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Vor Corona-Gipfel: Einheit von Bund und Ländern zerbröselt wie ein Streuselkuchen


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Kampf gegen die Corona-Pandemie
Die Einheit zerbröselt wie ein Streuselkuchen

Eine Analyse von Liesa Wölm

Aktualisiert am 25.11.2020Lesedauer: 5 Min.
Michael Müller (v. l.), Angela Merkel und Markus Söder: Bund und Länder finden bei den Corona-Maßnahmen keine einheitliche Linie. (Archivbild)Vergrößern des Bildes
Michael Müller (v. l.), Angela Merkel und Markus Söder: Bund und Länder finden bei den Corona-Maßnahmen keine einheitliche Linie. (Archivbild) (Quelle: Fabrizio Bensch/reuters)
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Vor dem Corona-Gipfel mit der Kanzlerin haben die Bundesländer versucht, einen Konsens über neue Regeln zu finden. Doch die Einigung hielt nur wenige Stunden: Droht erneut ein Regel-Wirrwarr?

Die Einigkeit zerbrach am gestrigen Vormittag gegen 11 Uhr: Über die Nachrichtenagenturen läuft zu diesem Zeitpunkt die Meldung, dass Schleswig-Holstein die mühsam zwischen den Bundesländern verhandelten Regelungen zur Kontaktbeschränkung nicht mittragen will. Private Zusammenkünfte mit bis zu zehn Personen sollen, wenn es nach CDU-Ministerpräsident Daniel Günther geht, weiterhin möglich sein.

Es wirkt wie eine Randnotiz, die jedoch offenbart, wie stark es zu diesem Zeitpunkt zwischen den Bundesländern brodelt. Eigentlich hatten sie sich kurz zuvor geeinigt – es kursierte ein Papier, das verschiedene Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vorsah. Ab Dezember sollten höchstens fünf Personen aus zwei verschiedenen Haushalten zusammenkommen. Die Maskenpflicht sollte ausgeweitet werden und auch vor Geschäften gelten, so sah es das Kompromiss-Papier vor.

Ministerpräsidenten sollten sich einig werden

Mühsam hatten sich die Länder darauf verständigt, die Chefs der Staatskanzleien hatten in den letzten Tagen stundenlang konferiert. Nachdem die Ministerpräsidenten bei der letzten Beratungsrunde am 16. November mit dem Kanzleramt die meisten Vorschläge von Angela Merkel abgelehnt hatten, hatte die Bundeskanzlerin die Länderchefs in die Pflicht genommen. Diesmal sollten sie einen Vorschlag liefern.

Das Infektionsgeschehen erhöhte den Druck: Am vergangenen Freitag meldete das Robert Koch-Institut den Höchstwert von 23.648 Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Somit ist das Ziel von Bund und Ländern, deutlich niedrigere Infektionszahlen zu erreichen, bislang verfehlt worden. Es drängt sich die Frage auf: Hätte es nicht längst härtere Maßnahmen gebraucht?

Söder und Kretschmann nicht überzeugt

In eben dieser Situation zeigen sich die Länder nun erneut uneins. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther gehen die neuen Vorschläge für den heutigen Gipfel zu weit, Bayerns Regierungschef Markus Söder nicht weit genug. Er fordert, die bisherigen Ländervorschläge noch einmal zu verschärfen, bevor sie mit der Kanzlerin diskutiert werden. Besonders die geplante Lockerung der Maßnahmen an Weihnachten und Silvester solle noch einmal überdacht werden, sagt Söder.

Und auch der baden-württembergische Regierungschef Winfried Kretschmann von den Grünen ist nicht überzeugt von dem vorliegenden Konzept. Die Einheit der Länder zerbröselt wie Streuselkuchen in diesen Stunden, jeder verfolgt seine eigene Strategie. Man ist an Kleinstaaterei erinnert, die Ministerpräsidenten wirken wie kleine Könige von Deutschland.


Insbesondere zwischen den unionsgeführten Ländern, den sogenannten "B-Ländern", und den SPD-geführten Ländern, den "A-Ländern", machen sich grundsätzlich Unterschiede bemerkbar. Wie etwa beim Thema Schule. Während die B-Länder eine grundsätzliche Maskenpflicht in Schulen – auch im Unterricht für alle Jahrgangsstufen – einführen wollten, so wie es in Bayern bereits festgelegt ist, forderten die A-Länder zunächst eine mildere Regelung: Ihr Vorschlag sah vor, dass in Hotspot-Regionen erst ab der 7. Klasse ein Mund-Nasen-Schutz auch im Unterricht getragen werden muss. Schulen ohne Infektionsgeschehen sollten zudem davon ausgenommen werden.

Einführung von Wechselunterricht

In der aktuellen Beschlussvorlage kommen die Länderchefs Merkel nun doch bei einer Maßnahme entgegen, die die Kanzlerin ebenfalls bereits am 16. November vorgeschlagen hatte: Der Wechselunterricht. Die Klassen sollten vor den Weihnachtsferien halbiert werden, forderte Merkel damals – das würde ein Ende des Regelschulbetriebs bedeuten. Die Ministerpräsidenten lehnten dies ab und auch in der Beschlussvorlage von Montagabend war diese Regelung nicht vorgesehen.

