Bundestagsdebatte Union fällt unter 20 Prozent
Berlin (dpa) - Rund drei Wochen vor der Bundestagswahl ist die Union in einer Umfrage auf unter 20 Prozent gefallen.
Im neuen RTL/ntv-Trendbarometer kommen CDU und CSU auf 19 Prozent (minus 2), wie aus den veröffentlichten Daten des Meinungsforschungsinstituts Forsa hervorgeht. Das sind nur zwei Prozentpunkte mehr als die Grünen, die 17 Prozent und damit im Vergleich zur Vorwoche einen Punkt weniger erreichen. Stärkste Kraft bleibt die SPD: Die Sozialdemokraten legen auf 25 Prozent (plus 2) zu. Die FDP verbessert sich auf 13 Prozent (plus 1). Die Werte der anderen Parteien bleiben unverändert.
Bei der Kanzlerfrage fällt Unions-Kandidat Armin Laschet unter die 10-Prozent-Marke. Nur noch 9 Prozent (minus 2) der Befragten würden sich für den CDU-Chef entscheiden, wenn sie ihren Kanzler oder ihre Kanzlerin direkt wählen könnten. Olaf Scholz (SPD) kommt auf 30 Prozent (plus 1) Zustimmung, Annalena Baerbock (Grüne) bleibt bei 15 Prozent. 46 Prozent der Befragten würden sich für keinen der drei Bewerber entscheiden.
Merkel wirbt offfensiv für Laschet
In ihrer voraussichtlich letzten Rede als Kanzlerin im Bundestag hat Angela Merkel (CDU) für den Unions-Kanzlerkandidaten Armin Laschet geworben.
Gleichzeitig warnte sie am Dienstag eindringlich vor einem Bündnis von SPD und Grünen mit der Linken. "Es ist nicht egal, wer dieses Land regiert", betonte sie. Es sei eine besondere Wahl, "weil es in schwierigsten Zeiten eine Richtungsentscheidung für unser Land ist".
Die Bürgerinnen und Bürger hätten die Wahl zwischen zwei Optionen: Einer Regierung von SPD und Grünen, "die die Unterstützung der Linkspartei in Kauf nimmt, zumindest sie nicht ausschließt" oder einer von CDU und CSU geführte Regierung mit Laschet an der Spitze. "Der beste Weg für unser Land ist eine CDU/CSU-geführte Bundesregierung mit Armin Laschet als Bundeskanzler", sagte Merkel. Eine solche Regierung werde für Stabilität, Verlässlichkeit, Maß und Mitte sorgen. "Das ist genau das, was Deutschland braucht."
Ihre Äußerungen führten zu zahlreichen Zwischenrufen im Plenarsaal. Die Kanzlerin verteidigte die ungewöhnlich klaren Wahlkampfäußerungen: "Meine Güte, was für eine Aufregung, ich bin seit 30 Jahren, über 30 Jahren Mitglied dieses Deutschen Bundestages und ich weiß nicht, wo wenn nicht hier, solche Fragen diskutiert werden müssen, das ist die Herzkammer der Demokratie und hier wird genau das diskutiert."
Generalabrechnung mit der Kanzlerin
Während die Linke und die AfD die voraussichtlich letzte Sitzung vor der Wahl am 26. September für eine neuerliche Generalabrechnung mit der Kanzlerin sorgten, attackierten die Redner der anderen Parteien vornehmlich den SPD-Kanzlerkandidaten, Vizekanzler Olaf Scholz. Seine Partei hat aktuell in Wählerumfragen die Nase vorne.
Scholz richtete den Blick vor allem auf die Zeit nach der Wahl. Er versprach Fortschritte beim bezahlbaren Wohnen und ein stabiles Rentenniveau. "Ein Aufbruch ist möglich", sagte der SPD-Minister. "Eine weitere von der CSU/CSU geführte Bundesregierung würde Deutschland Wohlstand und Arbeitsplätze kosten", warnte er. Steuersenkungsversprechen der Union seien unfinanzierbar und "völlig aus der Zeit gefallen".
