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Rostocks OB Madsen bei "Markus Lanz": "Wir sind super unehrlich gewesen"


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Rostocks OB Madsen bei "Markus Lanz"
"Wir sind super unehrlich gewesen"

Eine TV-Kritik von Peter Luley

Aktualisiert am 04.02.2021Lesedauer: 3 Min.
Claus Ruhe Madsen: Der Oberbürgermeister Rostocks zeigte sich bei "Markus Lanz" zum Thema Pandemie-Bekämpfung offen.Vergrößern des Bildes
Claus Ruhe Madsen: Der Oberbürgermeister Rostocks zeigte sich bei "Markus Lanz" zum Thema Pandemie-Bekämpfung offen. (Quelle: Archivbild/imago images)
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Das Thema: Wege aus der Corona-Pandemie; unter den Gästen: Hendrik Streeck. Da lag die Erwartung nahe, dass der streitbare Virologe die Sendung dominieren würde. Heimlicher Star der Runde aber war ein seltenerer Talkshowgast: Der Rostocker Oberbürgermeister Claus Ruhe Madsen.

Der parteilose Politiker, gebürtiger Däne, von Haus aus Möbelhändler und erst seit September 2019 im Amt, konnte zum einen mit einer exzellenten Corona-Bilanz glänzen: Bis heute verzeichnet die 200.000-Einwohner-Stadt an der Ostsee nur 16 Covid-19-Tote, was im Vergleich zum Bundesdurchschnitt eine um 90 Prozent niedrigere Quote bedeutet. Und auch die Sieben-Tage-Inzidenz liegt in Rostock seit Monaten konstant unter dem Grenzwert von 50 Neuinfektionen auf 100.000 Einwohner. Zum anderen wartete er mit einfachen Bildern, Pragmatismus und Offenheit auf.

Die Gäste

  • Manfred Weber (CSU), EVP-Fraktionsvorsitzender
  • Hendrik Streeck, Virologe, Direktor des Instituts für Virologie der Uni Bonn
  • Vanessa Vu, Journalistin, "Zeit"-Redakteurin
  • Claus Ruhe Madsen, Oberbürgermeister Rostocks
  • Christoph Röckerath, ZDF-Südamerika-Korrespondent

In einem kurzen Intro informierte zunächst der zugeschaltete ZDF-Brasilien-Korrespondent Christoph Röckerath über die dramatische Lage in Manaus, wo trotz vermuteter Herdenimmunität der Bevölkerung seit kurzem eine neue Virusvariante auftritt. Wie das zu erklären sei, wollte Lanz von Streeck wissen. Dessen knappe Antwort: "Man weiß es nicht." Vielleicht sei der Bericht über die Herdenimmunität ja falsch gewesen. Vor allem aber könne man seiner Meinung nach nicht sagen: "Es gibt die gefährliche britische Variante, die noch gefährlichere südafrikanische und die extrem gefährliche brasilianische Variante." Vielmehr müsse man alle Varianten ernst nehmen, Angst und Panik seien schlechte Ratgeber in einer Pandemie, und es bedürfe ohnehin in allen Fällen der gleichen Maßnahmen wie gegen die Ursprungsvariante.

Diesen Ball nahm Claus Ruhe Madsen gerne auf. "Wir wollen immer so ’nen unbekannten Faktor mit reinbringen." Stattdessen benutzte er ein einfaches Bild: "Wenn ich erklären würde, in Rostock ist vorm Rathaus ein Löwe entlaufen, würde sich niemand auf die Straße bewegen." Würde man mit einem Löwen an der Leine in den Supermarkt reingehen, würden die Leute Abstand halten. Und niemand würde einen Löwen in ein Altenheim mitbringen. "Aber wenn es immer neue Unbekannte gibt, kriegen wir niemanden eingefangen."

"Nehmen wir die Daten ernst?"

Auch zum Thema Datenerfassung und Lernen aus dem Infektionsgeschehen hatte er überraschende Ansichten parat: "Gefühlt erfassen wir viel zu viele Daten." Die Frage sei vielmehr: "Nehmen wir die Daten ernst?" So habe er keine Erkenntnisse darüber, dass in Schuhgeschäften erhöhte Ansteckungsgefahr bestehe, dennoch habe man sie geschlossen. Ähnlich sei es beim Kinder- und Jugendsport sowie Strandkörben mit Abstand und Hygienekonzepten in Restaurants gewesen. Dabei müsse man den Unternehmern einen Weg aufzeigen.

Als Lanz ihn dann noch mit einem Zitat aus Camus’ "Die Pest" lockte ("Eine Pandemie bekämpft man mit Ehrlichkeit"), legte er richtig los und den Finger in weitere Inkonsequenz-Wunden: "Wir sind super unehrlich gewesen." So habe man Pendelverkehr aus Risikogebieten wegen des Bedarfs an Pflegekräften beibehalten und auch an Leiharbeitern in Fleischbetrieben festgehalten. In Restaurants habe man mit handschriftlichen Gästelisten à la "Micky Maus war hier" gearbeitet, statt die Daten mittels QR-Code zu erfassen. Zudem arbeiteten viele Gesundheitsämter noch immer ohne digitale Software.

Was er im Vergleich dazu richtig gemacht habe? Sehr schnell sehr konsequent gehandelt. So habe er zu Beginn der Pandemie bei nur vier aktenkundigen Corona-Kranken entschieden: "Wir fahren Rostock runter." Zusammen mit einem Privatunternehmen schuf er frühzeitig Testmöglichkeiten und verstärkte die Besetzung des Gesundheitsamts. Kleine Zusatzanekdote: Als er auch Polizisten, mithin Landesbeamte, testen ließ, bekam er aus dem Innenministerium die Anweisung, damit aufzuhören, weil das Bestechung gleichkäme.

Zu guter Letzt, nachdem in einer weiteren Schalte der CSU-Europapolitiker Manfred Weber im Stile der Kanzlerin das europäische Vorgehen bei der Impfstoff-Beschaffung verteidigt hatte ("Die Grundentscheidungen waren richtig"), zeigte sich Lanz beeindruckt von dem unkonventionellen Stadtoberhaupt. Im Grunde decke Madsen ja beide Positionen ab, stellte der Moderator fest: harte Maßnahmen, wie sie die "Zeit"-Journalistin Vanessa Vu im Verlauf der Sendung gefordert hatte, und Zutrauen in die Verantwortung der Menschen, wie es Streeck fordere. Ja, so etwa konnte man das schon zusammenfassen.

Verwendete Quellen
  • Markus Lanz vom 3. Februar 2021
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