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Bundeswehr: CSU kritisiert fehlende Innovation bei Drohnen und KI


Deutschlands Verteidigung
"Scholz schürt Ängste vor einem Dritten Weltkrieg"

  • Daniel Mützel
InterviewVon Daniel Mützel

Aktualisiert am 08.01.2025 - 07:23 UhrLesedauer: 7 Min.
Jahresauftakt des SPD-PräsidiumsVergrößern des Bildes
Der Ukraine-Krieg im deutschen Bundestagswahlkampf: Kanzler Scholz und die Union machen sich seit Wochen gegenseitig schwere Vorwürfe. (Quelle: Kay Nietfeld/dpa/dpa-bilder)
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Während im Ukraine-Krieg ständig neue Hightech-Drohnen zum Einsatz kommen, hat die Bundeswehr keine einzige bewaffnete Drohne. CSU-Mann Florian Hahn fordert ein Umdenken in der Truppe – und macht der SPD scharfe Vorwürfe.

Fast drei Jahre ist es her, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag die Zeitenwende ausrief. Doch die Strukturprobleme der Bundeswehr sind geblieben: zu wenig Personal, zu lange Beschaffungswege, ein verkrusteter Apparat, fehlende Einsatzfähigkeit. Geht es nach dem verteidigungspolitischen Sprecher der Unionsfraktion, Florian Hahn, kommt noch ein weiteres Problem hinzu: technologische Rückständigkeit.

"Das ist der Irrsinn: Die Bundeswehr ist noch nicht in der Gegenwart angekommen", klagt Hahn im Gespräch mit t-online und meint vor allem fehlende Zukunftstechnologien wie Drohnen und Künstliche Intelligenz. Der CSU-Politiker erklärt auch, warum bei der Finanzierung der Bundeswehr neue Schulden nur das letzte Mittel sein dürften, worauf sich der Friedensflügel der SPD im Falle einer Großen Koalition einstellen müsste – und was er von der Behauptung seines Fraktionskollegen Roderich Kiesewetter (CDU) hält, es gebe eine "Moskau-Connection" in der Union.

t-online: Herr Hahn, in einem Positionspapier werfen Sie dem Haus von Verteidigungsminister Boris Pistorius vor, den technischen Fortschritt zu verschlafen. Bei Drohnen, Künstlicher Intelligenz und Weltraumfähigkeiten gibt es keine Innovationen. Ist die Bundeswehr eine technologisch rückständige Armee?

Florian Hahn: Die Bundeswehr hängt in veralteten Mustern fest. Sie setzt sich nicht mit den neuen Szenarien der Kriegsführung auseinander. Daher kann sie auch nicht die richtigen Rückschlüsse ziehen, wie die Bundeswehr der Zukunft aussehen soll.

Zum Beispiel?

Während der Ausbildung in Deutschland haben sich die Ukrainer verwundert die Augen gerieben, weil die Ausbildung völlig ohne Drohnen auskam. Die Ukrainer wissen aber natürlich, dass ihr Abwehrkampf gegen Russland von der Drohnentechnologie geprägt ist. Das ist der Irrsinn: Die Bundeswehr ist noch nicht in der Gegenwart angekommen.

Sie fordern, die Bundeswehr solle eine "Drohnenarmee" werden, inklusive "sofortiger Beschaffung" von 100.000 Drohnen. Welches Kriegsszenario haben Sie dabei im Kopf?

Der potenzielle Gegner der Bundeswehr ist die Russische Föderation und ihre Verbündeten. Russland hat dank China und dem Iran Zugriff auf die modernsten Kriegstechnologien, etwa im Bereich von Kampfdrohnen, Chips und weiterer Technologiekomponenten. Russland ist die größte Bedrohung für uns in Europa. In einem möglichen Drohnenkrieg der Zukunft müssen wir nicht nur verteidigungsbereit, sondern auch in der Lage sein, die militärisch-technologische Dominanz in diesem Feld zu erringen.

Also einen Krieg gegen Russland zu gewinnen?