Die bevorstehende Wahl eine "Richtungswahl"
In entscheidenden Bereichen wie dem Klimaschutz oder der Digitalisierung habe sich in der Ära Merkel viel zu wenig im Land bewegt, sagte die Grünen-Kanzlerkandidaten Annalena Baerbock. Auch den Kanzlerkandidaten von Union und SPD warf Baerbock bei der Klimaschutzpolitik Untätigkeit vor. Die bevorstehende Wahl sei eine "Richtungswahl", die Klimapolitik solle für die kommende Bundesregierung anders als jetzt im Mittelpunkt stehen, forderte Baerbock. Die derzeitige Bundesregierung habe es "vermasselt", den Weg der Klimaneutralität einzuschlagen.
Der FDP-Vorsitzende Christian Lindner warf der Koalition aus Union und SPD vor, wichtige Weichenstellungen für die wirtschaftliche und gesellschaftliche Modernisierung unterlassen zu haben. "Am Ende ihrer Kanzlerschaft ist unser Land nicht in der Verfassung, die unseren Ansprüchen genügen sollten". An die Adresse der Kanzlerin, sagte er: "Vor vier Jahren hieß es, ein Deutschland in dem wir gut und gerne leben. Heute wäre Kontinuität das größte Risiko für unser Land, denn so wie es ist, darf es nicht bleiben."
Scholz rief er zu: "Herr Kanzlerkandidat, eine gewisse Siegesgewissheit kann man Ihnen nicht absprechen. Allerdings geht es nicht darum Umfragen zu gewinnen sondern Wahlen", warnte Lindner. "Und 1976 hat Helmut Kohl sogar die Erfahrung machen müssen, dass man Wahlen gewinnen kann und danach trotzdem keine Koalition hat."
Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Laschet sagte, die Sozialdemokraten würden in Regierungsverantwortung "wieder Schulden machen, und dann werden sie wieder die Steuern erhöhen, wie wir es von ihnen kennen". Süffisant dankte der Kanzlerkandidat Merkel dafür, dass sie in den Koalitionen mit der SPD "gut auf die Sozialdemokraten aufgepasst" habe. Scholz forderte er auf, "klipp und klar" zu sagen, ob er mit einer Partei wie der Linken, die Nato und Verfassungsschutz auflösen wolle, koalieren würde oder nicht.
Laschet warnte vor "kleinteiligen Maßnahmen" beim Klimaschutz. "Wir werden diese große Aufgabe nur bewältigen als globale Aufgabe". Der CDU-Politiker sprach von einer "Klima-Außenpolitik". Man werde auch mit Ländern wie China und Russland reden müssen. Als einziger Redner sprach er über Herausforderungen bei der Inneren Sicherheit. Laschet sagte, Deutschland sei ein "liberales, ein weltoffenes Land". Dennoch sei konsequentes Handeln nötig. NRW habe seit 2017 beispielsweise 35 Terror-Gefährder des Landes verwiesen.
Deutschland zum "Hippie-Staat" gemacht
Deutschland sei heute ein Land, "das verunsichert und gespalten ist", sagte AfD-Fraktionschefin Alice Weidel. Ein Land, dessen Wohlstand erodiert sei. Im Bildungswesen und bei der Digitalisierung sei Deutschland nur Mittelmaß. Ein weiteres ungelöstes Problem der scheidenden Regierung sei "die Migrationskrise". Kein anderes Land denke ernsthaft daran, die deutsche Energiewende zu kopieren. Deutschland sei der einzige "Hippie-Staat, der diese durchgeknallten Ideen ernsthaft umsetzen will, koste es was es wolle".
Auch die Linksfraktion malte ein düsteres Bild. Ihr Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte, Merkel hinterlasse nach 16 Jahren Kanzlerschaft "ein Land im Krisenzustand". Das Land sei sozial, kulturell und politisch tief gespalten. Auch bei den Kosten der Corona-Pandemie werde der Normalbürger zur Kasse gebeten, während die Regierung die "fetten Konten" verschone. Vor diesem Hintergrund warb Bartsch erneut ausdrücklich für ein Links-Bündnis. Angesichts der Alternative, mit der FDP von Christian Lindner zu regieren, müssten sich SPD und Grüne fragen, ob sie ihr Wahlprogramm tatsächlich umsetzen wollen.