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Olaf Scholz in Hamburg: 90 Minuten Heimspiel


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Kanzler im Bürgerdialog
Sie sorgen sich um Scholz


Aktualisiert am 03.10.2023Lesedauer: 3 Min.
GERMANY-POLITICS/SCHOLZVergrößern des Bildes
Olaf Scholz: Der Kanzler traf sich in Hamburg zum Gespräch mit Bürgerinnen und Bürgern. (Quelle: Cathrin Mueller/reuters)

Anlässlich der Feierlichkeiten zum Tag der Deutschen Einheit trifft Olaf Scholz in Hamburg auf 150 Bürgerinnen und Bürger. Ein Werbetermin für den Kanzler – bei dem sogar Fürsorge sichtbar wird.

Olaf Scholz blickt grinsend in die Menge. Er wippt auf seinen Füßen vor und zurück, macht einen gut gelaunten Eindruck. An diesem Montagnachmittag trifft der Bundeskanzler in der Hamburger Handelskammer auf 150 Bürgerinnen und Bürger.

90 Minuten Fragen, dann ein paar Selfies – alle recht freundlich.

Das Bürgergespräch ist ein Format, das das Kanzleramt im vergangenen Jahr ins Leben gerufen hat. Scholz reist in jedes der 16 Bundesländer, um mit einer ausgewählten Gruppe Bürgerinnen und Bürger ins Gespräch zu kommen. Es geht um Renten, Migration, Mieten.

Ein wichtiges Forum für den Kanzler, dem oft vorgeworfen wird, er kommuniziere zu wenig. Solche Auftritte sollen ihn nahbarer machen. Er kann sich erklären, nachfragen, hin und wieder sogar ein paar Witze machen. Ein wandelnder Werbeblock also.

Zumal es für Scholz ein Heimspiel ist. Der SPD-Politiker hat die Hansestadt lange als Bürgermeister regiert, zeitweise sogar mit absoluter Mehrheit. Noch immer wird bei jedem seiner Besuche deutlich, wie verbunden er Hamburg ist – und Hamburg ihm.

Hier sagen sie "Moin, Herr Bundeskanzler" und schätzen Scholz' hanseatische Zurückhaltung.

Es ist ein Wohlfühl-Termin, den der Kanzler gut gebrauchen kann. In den Umfragen hat seine Koalition gerade einen neuen Tiefpunkt erreicht. Wären am kommenden Sonntag Bundestagswahlen, kämen SPD, FDP und Grüne zusammen nur noch auf 36 Prozent. Seit Monaten sinkt die Zufriedenheit fast stetig.

In Hamburg sorgen sie sich um Scholz

Die Sorge wegen der wirtschaftlichen Lage und der Migrationskrise, der Unmut über die Streitereien der Ampel – und die Zweifel an der Koalition. Man merkt das alles auch hier in Hamburg. Ein Mann fragt, wie die Regierung das mit der Zuwanderung in den Griff bekommen will, damit die Menschen nicht überlastet werden und aus Frust zu den Rechtsextremen überlaufen. Eine Frau verweist auf die "nicht so gute" Stimmung in der Ampel. Eine andere beschwert sich über zu hohe Mieten.

Es sind Sorgen, die Scholz dieser Tage immer wieder hört.

Nur eins ist anders: In Hamburg sind sie Scholz trotz aller Kritik wohlgesonnen. Anstatt ihn für die Probleme verantwortlich zu machen, wirkt es fast so, als sorge man sich hier um den Kanzler, als wollten sie ihm helfen, gar Tipps geben.

Eine Frau will wissen, wie Scholz auf die AfD blickt. Sie selbst befürchte, "dass die unsere Demokratie zerstören." Eine andere verweist auf die schlechten Umfragewerte der Ampel. Und fragt, wie Scholz bis zur kommenden Bundestagswahl "ein Comeback" schaffen will, um wieder nach vorne zu kommen.

Scholz, der an diesem Nachmittag gelöst wirkt, antwortet: "Eigentlich ist das ein Geheimnis, das wir in der SPD-Parteizentrale im Tresor eingeschlossen haben." Er mache sich keine Sorgen, dass die Menschen bis zur kommenden Bundestagswahl die Erfolge der Regierung sehen würden.

Abwarten, wird schon.

Den Hamburgerinnen und Hamburgern reicht das nicht. Eine Bürgerin verweist auf die Streitereien der Ampel und die nicht sichtbaren Erfolge. "Die Leute wollen wissen: Was macht ihr?", sagt sie und schlägt Scholz vor, regelmäßig eine Art "Rechenschaftsbericht im Ersten oder Zweiten Deutschen Fernsehen abzugeben. Scholz könne den Menschen dort "in einfacher Sprache" die Arbeit der Regierung erklären. Wenn er zeitlich verhindert sei, könne doch auch Vizekanzler Robert Habeck einspringen.

Und sie ist nicht die einzige: Eine zweite Dame aus dem Publikum bittet Scholz um mehr Kommunikation. Es gehe sonst nicht in die Köpfe der Menschen rein, wenn die Ampel mal was Gutes tue: "Ich glaube schon, dass sie sich bei den meisten Sachen sehr viel denken. Lassen Sie uns daran teilhaben", sagt sie.

Tag der Deutschen Einheit in Hamburg

Während Scholz drinnen Fragen beantwortet, finden draußen in der Innenstadt an diesem Montag und Dienstag die Feierlichkeiten für den Tag der Deutschen Einheit statt. Ein riesiger Aufriss. Jedes Bundesland ist mit einem Stand vertreten. Es gibt einen nachgestellten Bundestag, einen Bundesrat, sogar ein Verfassungsgericht.

Neben dem Kanzler ist eine ganze Reihe Termine mit Vertreterinnen und Vertretern der Ampel und ein paar Ministerpräsidenten geplant.

Von Spaltung? Soll keine Rede sein.

Dabei ist die Einheit, die hier demonstriert wird, in Deutschland gefährdeter denn je. Zwischen West und Ost. Zwischen der Regierung und den Bürgern. Und zwischen den Ampelparteien. Spätestens, wenn Scholz aus dem wohligen Hamburg zurück in Berlin ist, wird er wieder mit der Realität konfrontiert sein.

Verwendete Quellen
  • Eigene Recherche
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