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Alice Weidel: Ihr größter Feind verlässt die AfD


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Parteitag in Baden-Württemberg
Nach Triumph in Ulm: Weidels größter Feind verlässt die AfD


05.10.2024Lesedauer: 5 Min.
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Deutliche Unterstützung für Alice Weidel (Archivbild): Mit hoher Zustimmung wurde sie von ihrem Landesverband zur Spitzenkandidatin gewählt – keine Selbstverständlichkeit. (Quelle: IMAGO/M. Popow/imago)
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AfD-Chefin Alice Weidel bringt auf der Aufstellungsversammlung in Ulm den chronisch zerstrittenen Landesverband hinter sich. Ihr erbittertster Gegner kündigt daraufhin seinen Parteiaustritt an.

Alice Weidel steht auf der Bühne und formt mit ihren Händen ein Herz. Es ist eine Sympathiebekundung, wie man sie von der AfD-Chefin selten sieht. Doch von der 45-Jährigen dürfte gerade einige Anspannung abfallen: Sie hat sich mit einer für sie typischen Rede um die Spitzenkandidatur in ihrem Heimatverband Baden-Württemberg beworben – und das Publikum jubelt ihr zu, klatscht laut. Einige rufen im Chor: "Alice, Alice!"

Mit 86,5 Prozent wählt die Aufstellungsversammlung in Ulm sie kurz darauf als Spitzenkandidatin auf Platz 1 ihrer Liste für die Bundestagswahl 2025. Weidels Weg ist damit frei, um im März auf dem Bundesparteitag im sächsischen Riesa zur Kanzlerkandidatin gekürt zu werden. Auf den aussichtsreichsten Plätzen der Liste direkt hinter ihr landen zudem ausschließlich Weidel-Fans – Freunde und Verbündete. Zum ersten Mal seit Langem sendet der chronisch zerstrittene Landesverband so ein deutliches Signal der Einheit.

Selbstverständlich gewesen ist diese Zustimmung für Weidel nicht. Denn ausgerechnet ihr Heimatverband Baden-Württemberg war lange ihre Achillesferse. Viele ihrer größten Kritiker und Intimfeinde sitzen in dem Verband, lange gab es im Landesvorstand ein Tauziehen um die Macht zwischen ihren Verbündeten und ihren Gegnern sowie erbitterte Scharmützel.

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Weidel-Gegner Spaniel kündigt Parteiaustritt an

Der 45-Jährigen fehlte als Parteichefin so eine wirkliche Hausmacht – diese große Schwachstelle hat sie nun ausgeräumt. Es ist ein später Triumph, der viel Arbeit gekostet hat. Einige der Methoden, mit denen dieser Triumph erreicht wurde, stehen aber scharf in der Kritik.

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Einer von Weidels hartnäckigsten Gegnern, Dirk Spaniel, kündigt im Gespräch mit t-online am Samstagabend nach einer missglückten Kandidatur an, die AfD verlassen zu wollen. Er sei erleichtert, nun nicht mehr "die parteiinternen Schweinereien" gegen sich aus "einer Parteiräson" heraus hinnehmen zu müssen, sagt er. "Soll die AfD ruhig diesen Weg gehen. Es ist nicht mehr lange meiner."

Die AfD verliert damit ihren bisherigen verkehrspolitischen Sprecher im Bundestag. Er gilt als Weidel-Gegner und Quertreiber, der in Baden-Württemberg Anhänger der basisdemokratischen Strömung wie des rechtsextremen Höcke-Flügels um sich schart. Als promovierter Ingenieur wird er von Kollegen aber auch unbestritten als Experte auf seinem Gebiet beschrieben.

Umstrittene Methoden vorab

Schon im Februar, auf einem Landesparteitag in Rottweil, war das Verhältnis im Südwesten zugunsten von Weidels Truppen gekippt. Allerdings wehrten sich ihre Kritiker mit allen Kräften, der Parteitag versank im Chaos und wird noch immer vor den Parteigerichten angefochten.

Am Samstag in Ulm ergibt sich ein völlig anderes Bild: Weidels Kritiker sind deutlich in der Unterzahl – und bleiben bei der Versammlung zum großen Teil stumm. Mit hoher Zustimmung bringt das Weidel-Lager bis zum späten Nachmittag einen Kandidaten nach dem anderen durch.

Viele Strippen wurden dafür von den Weidel-Verbündeten und Landesvorsitzenden Markus Frohnmaier und Emil Sänze gezogen, E-Mail-Verteiler genutzt, über die Parteiinfrastruktur vorab dezidierte Wahlempfehlungen ausgesprochen. Frohnmaier wird später in einem Pressestatement leugnen, dass der Landesvorstand sich eingemischt und Wahlempfehlungen zugunsten bestimmter Kandidaten ausgesprochen habe. t-online aber liegen mehrere E-Mails vor, die anderes belegen.