Einen Verteidigungskrieg, ja.

Wo sehen Sie die Gründe für die technologische Rückständigkeit der Truppe?

Das ist ein politisches Versagen der Sozialdemokratie. Beim Thema Drohnen ist der Fall klar: Es war die SPD, die in den letzten acht Jahren der Großen Koalition die Beschaffung bewaffneter Drohnen blockiert hat. Aus rein ideologischen Gründen wohlgemerkt, obwohl Drohnen die Sicherheit unserer Soldaten im Einsatz gestärkt hätten.


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Das ist ein politisches Versagen der Sozialdemokratie.


CSU-Politiker Florian Hahn


Planer im Bundesverteidigungsministerium verweisen auf die rasante technische Entwicklung speziell im Bereich unbemannter Flugsysteme. Was soll die Truppe mit 100.000 eingelagerten Drohnen, die in zwei Jahren veraltet sind?

Sollte es zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommen, ist es besser, welche zu haben als keine. Den Zeitpunkt eines Krieges wählt im Zweifel der Gegner. Aktuell verfügen wir über eine mittlere dreistellige Zahl an Drohnen, keine einzige davon bewaffnet. Das ist ein eklatantes Sicherheitsrisiko. Wir brauchen Streitkräfte, die mit Drohnen umgehen können, und eine Rüstungsindustrie, die jederzeit genug dieser Waffensysteme "state of the art" produzieren kann.

Wir müssen zudem aus unseren alten Denkmustern herauskommen: Waffensysteme beschafft man nicht mehr für zehn oder 20 Jahre. Wir müssen flexibler, modularer werden, so dass nur einzelne Komponenten ausgetauscht oder die Software und KI ein Update erhalten müssen.

Sie kritisieren die damalige Blockade der SPD bei der Drohnenbeschaffung, zugleich scheint ihr Parteichef Markus Söder ein erneutes schwarz-rotes Bündnis nach der Wahl zu bevorzugen. Wird eine neue Große Koalition verteidigungspolitisch nicht an den gleichen Problemen scheitern?

Ich bin davon überzeugt, dass die SPD vom Wähler hart abgestraft und deutlich an Kraft verlieren wird. In einer möglichen schwarz-roten Koalition unter einem Kanzler Friedrich Merz werden wir unseren Ansatz klar und kompromisslos vertreten.

Sie haben den SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich mal als größtes Irrlicht in der deutschen Sicherheitspolitik bezeichnet, die SPD als Sicherheitsrisiko für das Land. Wie lassen sich da Kompromisse finden?

Neben einer Wende in der Wirtschafts- und Migrationspolitik hat die äußere Sicherheit nach der Wahl für uns absolute Priorität. Das haben wir bei unserer Klausurtagung in Seeon noch mal deutlich gemacht. Der Friedensflügel der SPD kann sich also darauf einstellen, dass wir auch hier keine faulen Kompromisse machen werden.

Kurz vor Weihnachten billigte der Haushaltsausschuss des Bundestags 38 Rüstungsprojekte aus dem Verteidigungsministerium – eine Rekordzahl. Darunter neue Mehrfachraketenwerfer, Fregatten und gepanzerte Fahrzeuge. Ist die Erzählung der Union vom "Ankündigungsminister Pistorius", der angeblich nichts umsetze, damit nicht widerlegt?

Es ist keine große Kunst, mehr Rüstungsverträge abzuschließen, wenn man ein milliardenschweres Sondervermögen zur Verfügung hat. Auch kommen die Vorlagen verdammt spät, Pistorius versucht sie kurz vor Ablauf der Legislatur einzutüten. Aber was mich besonders stört: Von diesen knapp 40 Vorhaben ist kein einziges dabei, das sich mit Drohnen und Zukunftstechnologien befasst.

Pistorius will noch zwei große Vorhaben vor Ablauf der Legislatur durchbringen: bis zu 168 Radhaubitzen vom Typ RCH 155 und ein Nachfolgemodell für den Transportpanzer Fuchs. Kann er mit der Unterstützung der Union rechnen?

