Wirbel um Merz Das sagt viel aus
Friedrich Merz steht massiv unter Druck, die Kritik an seinen AfD-Äußerungen ist auch in der Union noch immer groß. Besonders interessant ist allerdings die Reaktion seiner größten Rivalen um die Kanzlerkandidatur.
Vielleicht dauert es noch Wochen oder gar Monate. Aber es spricht einiges dafür, dass Friedrich Merz eines Tages an den Juli 2023 zurückdenken und sich sagen wird: Mist, damals habe ich es endgültig verbockt.
Dass seine Äußerungen über eine Kooperation der CDU mit der AfD auf kommunaler Ebene von den politischen Gegnern heftig kritisiert werden? Geschenkt. Dass sich jene in der Partei zu Wort melden, die ihn eh für den falschen Chef halten? Damit kann er leben. Dass sich aber auch Politiker von seinen Aussagen distanzieren, die eigentlich auf seiner Seite stehen? Das zeigt, wie gering sein Rückhalt inzwischen ist. Als CDU-Chef. Aber eben auch als potenzieller Kanzlerkandidat der Union.
Personelle Alternativen lösen auch keine Euphorie aus
Es war schon bislang nicht so, dass Unionsvertreter in Begeisterungsstürme ausbrachen, wenn man sie auf eine mögliche Kanzlerkandidatur von Merz ansprach. Aber es stellte fast niemand infrage, dass der Chef der größeren Schwesterpartei nach der Kanzlerkandidatur greifen kann, wenn er es denn will.
Zumal die personellen Alternativen für den Kanzlerkandidaten von CDU und CSU eben auch nicht für kaum zu bändigende Euphorie sorgen:
- Hendrik Wüst hat zwar im vergangenen Jahr die Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen gewonnen und führt geräuschlos eine schwarz-grüne Koalition. Aber er ist erst seit Herbst 2021 im Amt (als er Armin Laschet nach seiner gescheiterten Kanzlerkandidatur ablöste). Über das bevölkerungsreichste Bundesland hinaus ist Wüst kaum bekannt.
- Daniel Günther regiert seit 2017 in Schleswig-Holstein und ist – wenn man die Wahlergebnisse betrachtet – der erfolgreichste Ministerpräsident der Union. Bei der Landtagswahl im vergangenen Jahr holte er für die CDU 43,4 Prozent. Ein Ergebnis, das selbst CSU-Politiker inzwischen neidisch macht. Doch Günther pflegt eine gewisse Abscheu gegen den Berliner Betrieb und lässt keine ernsthaften Ambitionen erkennen, in die Bundespolitik wechseln zu wollen.
- Markus Söder traut sich grundsätzlich jeden Job zu. Dass er noch mal versuchen würde, Kanzlerkandidat der Union zu werden, steht außer Frage. Da mag Söder noch so viel erzählen, wie toll sein Job als Ministerpräsident in Bayern ist. Entscheidend dafür, wie realistisch seine Ambitionen sind, wird die Landtagswahl im Herbst sein. Sollte er dort ein gutes Ergebnis holen, dürften die Stimmen nach einem Kanzlerkandidaten Söder selbst in der CDU wieder lauter werden.
Das Gute für die Rivalen von Merz ist, dass sie eigentlich nicht viel machen müssen – außer auf seine Fehler zu warten. Also darauf setzen können, dass sich die Frage nach der Kanzlerkandidatur durch falsche strategische Entscheidungen oder zweifelhafte Aussagen von Merz irgendwann von selbst erledigt.
Söder reagiert am deutlichsten
Doch haben die jüngsten Ereignisse gezeigt, dass sich nicht alle gleich verhalten. Am deutlichsten war die Reaktion von Söder. Auf Twitter schrieb er: "Die CSU lehnt jede Zusammenarbeit mit der AfD ab – egal auf welcher politischen Ebene." Söder fügte hinzu: "Denn die AfD ist demokratiefeindlich, rechtsextrem und spaltet unsere Gesellschaft. Das ist mit unseren Werten nicht vereinbar."
Die implizite Botschaft seiner unzweideutigen Aussage: Merz hat einen schweren politischen Fehler gemacht, man weiß nicht, wofür genau er steht. Bei mir ist das anders.
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Hendrik Wüst, der zuletzt unter anderem mit einem Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" Aufsehen in der CDU erregte und Chef des mitgliederstärksten Landesverbandes ist, schweigt zu Merz' Äußerungen. Er sei "urlaubsbedingt leider nicht verfügbar", hieß es. Das kann man glauben, muss man aber nicht.
Die Kommentierung überließ Wüst seinem Generalsekretär Paul Ziemiak, der klarstellte: "Als CDU NRW lehnen wir jedwede Zusammenarbeit mit der AfD ab – das gilt auch auf kommunaler Ebene." Die Beschlusslage der CDU gelte.
Deutlicher wurde NRW-Innenminister Herbert Reul. Die Äußerungen von Merz zum Umgang mit der AfD auf kommunaler Ebene seien "missverständlich" gewesen und hätten "zu Problemen geführt." Auf die Frage, ob Merz noch die richtige Person für das Amt als CDU-Vorsitzender ist, antwortete Reul: "Er ist der gewählte Vorsitzende von Fraktion und von Partei, und damit hat sich das."
Trotz "urlaubsbedingten" Schweigens hatte Wüst offenbar Handyempfang. Und somit doch eine Reaktion parat, die sich als Seitenhieb verstehen lässt. Er retweetete Merz' Klarstellung unkommentiert auf seinem Twitter-Profil.
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Auch Daniel Günther ließ die Äußerungen von Merz unkommentiert. Man darf aber davon ausgehen, dass sich der Vertreter des liberalen Flügels der CDU, der den eher konservativen Parteichef schon in der Vergangenheit kritisierte, seinen Teil gedacht hat.
- Twitter-Profile von Markus Söder, Hendrik Wüst und Daniel Günther
- Eigene Recherche