In einer E-Mail des größten AfD-Kreisverbands Rhein-Neckar-Kreis an seine Mitglieder beispielsweise werden namentlich gleich mehrere favorisierte Kandidaten vom Kreisvorstand gelobt und für die Wahl auf die Liste empfohlen. "Besonders hervorzuheben ist, dass diese breite Unterstützung auch von unserer Fraktionsvorsitzenden Dr. Alice Weidel, dem Landessprecher Markus Frohnmaier sowie vielen weiteren Mandats- und Funktionsträgern bekräftigt wird", heißt es da.

Ins Visier genommen wurde vor der Versammlung auch explizit Spaniel: Auf einer Kreissprechertagung wurde einem seiner Mitarbeiter der Parteiausschluss nahegelegt, weil er Weidel als "Stück Scheiße" beleidigt habe. Der Vorfall soll allerdings schon Jahre zurückliegen, heißt es im Spaniel-Lager. Dem Landesvorstand wurde außerdem empfohlen, Ordnungsmaßnahmen gegen Spaniel selbst wegen "parteischädigendem Verhalten" zu prüfen, weil er vor Monaten ein Video mit dem Titel "So nicht, Frau Weidel" veröffentlicht hatte – und trotz Abmahnung nicht von allen Plattformen löschte.

Weidels Unterstützer siegen deutlich

Wie viel der Unterstützung am Samstag tatsächlich auf diese Aktionen vorab zurückzuführen ist, lässt sich nicht sagen. Deutlich aber siegen Weidels Truppen: Ebenfalls ohne Gegenkandidaten werden nach der Parteichefin Markus Frohnmaier mit 81 Prozent (Platz zwei), Martin Hess mit 84,8 Prozent (Platz drei) und Marc Bernhard mit 83,4 Prozent (Platz vier) gewählt.

Vor allem Frohnmaiers und Hess' Reden kommen beim Publikum gut an. Frohnmaier besticht mit AfD-typischem Humor: Mit Blick auf die dank der Stärke der AfD aktuell schwierigen Koalitionsverhältnisse spricht er von "politischen Landschaften", die zum "Swingerclub" werden; bezeichnet Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) als "Trampolinexpertin" und attackiert die CDU ("Im Konrad-Adenauer-Haus läuft der Kopierer – da liegt unser Wahlprogramm").

Ex-Polizist Hess, stellvertretender innenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion, hält eine laute Rede mit Fokus auf Sicherheitspolitik: "Da steigt in mir als Vater eines Kindes die kalte Wut auf", ruft er. Und: "Remigration schafft Sicherheit, liebe Freunde!"

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Erst bei Platz 5 kommt es zu Konkurrenz

Erst um Platz fünf auf der Liste entspinnt sich erstmals ein Duell zwischen den beiden Lagern, als Dirk Spaniel gegen den Landtagsabgeordneten Ruben Rupp kandidiert. Während Rupp in seinem Auftritt blass bleibt, adressiert Spaniel den Lagerkampf in Baden-Württemberg: Entscheiden müsse die Versammlung, "ob wir zu einer Funktionärspartei werden oder ob Erfahrung außerhalb der Politik weiterhin ein Qualitätsmerkmal sein soll", sagt er. Er betont seine Berufserfahrung und sein Know-how auf dem Feld der Verkehrspolitik. "Natürlich unterstütze ich Frau Weidel", behauptet er dann. Kritik aber sei wichtig, nötig, hilfreich. In der CDU seien alle Kritiker "entsorgt" worden – das sei für jede Partei ein Problem.

Als "Anführer der Querulanten" bezeichnet ein Mitglied aus dem Publikum Spaniel kurz darauf am Saalmikrofon, daraufhin erklingen zum ersten Mal laute Buhrufe. Gerichtet sind sie gegen Spaniel. Das Wahlergebnis, das später verkündet wird, entspricht diesem Eindruck: 69 Prozent für Rupp – nur 26,9 für Spaniel.

Weidel feiert "grandiose Ergebnisse", Spaniel zieht ernüchtertes Fazit

Weidel dürfte sich über diese Niederlage freuen. Von "grandiosen Ergebnissen für die Landespartei", spricht sie bei einem Pressestatement am Nachmittag allgemein. "Dankbar und demütig" sei sie, explizit dankt sie Frohnmaier und Sänze. Und betont: "Ich glaube, das wird im Ergebnis sehr gut werden für die Landesgruppe Baden-Württemberg in der nächsten Wahlperiode."

Auch Frohnmaier betont die positiven Signale, die der Verband hier setze: "Weiter professionalisiert" habe die AfD Baden-Württemberg sich, geeint stehe man hinter der Spitzenkandidatin. "Es ist mittlerweile allen klar geworden, dass nur eine geeinte, an einem Strang ziehende Landespartei Ergebnisse wie im Osten Deutschlands in Baden-Württemberg holen kann."

Spaniel zieht hingegen ein ernüchtertes Fazit: "Jede Partei bekommt die Politiker, die sie verdient."

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherchen und Beobachtungen auf der Aufstellungsversammlung in Ulm
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