Wir warten ab, wie die Vorlagen aussehen. Wenn sie der Stärkung und Abschreckungsfähigkeit der Bundeswehr dienen, werden wir uns dem nicht verweigern.

Die Union hielt sich zuletzt mit Kritik am beliebtesten Politiker Deutschlands auffallend zurück. Heißt das, dass auch der künftige Verteidigungsminister in einer möglichen Merz-Regierung Boris Pistorius heißen wird?

Pistorius findet oft die richtigen Worte, aber war kaum in der Lage, seine Forderungen in der Ampel durchzusetzen. Auch fehlt ihm die Fähigkeit, ein Bild von den Streitkräften der Zukunft zu entwerfen. Das wünsche ich mir vom künftigen Verteidigungsminister.

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Das heißt, Sie könnten mit einer weiteren Amtszeit von Pistorius leben?

Es geht nicht darum, mit wem die Union oder ich leben kann. Es geht darum, die Sicherheit Deutschlands und die Bundeswehr zu stärken und sie zukunftsfähig zu machen.

In ihrem Wahlprogramm verspricht die Union allerlei: moderne Kasernen, Vollausstattung für Soldaten, Erfüllung der Nato-Zusagen, Investitionen in Drohnen- und Weltraumfähigkeiten. Wie wollen Sie das ohne eine Reform der Schuldenbremse finanzieren?

Wir müssen der vermeintlich einfachen Lösung widerstehen, dass wir unsere politischen Wünsche einfach durch Schulden finanzieren. Andere Länder schaffen das auch. Polen gibt 4,5 Prozent seiner Wirtschaftsleistung für Verteidigung aus, auch die Balten investieren deutlich mehr als wir. Wir müssen zuerst dafür sorgen, dass wir wieder an Wirtschaftskraft zulegen, um wieder mehr staatliche Einnahmen zu haben. Zugleich müssen Ausgaben neu priorisiert werden. Mit den freigewordenen Spielräumen können wir die Bundeswehr stärken.


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Was wir von Robert Habecks Zahlenkunst zu erwarten haben, wissen wir aus seiner Tätigkeit als Wirtschaftsminister.


CSU-Politiker Florian Hahn


Aber diese Spielräume werden sehr wahrscheinlich nicht reichen. Im Jahr 2028 soll der Wehretat um 30 Milliarden Euro auf 80 Milliarden steigen. Gehört nicht zur Wahrheit, dass die künftigen Verteidigungsausgaben zumindest zum Teil durch neue Schulden finanziert werden müssen?

Vor 15 Jahren hatten wir eine Schuldenkrise in Deutschland, die damals von einer rot-grünen Regierung angezettelt wurde und die ganz Europa destabilisiert hat. Neue Schulden können nur das letzte Instrument sein.

Das heißt, sie sind auch ein Instrument?

Noch mal: Wir müssen erst andere Einnahme- und Ausgabenmöglichkeiten ausreizen. Ad hoc lassen sich doch viele irrsinnige Ausgaben wie die Fahrradwege in Peru einsparen. Erst dann wird man sehen, wo noch eine Finanzierungslücke besteht und ob man auf andere Finanzierungswege zurückgreifen muss. Der Anspruch muss aber sein, die Schuldenbremse einzuhalten: aus Gründen der Finanzstabilität und Generationengerechtigkeit.

Robert Habeck hat 3,5 Prozent der deutschen Wirtschaftsleistung für die Verteidigung gefordert. Von der SPD gab es sofort Widerspruch. Hand aufs Herz: Wünschen Sie sich als Verteidigungspolitiker heimlich Schwarz-Grün nach der Wahl?

Überhaupt nicht. Was wir von Robert Habecks Zahlenkunst zu erwarten haben, wissen wir aus seiner Tätigkeit als Wirtschaftsminister. Habeck hinterlässt eine katastrophale Bilanz. Ich bin mir nicht mal sicher, ob er weiß, was 3,5 Prozent der Wirtschaftsleistung bedeuten.

