der Bundeswehr angesichts der wachsenden Bedrohung durch aggressive Regime wie das Russland Wladimir Putins hat sich nun ein führender deutscher Ökonom eingeschaltet. Moritz Schularick, Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (ifw), fordert eine stärkere Beteiligung von Ruheständlern an den höheren Verteidigungsausgaben, die Deutschland wohl wird stemmen müssen.
Sowohl was Personal betrifft, vor allem aber was das Material angeht, etwa wichtige Rüstungsgüter, benötigt die Bundeswehr in Zukunft erhebliche Mittel aus dem Bundeshaushalt. "Mittel- und langfristig wird es nicht ohne Kürzungen und Umschichtungen im Haushalt gehen", sagte der Schularick dem Magazin "Spiegel". "Um nennenswerte Summen zu erreichen, wird man auch an das Rentensystem herangehen müssen."
Der Ökonom schlägt vor, das Renteneintrittsalter zu erhöhen. Den Lebensstandard der Ruheständler sollte man "auf dem aktuellen Niveau durch einen Inflationsausgleich einfrieren". Allein in diesem Jahr würden die Renten voraussichtlich um 3,5 Prozent steigen. "Das ist in einer stagnierenden Wirtschaft kaum noch zu rechtfertigen", sagt der Wirtschaftsexperte.
Es gehe dabei auch um Generationengerechtigkeit. "Es war die ältere Generation, die es versäumt hat, in den vergangenen Jahrzehnten ausreichend in unsere Sicherheit zu investieren", sagt Schularick. "Stattdessen hat sie die Friedensdividende konsumiert." Auch habe sie es unterlassen, das Rentensystem zukunftssicher zu machen. "Deshalb wäre es schwierig, wenn die Älteren nun ihren Beitrag zur Stärkung der Verteidigung verweigern würden", sagt der Volkswirt. "Zumal die Jüngeren ja schon die Kredite, die dafür jetzt notwendig werden, bedienen müssen."
Ökonom: "Sicherheit ist kein Luxusgut"
Grünen-Kanzlerkandidat und Wirtschaftsminister Robert Habeck hatte zuvor im Interview mit "Spiegel" gesagt, die deutschen Verteidigungsausgaben sollten auf 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung erhöht werden, was nahezu einer Verdopplung entspräche. Bundeskanzler Scholz wies das mit der rhetorischen Frage zurückgewiesen, wer denn dafür "die Zechen zahlen" sollte.
"Diesen Kommentar des Kanzlers finde ich irreführend", kritisiert Schularick. "Weil er so tut, als ob es keine Zeche zu zahlen gäbe, würden wir die Verteidigungsausgaben nicht erhöhen und verteidigungsfähig bleiben – dabei könnte uns das am Ende sehr viel teurer zu stehen kommen." Zudem sei Sicherheit kein Luxusgut ist, sondern "eine existenzielle Aufgabe des Staates und damit des Bundeskanzlers".
Habeck sieht das ähnlich. Er verweist in der Debatte auf die Gefahren für Deutschlands Sicherheit, insbesondere angesichts der russischen Bedrohung. Allerdings widersprach der grüne Vizekanzler am Mittwoch der Forderung des künftigen US-Präsidenten Donald Trump an die Nato-Verbündeten, fünf Prozent ihrer Wirtschaftsleistung in Verteidigung zu investieren. "Was Donald Trump vorschlägt, ist unrealistisch. Wir werden nicht am Ende bei fünf Prozent landen", sagte Habeck den Zeitungen der "Funke-Mediengruppe".
Habeck: "3,5 Prozent könnten vorübergehend sein"
Derzeit liegt das gemeinsame Nato-Ziel bei zwei Prozent. Doch selbst diesen Anspruch konnte Deutschland lange Zeit nicht erfüllen. Im Jahr 2024 rutschten die Verteidigungsausgaben im Bundeshaushalt erstmals seit 30 Jahren über die Zwei-Prozent-Marke – die Vorgängerregierungen hatten dieses Ziel zum Teil deutlich verfehlt.
Habeck bekräftigte jedoch seinen Vorstoß nach einer Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf 3,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). "3,5 Prozent ist ungefähr das, was derzeit in der Nato als mittelfristiges Ziel diskutiert wird", erläuterte der Wirtschaftsminister.
Im Gegensatz zu Schularick sieht Habeck als geeignetes Instrument zur Finanzierung der Maßnahme eine Reform der Schuldenbremse. So könne man durch neue Sondervermögen für die Verteidigung den gestiegenen Ansprüchen der Bundeswehr gerecht werden, ohne Einsparungen beim Haushalt vorzunehmen.
Verteidigungsetat wäre bei fünf Prozent der größte Posten
Habeck zufolge könnten die 3,5 Prozent nur vorübergehend sein. "Wenn wir in ein paar Jahren einen vernünftigen Zustand erreicht haben für Deutschlands Sicherheit, dann wird man die Ausgaben wieder reduzieren können."
Festgelegt ist das Zwei-Prozent-Ziel der Nato-Staaten bereits seit dem Jahr 2014. Damals wurde allerdings beschlossen, dass die Staaten auf dieses Ziel hinarbeiten sollten. Erst Donald Trump mahnte in seiner ersten Amtszeit als US-Präsident (2017 bis 2021) die Verbündeten, dass sie mehr tun müssten, um die selbst gesetzte Vorgabe auch zu erfüllen.
Eine Nato-Quote von fünf Prozent, wie Trump sie nun fordert, würde 2025 rein rechnerisch Verteidigungsausgaben von deutlich mehr als 200 Milliarden Euro bedeuten. Zum Vergleich: Der mit Abstand größte Einzeletat ist derzeit der des Arbeitsministeriums mit rund 179 Milliarden Euro – darin enthalten sind Milliardenausgaben für die Rentenversicherung und das Bürgergeld. Bei einer Anhebung der Verteidigungsausgaben auf fünf Prozent des BIP wäre also der Verteidigungsetat voraussichtlich der größte.
- Vorabmeldung des "Spiegel"
- Mit Material der Nachrichtenagentur dpa