Am Dienstagabend deutete sich eine Kompromisslösung an: "In Ländern oder Regionen mit einer Inzidenz oberhalb des bundesweiten Durchschnitts werden ab der Jahrgangsstufe 7 Konzepte umgesetzt, wie zum Beispiel Wechselunterricht, welche die Einhaltung von Mindestabständen auch im Unterricht gewährleisten", heißt es in dem aktuellen Konzeptpapier.

Für die Eindämmung des Coronavirus im Schulbetrieb soll außerdem gelten: "In Regionen mit einer Inzidenz von deutlich mehr als 50 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner gilt auf dem Schulgelände aller Schulen (…) und in weiterführenden Schulen ab Klasse 7 für alle Personen eine Pflicht zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung."

Schwesig: "Wir halten am Präsenzunterricht fest"

In den Klassen 5 und 6 könne eine Maskenpflicht eingeführt werden. Die Betonung liegt auf "könne". Die Idee des Hybridunterrichts, also die Kombination von Präsenz- und Onlinestunden, die zuvor in einem Nebensatz als Option genannt wurde, wurde zudem komplett aus dem aktuellen Schreiben gestrichen. Es sollen eben nicht zu viele feste Vorschriften geltend gemacht werden, die den Ministerpräsidenten irgendwann auf die Füße fallen könnten. Kein Wunder, dass sich also auch bei diesem Thema schnell Abweichler meldeten.

Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) sprach sich gegen die vorgesehenen Einschränkungen des Schulbetriebs schon ab einem Inzidenzwert von 50 aus. In jeder Region solle je nach Lage entschieden werden können. In ihrem Bundesland liegt der entsprechende Wert derzeit bei 48,7, während er in Berlin mit 197,8 aktuell am höchsten in Deutschland ist, dicht gefolgt von Sachsen mit 193,5 (Stand: 24. November).

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Lockerungen an den Weihnachtstagen und Silvester

Ein weiterer Streitpunkt: die Weihnachtspause. Die strengeren Kontaktbeschränkungen sollen laut Beschlussvorlage zwischen dem 23. Dezember und dem 1. Januar gelockert werden. Dann sind "Treffen eines Haushaltes mit haushaltfremden Familienmitgliedern oder haushaltsfremden Personen bis maximal zehn Personen" erlaubt, heißt es.

"Mit dieser Regelung sollen Weihnachten und andere zum Jahresende stattfindende Feierlichkeiten auch in diesem besonderen Jahr als Feste im Kreise von Familie und Freunden, wenn auch im kleinen Rahmen, möglich sein", geht aus dem Papier hervor. Zu riskant findet das Bayerns Söder, andere Ministerpräsidenten bestehen darauf.

Viele Empfehlungen statt Verbote

Die Länderchefs versuchen durch die gesamte Beschlussvorlage mehrere Balanceakte. Einerseits wollen sie einen härteren Lockdown – wie im Frühjahr – verhindern. Zu groß erscheint ihnen der drohende Unmut in der Gesellschaft, zu hoch der mögliche Schaden für die Wirtschaft. Andererseits soll der Anstieg der Infektionszahlen natürlich gestoppt werden. Gleichzeitig versuchen Laschet und Co., ihre eigenen Ansichten durchzusetzen.


Das Ergebnis: Anstatt die Maßnahmen in der Adventszeit noch einmal deutlich zu verschärfen, versuchen sie nicht nur die Kanzlerin, sondern auch die Bevölkerung mit Kompromisslösungen zu überzeugen. So stehen in der neuen Beschlussvorlage, wie auch bei den letzten Beratungen, viele Empfehlungen und wenig Verbote.

Besondere Uneinigkeit herrscht auch um den 31. Dezember, ein weiteres Beispiel für die Schwierigkeiten: SPD-regierte Länder forderten ein Verkaufsverbot von Silvesterböllern, unionregierte Länder sprachen sich für den Verkauf aus.

Der Kompromiss: Es soll kein direktes Verbot von Silvesterfeuerwerken geben. Es wird lediglich empfohlen, darauf zu verzichten. "Auf belebten Plätzen und Straßen wird die Verwendung von Pyrotechnik untersagt, um größere Gruppenbildungen zu vermeiden", heißt es in dem Papier. Wieder keine klare und vor allem einheitliche Regelung – denn das Verbot auf öffentlichen Plätzen wird letztlich von den örtlichen Behörden geregelt.

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Die Bemühungen scheinen groß

Zu erklären ist das Verhalten der Länderchefs auch mit einem weiteren Faktor: Die Ministerpräsidenten wollen nicht alle Forderungen Merkels vom 16. November mittragen. Zu groß wäre die Gefahr, ihr Gesicht zu verlieren, wenn sie die strengen Vorschläge nun im Nachgang – nach zehn Tagen – akzeptieren würden. Die Frage würde aufkommen, ob die Länder durch politisches Geplänkel Zeit verschwendet und das Weihnachtsfest riskiert haben. Wer will sich dafür schon vor seinen Wählern verantworten?

Es ist zu erwarten, dass Kanzlerin Merkel auch bei den heutigen Beratungen wieder für strengere Maßnahmen – und rechtliche Verbote – plädiert. Ob der Kampf gegen die Pandemie wirklich als Einheit fortgesetzt wird oder ob die Ministerpräsidenten doch auf den Streuselkuchen setzen, wird sich zeigen.

Verwendete Quellen
  • Beschlussentwurf der Länder vom 23. November 2020
  • Beschlussentwurf der Länder vom 24. November 2020
  • Beschlussentwurf der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 16. November 2020
  • Eigene Recherchen
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