Aber hat Ihnen Habeck nicht ein Wahlkampfthema gestohlen? Die CSU fordert ja selbst drei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Der Unterschied ist Glaubwürdigkeit. Wir werfen nicht mit Zahlen umher, weil gerade Wahlkampf ist. Mich würde auch wundern, wenn die komplette grüne Bundestagsfraktion in der Frage hinter Habeck steht.


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Kanzler Scholz schürt Ängste vor einem Dritten Weltkrieg und macht das ausgerechnet am Taurus fest.


CSU-Politiker Florian Hahn


Ihr Fraktionskollege Roderich Kiesewetter hat mit seiner Behauptung, Scholz plane eine Reise nach Moskau zu Putin, einen Eklat ausgelöst. Nach scharfer Kritik aus dem Kanzleramt löschte er seinen Post auf X. Ging Kiesewetter zu weit?

Der Kollege Kiesewetter hat hier natürlich den Finger in die Wunde der SPD gelegt und spielte auf die tiefe "Moskau-Connection" in den Reihen der SPD an. Gleichwohl sprach er mit dem Beitrag sicherlich nicht für die Union, sondern nur für sich als Abgeordneter und berichtete von seinen persönlichen Eindrücken.

Kiesewetter sprach in dem gelöschten Beitrag auch von einer "Moskau-Connection in den eigenen Reihen", die man nicht hinnehmen dürfe. Gibt es einen russlandfreundlichen Flügel bei CDU/CSU?

Nein, das ist lächerlich.

Der Unionskanzlerkandidat Friedrich Merz hat Kanzler Scholz in der Ukraine-Politik lange getrieben. Doch je näher der Wahltermin rückt, desto zurückhaltender äußert er sich. Wird ein Kanzler Merz am Ende doch nur eine leicht abgewandelte Version der Scholz'schen Ukraine-Politik betreiben?

Wie es in der Ukraine weitergeht, wird weniger von der Bundestagswahl abhängen als vom 20. Januar, wenn Donald Trump neuer US-Präsident wird. Aber so viel sei gesagt: Wir als Union werden, hoffentlich gemeinsam mit unseren amerikanischen Freunden, die Ukraine so stark unterstützen, wie wir können. Scholz lieferte immer zu spät und zu wenig, mit teils fatalen Folgen für die Ukraine. Das wird sich mit uns ändern.

Merz hatte kürzlich vorgeschlagen, den Marschflugkörper Taurus an die Ukraine zu liefern, sollte Russland seine Angriffe auf die zivile Infrastruktur nicht einstellen. Nach harscher Kritik aus der SPD entschärfte Merz seine Rhetorik. Wird ein Kanzler Friedrich Merz der Ukraine nun den Taurus liefern oder nicht?

Die Taurus-Position der Union ist bekannt. Ich sage aber auch: Wir werden nach der Bundestagswahl am 23. Februar eine neue Situation haben: Donald Trump wird dann schon im Weißen Haus sitzen und auch die militärische Lage in der Ukraine wird dann neu bewertet werden müssen.

Ist das ein Rückzieher?

Nein. Die Union steht zu ihrer Haltung. Wir haben in zwei Anträgen im Bundestag die Taurus-Lieferung gefordert. Nach der Wahl werden wir die Lage genau analysieren und, sollten wir die Regierung anführen, entsprechend auch in dieser Frage entscheiden.

Das klingt deutlich zurückhaltender als noch vor einigen Monaten.

Kanzler Scholz schürt Ängste vor einem Dritten Weltkrieg und macht das ausgerechnet am Taurus fest. Die SPD will in ihrer Verzweiflung aus dieser Angst Kapital schlagen und hofft, den Taurus zum Wahlkampfthema zu machen. Diesen Gefallen werden wir ihr nicht tun.

Herr Hahn, vielen Dank für das Gespräch.

Verwendete Quellen
  • Interview mit Florian Hahn
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