Debatte im Bundestag Lauterbach: "Freiheit gewinnen wir durch Impfung zurück"
Wird es eine allgemeine Impfpflicht in Deutschland geben? Der Bundestag hat darüber heute zum ersten Mal debattiert. Auch Gesundheitsminister Lauterbach kam zu Wort – allerdings als Abgeordneter.
Der Bundestag hat am Mittwoch erstmals ausführlich über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland debattiert. Ihre Befürworter sehen darin eine nötige Maßnahme, um im Kampf gegen das Coronavirus die Impfquote deutlich zu erhöhen und damit die Pandemie in den Griff zu bekommen. Die Gegner bezweifeln die Notwendigkeit und/oder Rechtmäßigkeit einer solchen Pflicht. Abgestimmt werden soll über das Vorhaben am Ende ohne Fraktionszwang.
Die Beratungen begannen um 15 Uhr. Es handelte sich um eine sogenannte Orientierungsdebatte. Dieser lag noch kein konkreter Gesetzentwurf zugrunde. Auch Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach durfte in der Debatte als SPD-Abgeordneter das Wort ergreifen – Kanzler Olaf Scholz dagegen nicht.
Hier finden Sie die wichtigsten Redebeiträge zum Nachlesen:
Karl Lauterbach (SPD) provozierte zu Beginn seiner Rede mit folgenden Worten: "Vielleicht brauchen wir die Impfpflicht gar nicht mehr." Er verwies dabei auf überwiegend milde Verläufe bei der Omikron-Variante. Wenig später stellte er klar: "Das ist nicht so." Er warnte vor Rekombinationen von Virusvarianten, die später auf die Gesellschaft zukommen können – dagegen sei eine Impfpflicht der einzige Weg.
"Wenn wir die Impfpflicht jetzt beschließen und dann umsetzen, dann sind wir im Herbst gerüstet. Wenn wir das Problem vor uns wegschieben, dann wird das Problem in voller Stärke zurückkommen", so Lauterbach. Dies könne man Kindern, Pflegekräften, Ärzten und gefährdeten Menschen nicht weiter zumuten. "Wir müssen handeln." Ohne Impfung werde man "nicht zurückkommen zu dem Leben, was wir geliebt und geschätzt haben". Er betonte: "Die Freiheit gewinnen wir durch die Impfung zurück."
Die wichtigsten Aussagen von Karl Lauterbach können Sie sich hier oder oben im Video ansehen.
Kubicki und Gysi gegen Impfpflicht
Auch Impfpflichtgegner wie der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki bekannten sich ausdrücklich zum Impfen. Er sei froh, dass er sich habe impfen lassen können. Nun aber gehe es darum, wie der Staat jenen begegnen solle, die sich noch nicht zur Impfung entschieden hätten.
"Es gibt gute Gründe für eine Impfung, die für eine Impfpflicht überzeugen mich nicht", sagte er. Es gebe durchaus bedenkenswerte psychologische oder religiöse Gründe, sich gegen eine Impfung zu entscheiden – insbesondere da der Fremdschutz durch eine Impfung nicht gegeben sei. Er wolle nicht, dass die Mehrheit einer Minderheit vorschreibe, was sie zu tun habe. Es drohe außerdem derzeit trotz hoher Infektionszahlen nicht der Zusammenbruch des Gesundheitssystems. Mit einer zukünftigen Situation im Herbst zu argumentieren, halte Kubicki nicht für vertretbar.
Linken-Abgeordneter Gregor Gysi sprach sich ebenfalls gegen eine Impfpflicht aus und plädierte stattdessen für "Aufklärung, Aufklärung, Aufklärung". Er warnte eindringlich davor, dass Bürger durch schlechte Information und Zwang immer stärker das Vertrauen in die Politik verlieren würden. "Wir brauchen deutlich mehr Vertrauen, sonst wird die Demokratie immer mehr Schaden nehmen."
Buschmann: Zunächst mildere Alternativen prüfen
Der FDP-Abgeordnete und Justizminister Marco Buschmann plädierte dafür, vor einer Entscheidung über eine allgemeine Impfpflicht zunächst alle milderen Alternativen zu prüfen – zum Beispiel eine gestufte Impfpflicht für Menschen ab 50 Jahren. "Ich traue mir da heute keine abschließende Meinung zu", sagte er als FDP-Bundestagsabgeordneter. Es sei auch denkbar, dass sich die Frage durch wirksame Medikamente erledige.
Buschmann übte zudem scharfe Kritik an seinem Vorredner, dem AfD-Abgeordneten Tino Chrupalla. Dessen Rede sei ein "Schuss in den Ofen" gewesen. Mehr dazu können Sie sich hier im Video ansehen.
Die Abgeordneten der CDU/CSU hielten sich deutlich mit einer eigenen Positionierung zurück. Sie kritisierten vor allem vehement, dass die Ampel-Regierung keinen Gesetzentwurf vorgelegt hat. Die Vize-Fraktionsvorsitzende Andrea Lindholz (CSU) sprach von "Arbeitsverweigerung" und monierte: "Die Ampel ist in der Frage der Impfpflicht führungs- und orientierungslos." Der CDU-Abgeordnete Günter Krings brachte ein "Vorratsgesetz" ins Gespräch, das eine Impfpflicht nicht sofort einführe, dass aber bei Bedarf per Bundestagsbeschluss "scharf" geschaltet werden könne.
Bislang zeichnen sich drei Modelle ab: Die Impfpflicht für alle Erwachsenen, eine Impfpflicht ab 50 sowie ein Nein zur Impfpflicht. Mitte Februar soll der Bundestag in erster Lesung über die bis dahin vorliegenden Anträge beraten. Eine Entscheidung dürfte dann im März fallen. Bis zum Sommer soll den Menschen dann Zeit gegeben werden, sich impfen zu lassen.
- Impfpflicht-Debatte im Bundestag
- Nachrichtenagentur dpa