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Energie-Talk bei Anne Will: Ricarda Lang überrascht mit Atomkraft-Aussage


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Energie-Talk bei "Anne Will"
Grünen-Chefin überrascht mit Aussage zu Atomkraft


Aktualisiert am 18.07.2022Lesedauer: 3 Min.
Ricarda Lang (Archivbild): Die Grünen-Vorsitzende sagt, es müsse weitere Entlastungen für Bürger geben.Vergrößern des Bildes
Ricarda Lang (Archivbild): Die Grünen-Vorsitzende sagt, es müsse weitere Entlastungen für Bürger geben. (Quelle: Christian Spicker/imago-images-bilder)

Wie können die Folgen der Gaskrise abgemildert werden? Grünen-Co-Chefin Lang schließt einen Weiterbetrieb der letzten AKWs nicht kategorisch aus.

Aktuell sind Deutschlands Gasspeicher zu 65 Prozent gefüllt, aber die Pipeline Nord Stream 1 wird noch bis nächsten Donnerstag gewartet, und ob Kriegsherr Wladimir Putin den Hahn danach wieder aufdreht, weiß nur er.

Schon jetzt ächzen Verbraucher unter der hohen Inflation und den gestiegenen Energiekosten, ab 2023 rechnet die Bundesnetzagentur mit einer Verdreifachung der Gaspreise.

Diakonie-Präsident Ulrich Lilie warnte kürzlich davor, dass viele Menschen im Herbst vor der "bitteren Wahl" stehen würden, "entweder weniger zu essen oder zu frieren". Ob das übertrieben sei, wandte sich Anne Will zum Einstieg an den Präsidenten des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher.

Die Gäste

  • Ricarda Lang, Co-Vorsitzende der Grünen
  • Jens Spahn (CDU), stellvertretender Unionsfraktionschef
  • Rainer Dulger, Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA)
  • Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW)

Der Ökonom, dessen Haus im Auftrag der Diakonie eine Studie über die Belastung einkommensschwacher Haushalte durch die steigende Inflation durchgeführt hat, hoffte natürlich, dass es nicht so kommt, benannte aber ein "doppeltes Problem": Zum einen gebe es in Deutschland eine "Einkommensarmut", also einen großen Niedriglohnsektor, zum anderen besäßen 35 bis 40 Prozent der Deutschen nichts Erspartes, auf das sie zurückgreifen könnten.

Fratzscher: "Es geht auch um die Mittelschicht." Die beiden bisherigen Entlastungspakete der Bundesregierung seien nur temporär und "nicht zielgenau", den Tankrabatt nannte er in dem Zusammenhang "die Ursünde aller Maßnahmen". Stattdessen schlug er einen Notfallmechanismus vor, demzufolge Empfänger von Sozialleistungen pro Kopf und Monat dauerhaft 100 Euro mehr bekommen sollen.

Lang: "Armutswelle verhindern"

Grünen-Co-Chefin Ricarda Lang wies zwar darauf hin, dass bestimmte Entlastungen wie die Energiepreispauschale ihre Wirkung erst noch entfalten würden, stimmte aber zu, dass es darum gehe, "eine Armutswelle zu verhindern" und dass "mehr Entlastungen" nötig seien. Sie sprach sich für ein Moratorium für Strom- und Gassperren sowie für ein Kündigungsmoratorium für Mieter aus.

Ex-Gesundheitsminister Jens Spahn, inzwischen als stellvertretender Unionsfraktionschef zuständig für Wirtschaft, Klima und Energie, kritisierte wie schon vor drei Wochen an gleicher Stelle das Krisenmanagement der Regierung. Es gebe bis heute keinen Plan zu der Frage "Wie viele Terawattstunden wollen wir durch welche Maßnahmen ersetzen?". Nach Olaf Scholz' "Konzertierter Aktion" sei nichts passiert, und nun befinde sich das Parlament in der Sommerpause.

Dagegen verteidigte Arbeitgeber-Präsident Rainer Dulger die Runde im Kanzleramt als "Kick-off-Meeting", das wichtig gewesen sei, um "ein gemeinsames Verständnis des Problems" zu bekommen.

Fratzscher: "Höhere Löhne sind das beste Instrument"

Dass es indes doch recht unterschiedliche Blickwinkel auf das Problem gibt, wurde direkt im Anschluss deutlich: Während Dulger die IG-Metall-Forderung von acht Prozent mehr Lohn skeptisch sah ("Die Tarifparteien werden vernünftige Lösungen finden"), machte sich DIW-Chef Fratzscher genau dafür stark: "Höhere Löhne sind das beste Instrument", so der Wirtschaftswissenschaftler, weil sie dauerhaft seien und jeder individuelle Bedürfnisse habe, für die er das Geld dann einsetzen könne. Außerdem sehe er im Moment keine Anzeichen für eine Lohn-Preis-Spirale.

"Ich teile die Einschätzung nicht", konterte Dulger, er sehe die Ursachen der Inflation "auf der Angebotsseite", also in Energiekosten und Rohstoffknappheit, "das kann man nicht durch Löhne lösen". Und er gab zu: "Ja, ich habe Angst vor einer Lohn-Preis-Spirale."

Der Arbeitgeber-Chef mahnte an, der Staat müsse seinen Beitrag dazu leisten, dass die Arbeitnehmer mehr Netto vom Brutto hätten, sprich: Steuern senken. Zusagen in diese Richtung gab es von Ricarda Lang zwar nicht – aber auch die Grünen-Vorsitzende sah eine "angebotsgetriebene Inflation". Und sie zeigte sich offen für den Vorschlag eines Gaspreis-Deckels für die Grundversorgung, wie ihn schon vor kurzem DGB-Chefin Yasmin Fahimi und in der Sendung Jens Spahn ins Spiel gebracht hatten.

Lang kündigt "neuen Stresstest" an

Als Anne Will noch die jüngsten Robert-Habeck-Äußerungen zur Gasverteilung ansprach und feststellte, der Wirtschaftsminister habe mit seinem Infragestellen des Vorrangs von Privathaushalten gegenüber der Industrie viele verunsichert, stellte Lang klar: "Niemand rüttelt an der Abschaltreihenfolge", der Schutz öffentlicher Einrichtungen und der Privathaushalte bleibe gewährleistet. Es sei Habeck nur darum gegangen, deutlich zu machen, dass es alle tangieren werde, wenn Industriezweige abgeschaltet würden.

Und dann hatte die Grünen-Chefin noch eine überraschende Formulierung in petto. Bei der obligatorischen Streitfrage, ob es nicht sinnvoll sei, die letzten drei deutschen Atomkraftwerke doch noch etwas länger laufen zu lassen, widersprach sie zwar lange entsprechenden Forderungen Jens Spahns.

Dann aber kündigte sie einen "neuen Stresstest" an: "Sollte man da sehen, dass anders, als es bisher alle Zahlen zeigen, eine Strommangellage erwartbar ist, werden wir natürlich alle Maßnahmen noch mal auf den Tisch setzen." Sowohl Anne Will als auch Jens Spahn wollten diese Äußerung explizit festhalten.

Verwendete Quellen
  • ARD: "Anne Will" vom 17. Juli 2022
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